Friedensnobel, verloren
Die EU ist außenpolitisch schon wieder gespalten. Weder zum Irak noch zu Nahost oder dem neu assoziierten Spannungsgebiet Ukraine/Russland ziehen die 28 an einem Strang. Gestern versuchten die EU-Botschafter, wenigstens das Gesicht zu wahren – ohne greifbaren Erfolg.
Beispiel Irak: Während die USA Waffen an die Kurden liefern, um sie im Kampf gegen die islamistische IS-Miliz zu stärken, haben die Europäer bisher wenig getan. Nur Großbritannien und Frankreich zeigten Präsenz vor Ort, Deutschland gab Geld für humanitäre Hilfe frei.
Die Debatte der Botschafter in Brüssel kreiste um mögliche EU-Aktionen sowie um die Frage, wie der Machtkampf in Bagdad zu bewerten sei. Über mögliche Waffenlieferungen soll auch künftig jedes EU-Land allein entscheiden.
Beispiel Nahost: Noch vor zehn Jahren war die EU führend, wenn es um eine Friedenslösung ging. Im aktuellen Konflikt um Gaza und die Hamas ist sie jedoch kaum präsent. Außenvertreterin Ashton hält sich sehr zurück; derzeit ist sie in Vietnam.
Derweil streiten die 28 EU-Staaten, ob und wie sie Druck ausüben könnten – und wie eine mögliche EU-Hilfe aussehen soll. Im Gespräch ist eine EU-Mission am Grenzübergang Rafah – doch die gab es früher schon einmal, sie wurde von Israel boykottiert.
Beispiel Ukraine/Russland: Als auf dem Maidan geschossen wurde, war die EU sofort mit drei Außenministern in Kiew zur Stelle. Nun, da Donezk unter Dauerbeschuß liegt und Zehntausende um ihr Leben fürchten, halten sich die Europäer bedeckt.
Einigkeit besteht nur darin, dass man eine humanitäre Mission unter der Ägide Moskaus ablehnt. Doch schon um die Frage, ob man von Kiew eine Waffenruhe fordern soll, gibt es Streit. Auch die Antwort auf die russischen Sanktionen gegen den Westen ist umstritten.
Fazit: Der Friedensnobelpreisträger sieht ziemlich verloren aus. Mutige diplomatische Initiativen und humanitäre Missionen – früher eine Spezialität der EU – sind offenbar aus der Mode gekommen.
Im Zweifel ziehen die EU-Diplomaten neuerdings Aufrüstung und Krieg vor – und wieder mal gibt Deutschland den Takt vor…
armewelt
14. August 2014 @ 22:57
Kleines Quiz:
„Das Vorrücken dieser Extremisten zu stoppen und den Notleidenden zu helfen, ist eine Aufgabe für die gesamte internationale Gemeinschaft.“
– auf welches Land bezieht sich Angela Merkel hier?
a) Ukraine
b) Irak
armewelt
14. August 2014 @ 19:26
Ashton hält sich im Nahen Osten wohl zurück, weil der glücklose Kerry (Nulands Vorgesetzter) das zu seiner Chefsache erklärt hat, wenn auch mit mäßigem Erfolg.
„Als auf dem Maidan geschossen wurde, war die EU sofort mit drei Außenministern in Kiew zur Stelle. Nun, da Donezk unter Dauerbeschuß liegt und Zehntausende um ihr Leben fürchten, halten sich die Europäer bedeckt. „, nein, ich habe nun mehrfach von Merkel und anderen EU-Figuren gehört, dass die Ukraine das Recht hat, so zu handeln, dass sie das gut macht, man hat den Leuten Uniformen und Ausrüstung geschickt, und man hrt von Rechtsradikalen und Söldnern aus Europa (womöglich rechtsradikale Söldner), die da auf Seiten der Westukraine (also mittelbar auf Seiten von USA und EU) mitkämpfen. Aber es ist richtig, dass die kognitive Dissonanz im Fall der Ukraine (warum ist da plötzlich „gut“, was man anderswo beklagt und kritisiert, nämlich Terror gegen Zivilbevölkerung und ethnische Säuberungen?), dass man diese kognitive Dissonanz einfach auflöst, indem man es einfach nicht berichtet. Dieser ganze „Westen“ ist nur noch eine peinliche Lachnummer mit seinem gierigen Eiertanz um die Ukraine. Und natürlich wäre das Ganze einer der größten politischen Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik, und die Regierung müsste längst zurücktreten. Aber in einer unheimlichen, Orwell-haften Harmoniesauce ziehen alle an einem Strang, SPD und CDU, Grüne und Medien, und der Skandal findet einfach nicht statt. Zuviel steht längst auf dem Spiel, zu viele haben sich hier schon zu weit aus dem Fenster gelehnt.
thewisemansfear
14. August 2014 @ 09:32
Schon gelesen? http://www.heise.de/tp/artikel/42/42523/1.html
„Die Versuche, auf Russland durch Sanktionen Druck auszuüben, beeinträchtigen zudem die Beziehungen der EU mit anderen Ländern. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass sie sich offenbar bisher negativer in der EU als in Russland auswirken. Dass nun diverse Länder eine Chance sehen, um die Güter nach Russland zu exportieren, die bisher aus der EU, den USA und den anderen Ländern geliefert wurden, missfällt der EU ganz besonders. In Brüssel hatte man sogar auf die russische Reaktion auf die EU-Sanktionen gesetzt. Es wurde darauf spekuliert, dass die Sanktionen und der erwartete Importstopp in Russland schnell Versorgungsengpässe provozieren würden.“
Das ist ähnlich wie beim Schach, wenn ich scheuklappenartig immer nur den nächsten Zug im Blick habe. Gegen geübtere Spieler geht das schief, man selbst ist dann meistens „überrascht“.
Tim
14. August 2014 @ 17:34
@ thewisemansfear
In der Tat. Seine außenpolitische Schwäche war ja letztlich immer die Stärke von EU-Europa. Früher hat die EU auf Sogwirkung gesetzt, heute will sie auch ausstrahlen. Dumm und kurzsichtig.
winston
14. August 2014 @ 08:09
Die Tatsache das deutsche, französische und polnische Minister im Namen der EU, eine EU wo deren Repräsentanten in irgendwelche Hinterzimmern festgelegt werden, sich das Recht nehmen eine demokratisch gewählte Regierung eines Souveränen Staates aggressiv und penetrant nahelegen zurückzutreten und gleichzeitig die Verfassung zu ändern, kommt einer Kriegserklärung gleich und ist ein Grund diese EU unverzüglich aufzulösen.
Das ist keine Machtpolitik, das ist Grössenwahnsinnig und Dumm.
Je länger die Eurokrise voranschreitet, desto mehr kommt das zutiefst undemokratische Gesicht dieser EU zum Vorschein.
Mir kommt es so vor, das einzelne EU Staaten mit dem Deckmäntelchen EU, Globale Machtpolitik ausüben wollen, läuft es Schief verweist man auf die völlig zersplitterte EU wo man nicht mal weiss an wem man sich wenden soll.
Für das Wohl Europas wäre es das beste, das Abenteuer EU schleunigst ein Ende zu setzen.
Peter Nemschak
14. August 2014 @ 13:53
Sie können der EU nicht mangelndes Demokratieverständnis vorwerfen, solange es keine europäischen Parteien und einen europäischen Diskurs gibt. Verlangen Sie nicht mehr als ein Staatenbund wie die EU leisten kann. Stellen Sie sich vor, 28 Bundesstaaten der USA müssten eine gemeinsame Außenpolitik formulieren. Das ist auch der Grund, warum die EU von Russland nicht ernst genommen wird.
Johannes
13. August 2014 @ 17:08
„oder dem neu assoziierten Spannungsgebiet Ukraine/Russland“ hahahaha köstliche Kritik
Peter Nemschak
13. August 2014 @ 13:09
@ebo Wenn Sie die Politik der baltischen Staaten an Moralstandards messen, müssen Sie die gleichen Standards an die Politik Russlands anlegen.
ebo
13. August 2014 @ 15:04
Nein denn Russland ist kein EU Mitglied
Peter Nemschak
13. August 2014 @ 17:58
In Sachen Realpolitik unterscheidet sich die EU nicht von anderen Staaten, warum sollte sie es auch? Sie betreibt Machtpolitik wie auch die anderen Akteure. Warum sollte sie moralischer als andere sein?
ebo
13. August 2014 @ 18:04
Nochmals: Es geht hier nicht um Moral, er geht um Recht, und zwar um EU-Recht. Das Diskriminierungsverbot gehört zu den Grundlagen der EU; jeder Mitgliedstaat muss sich daran halten, auch im Baltikum.
Peter Nemschak
13. August 2014 @ 20:32
@ebo Richtig. Und was passiert, wenn nicht? Siehe Ungarn.
ebo
13. August 2014 @ 11:12
Der Balkan zeigt vor allem die Doppelmoral der EU und Deutschlands. Als Jugoslawien auseinander brach, zögerte Berlin nicht eine Sekunde, Kroatien anzuerkennen. Später stimmte die EU sogar der Teilung Serbiens zu und machte Kosovo – an der Uno vorbei – zu einem „eigenständigen“ (von EU- und Us-ilfe abhängigen) Staat. In der Ukraine und in Moldawien will man von alldem nichts wissen. Offenbar haben russische Minderheiten keine Rechte, siehe Baltikum…!?
Peter Nemschak
13. August 2014 @ 11:36
Im Baltikum, aber auch in Polen und überhaupt inZentral- und Osteuropa wirkt noch die schlechte Erinnerung an die Sowjetunion nach. Das kann man diesen Ländern nicht verübeln.
ebo
13. August 2014 @ 11:46
Das kann man nicht nur, das MUSS man diesen Ländern verübeln, denn Diskriminierung ist nicht mit den EU-Regeln vereinbar!
Tim
13. August 2014 @ 12:01
@ ebo
Diskriminierung ist sogar konstitutiver Bestandteil der EU, man denke nur an die bizarren nationalen Sitzkontingente in Strasbourg.
ebo
13. August 2014 @ 17:14
Schau mal hier, offenbar kennst du das Diskriminierungsverbot nicht http://www.europarl.europa.eu/brussels/website/media/Lexikon/Pdf/Diskriminierungsverbot.pdf
Dodo
14. August 2014 @ 01:16
@ ebo, wie war das bitte “ Diskriminierung ist nicht mit den EU-Regeln vereinbar! “ seit wann ?
Die Politik der EU war & ist in erster Linie diskrimierend gegenüber allen, die nich Europäer sind. Ausnahmen gibt es natürlich wie USrael.
Peter Nemschak
14. August 2014 @ 11:38
Innerhalb der EU sind Diskriminierungen untersagt, auch wenn sie nach wie vor bestehen, wie das Beispiel der Volksgruppe der Roma zeigt. Seit der Osterweiterung hat sich die Situation verschlimmert. Die EU ist zu schwach, um die Mitgliedsstaaten effektiv zur Ordnungzu rufen oder gar Politiker abzulösen, die nicht dem EU-Standard entsprechen.
Peter Nemschak
13. August 2014 @ 08:27
Die humanitäre Initiative Moskaus wird nicht abgelehnt sondern unter Aufsicht des Roten Kreuzes gestellt – durchaus sinnvoll angesichts des bisherigen Verhaltens Russlands (Krim!). Dass die EU überhaupt den Friedensnobelpreis bekommen hat, ist mir bis heute unerklärlich. Der Preis sollte nur an natürliche Personen verliehen werden, vorzugsweise posthum.
DerDicke
13. August 2014 @ 09:24
Wenn ich mir die Geschichte der Ukraine so ansehe…
Den Osten zu Russland zuschlagen, die Mehrheit ist ohnehin russisch. Die Krim war russisch, ehe sie der Ukraine „geschenkt“ wurde. (Denkanstoß: Könnte Deutschland Südbayern an Österreich verschenken, ohne dass die Südbayern mitreden dürfen? Dürfte man in Südbayern 30 Jahre später ein Referendum durchführen, ob sie wieder nach Deutschland wollen?)
Den Westen bekommt Polen.
Der Rest bleibt ukrainisch.
So ist der Lauf der Dinge, die Grenzen sind nunmal fließend. Auch die Grenzziehung des nahen Ostens (Libyen, Irak, Syrien, Türkei) wird sich verändern wenn Kurdistan zum Staat wird. Vielvölkerstaaten scheinen auf die Dauer nicht zu funktionieren, siehe auch Jugoslawien, Tschechoslowakei, …
Peter Nemschak
13. August 2014 @ 10:42
So wie Sie beschreiben, hat man es bei uns im 18.Jdt. gemacht. Die betroffenen Untertanen wurden mit dem meist nach Kriegen erworbenen Territorium ungefragt mitgeliefert. Heute und in der Zukunft wird es immer schwieriger, einen „ethnisch reinen“ (was immer man darunter verstehen will) Staat herzustellen. Ein demokratisches Gemeinwesen mit Minderheitenrechten wäre die Lösung. Dass dieses nur schwierig herzustellen ist, zeigt nicht nur der Balkan (Bosnien mit mehreren räumlich durchmischten Ethnien) sondern auch die Ausgrenzungspolitik der Rechtsextremen in Westeuropa. Es scheint, als könnten sich die Menschen an Mehrfachidentitäten schwer gewöhnen. Deshalb ist auch der „europäische Bürger“ derzeit mehr Vision als Realität.
DerDicke
13. August 2014 @ 11:25
Es geht nicht um „ethisch rein“. Aber wenn eine Regierung, die die Bevölkerung eines ganzes Landes vertreten soll einen Teil dieser Bevölkerung als – ich zitiere – „Untermenschen“ bezeichnet dann hat diese Regierung das Recht verloren, ihre Macht über diese Menschen auszuüben. Dann lieber diesen Teil des Landes abspalten bevor es zu ethnischen Säuberungen und zum Genozid kommt.
Auf dem Maidan war das Geschrei wegen ein paar toten Demonstranten groß – wer geschossen hat wurde immer noch nicht geklärt.
Bei über 700.000 vertriebenen und mehr als 1.000 Toten Ostukrainern ist nur Schweigen im Blätterwald und der Politik – nur unterbrochen von NATO-Kriegsgeschrei dass Russland sich bloß nicht einmischen soll. Während die USA gleichzeitig Rebellen in Syrien gegen Assad mit 500 Millionen US-$ ausstattet, über die sich ISIS sicher freuen wird.
Diese Doppelmoral von Politik und Medien ist nicht mehr zu ertragen, wo sind unsere „Werte“, wo ist die Wahrheit hin?