Der ESM spricht deutsch

Mit drei Monaten Verspätung startet heute der ständige Euro-“Rettungs”schirm ESM. Regierungssprecher Seibert spricht von einem “guten Tag für Europa”. Dabei hat Deutschland den ESM lange bis aufs Messer bekämpft, die Bundesregierung ist auch für die letzte Verzögerung vor dem Bundesverfassungsgericht verantwortlich. Auch jetzt drückt sie dem Fonds wieder ihren Stempel auf – Hilfe gibt es nur zu deutschen Bedingungen.

“Europa spricht deutsch”, freute sich CDU-Fraktionschef Kauder auf dem Höhepunkt der Eurokrise. “Auch der ESM spricht deutsch”, könnte er nun süffisant hinzufügen. Der neue ständige Euro-Stabilisierungsfonds wird nicht nur personell von Deutschen beherrscht – mit dem deutschen Chef K. Regling, dem neuen deutschen Sprecher W. Proissl und dem deutschen Strategiechef R. Strauch. Er arbeitet auch zu deutschen Konditionen – und vergibt Hilfen zu deutschen Bedingungen.

Schon die finanzielle Ausstattung wurde von Berlin vorgegeben. Dass die Ausleihkapazität auf 500 Mrd. Euro begrenzt wurde und keine billionenschwere “Bazooka” entstand, ist Bundesfinanzminister Schäuble zu verdanken. Weil er zu allen Nachforderungen “Nein” sagte, läuft in Brüssel jetzt schon wieder eine Debatte über eine mögliche “Hebelung” des ESM – denn er ist nicht groß genug, um strategisch wichtige Euro-Länder wie Spanien oder Italien zu stützen.

Auch der Einsatz des ESM liegt ganz in deutschen Händen. Dafür sorgt nicht nur die deutsche Dominanz in Luxemburg (siehe oben), sondern auch das Bundesverfassungsgericht, das jede Hilfe an die Zustimmung des Bundestags gebunden hat. Während das Europaparlament außen vor bleibt und die Abgeordneten der Empfängerstaaten zu Befehlsempfängern degradiert werden, dürfen die Bundestagsabgeordneten selbst vertrauliche ESM-Informationen abfragen – und über alle Hilfsanträge entscheiden.

Ohne die MdBs geht nichts, weshalb Merkel neue Hilfsanträge auf die lange Bank schiebt, um unangenehme Europa-Debatten im beginnenden Bundestagswahlkampf zu vermeiden.

Als wäre dies noch nicht genug, hat Schäuble nun auch noch einen Streit über ESM-Hilfen für marode Banken vom Zaun gebrochen. Gemeinsam mit den Niederlanden und Finnland möchte er die deutsche Lesart durchsetzen, dass Hilfen nur für künftige Notlagen, nicht jedoch für “Altlasten” möglich sind. Doch Irland, Portugal und Spanien haben den Beschluss des EU-Gipfels im Juni ganz anders verstanden und wehren sich gegen dieses neue “deutsche Diktat”.

Letztlich zeigt die Geschichte des ESM, dass Deutschland in der EU zwar nicht allmächtig ist. Doch durch beharrliches Blockieren und Bremsen hat sich der “Rettungsschirm” von einem europäischen Solidaritäts- zu einem deutschen Machtinstrument umdefinieren lassen. Spanien und Zypern haben dies schon erkannt – sie versuchen, sich den deutschen Konditionen zu entziehen, indem sie ihre Hilfsanträge an den ESM bis zum Geht-nicht-mehr hinauszögern…