Eine Niederlage für Macron (und die Demokratie)
Einen „neuen Aufbruch für Europa“ verspricht die GroKo in Berlin. Doch in der EU ist davon nichts zu spüren, ganz im Gegenteil. In Straßburg stimmt die CDU sogar gegen die SPD – und gegen Macron. Ein Kommentar.
Fast zur selben Stunde, in der die neue GroKo besiegelt wurde, stimmten CDU und CSU im Europaparlament in Straßburg gegen die Einführung europäischer Wahllisten – und damit gegen SPD und Grüne.
Der fortschrittliche, föderalistische Flügel im Europaparlament wollte erreichen, dass wenigstens ein kleiner Teil der EU-Abgeordneten künftig auf EU-weiten Listen gewählt wird.
Für EU-Listen hatten sich auch Frankreichs Präsident Macron sowie Kommissionschef Juncker eingesetzt. Die Reform ist überfällig, denn bisher werden die EU-Abgeordneten nur auf nationalen Listen nominiert.
Die Auswahl erfolgt in den 28 EU-Ländern, das letzte Wort haben die Parteien. Die Europawahl ist gar keine, selbst die 2014 eingeführten Spitzenkandidaten haben daran nichts geändert.
Denn auch sie konnten nur in ihrem jeweiligen Heimatland gewählt werden, die Wähler hatten nur eine (nationale) Stimme. Ihnen auch eine zweite (europäische) Stimme zu geben, wäre ein demokratischer Fortschritt.
Doch das passt wohl nicht in das konservative Weltbild von CDU/CSU. Statt ein bißchen mehr Demokratie zu wagen, haben selbst „überzeugte Europäer“ wie E. Brok eine Kampagne gegen europaweite Listen geführt.
Ihr Argument, dass der Bürger sich nicht für Kandidaten aus Kroatien oder Finnland interessiere, wirkt vorgeschoben.
Wenn der Kandidat auf der Europaliste M. Barnier oder J. Varoufakis heißt (der Ex-Finanzminister will 2019 mit einer eigenen Liste antreten), dann kann wohl niemand behaupten, er sei weniger interessant als Brok und Konsorten.
Umgekehrt wird ein Schuh draus – prominente Spitzenkandidaten auf europäischen Listen würden der langweiligen Europawahl endlich Pfeffer geben. Das ist es auch, was Macron und Juncker wollten.
Doch mit Merkels Christdemokraten und der konservativen EVP war das nicht zu machen. Sie haben Macron und Juncker eine Abfuhr erteilt – und der europäischen Demokratie auch.
Dieser Kommentar erschien zuerst in der “taz”, für diesen Blog wurde er leicht überarbeitet. Mehr zum Thema hier
P.S. Ausgerechnet die EVP tut nun so, als sei sie die Retterin der europäischen Demokratie, weil sie sich für die Spitzenkandidaten einsetzt (die ein gewisser Schulz erfunden hat). Sie appelliert sogar an Macron, den sie im Streit um die EU-LIsten düpiert hat. Und Newsletter à la “Politico” machen mit – sie lassen sich für die Eigenwerbung der EVP sogar bezahlen…
felinette
9. Februar 2018 @ 12:50
…und ich hatte mich schon gefreut, endlich mal „richtig“ europäisch wählen zu können… Wieder nix, dafür ein herzliches Dankeschön an CDU/EVP. So wird das nichts mit einer demokratischen EU und einem „richtigen“ Parlament. Grrrr!
Kleopatra
11. Februar 2018 @ 16:49
Bei der Bundestagswahl wird mit Landeslisten gearbeitet (und das heißt, dass Schulz direkt nur in Nordrhein-Westfalen gewählt werden konnte; überall sonst konnten allenfalls SPD-Kandidaten gewählt werden, die zugesagt hatten, ihn zu unterstützen). Bei der Europawahl können Landeslisen oder Bundeslisten benutzt werden. In beiden Fällen ist ein Verfahren zur Aufteilung von gewonnenen Sitzen auf die einzelnen Landeslisten festgelegt.
Kleopatra
9. Februar 2018 @ 08:10
Die “transnationalen Listen” werden m.E. mit zuviel Erwartungen aufgeladen. Ich erinnere: Es gibt in Deutschland für den Bundestag keine nationalen Listen, sondern ausschließlich Landeslisten. Alle Kandidaten werden nicht von Bundesverbänden, sondern von Landesverbänden nominiert (und die Wahlkreiskandidaten von noch kleineren Organisationen). Komischerweise entsteht dadurch kein Gefühl der Spaltung und der Gegensätze.
Im übrigen hat jeder das Recht, seine Wahlentscheidung aus beliebigen Motiven zu treffen. Genauso wie man bei der Bundestagswahl auch nach dem Kriterium vorgehen kann, welche Partei die Interessen des eigenen Bundeslandes am besten vertritt, darf man das beim Europaparlament.
ebo
9. Februar 2018 @ 08:58
Natürlich gibt es nationale Listen in Deutschland. Mit der Zweitstimme wählt man den Kandidaten der landesweiten Parteiliste. Da standen im Herbst Merkel, Schulz & Co. Genauso war es auch in der EU gedacht.