Der langsame Tod der Spitzenkandidaten

Ursprünglich waren sie dazu gedacht, Parlamentspräsident Schulz (SPD) zum Kommissionschef zu befördern. Das ging schief. Nun erledigen Merkel & Co. den Rest – die Spitzenkandidaten sterben einen langsamen Tod.

Die EU-Chefs erkannten beim Gipfeltreffen in Brüssel zwar “die Realität” der Spitzenkandidaten an, mit denen die europäischen Parteienfamilien 2014 zum ersten Mal in den Europawahlkampf gezogen waren.

Sie wandten sich jedoch gegen eine Direktwahl des nächsten Kommissionspräsidenten. Es könne keinen Automatismus geben, sagten Merkel und Ratspräsident Tusk.

Der Kommissionspräsident brauche eine „doppelte Legitimation“ durch das Parlament und den Rat. Demgegenüber fordern die EU-Abgeordneten, auch 2019 den siegreichen Spitzenkandidaten zu nominieren.

Nun droht ein Machtkampf um den Nachfolger von Kommissionschef Juncker. Denn Merkel & Co. behalten sich vor, einen Politiker zu nominieren, der kein Spitzenkandidat war. Das wäre ein Affront – die Europawahl wäre entwertet.

Junckers Adlatus Selmayr warnt wegen des Streits schon vor einer “institutionellen Blockade” und droht, am Ende könne Juncker länger bleiben als geplant.

Eigentlich wollte der Luxemburger nach der Europawahl Schluß machen. Und das Europaparlament wollte die schwach ausgeprägte Demokratie in der EU stärken. Beides steht nun in Frage.

Der Chef der EVP, also der stärksten Fraktion im EP, Weber (CSU), spricht dennoch von einem “Erfolg für die europäische Demokratie und das Parlament.”  Wie er darauf kommt, ist unklar.

Vermutlich ist Weber schon deshalb zufrieden, weil die EVP die besten Chancen hat, ihren Kandidaten durchzusetzen. Und weil Merkel und CSU-Chef Seehofer das letzte Wort bei den Konservativen haben…

P.S. Demokratisch wäre das System der Spitzenkandidaten übrigens nur, wenn sie auch demokratisch nominiert und auf europaweiten Listen antreten würden. Beides hat die EVP verhindert – siehe hier