Weimarer Verhältnisse (II)

Griechenlands Regierungschef Samaras hat die Lage in Athen mit der Weimarer Republik verglichen. Das “Handelsblatt” macht damit die Titelseite und die Wochenendbeilage auf, auch die anderen deutschen Medien steigen groß ein. Doch nach der deutschen Verantwortung für die griechische Misere fragt keiner. In Brüssel herrscht betretenes Schweigen.

Es ist erst zwei Monate her, da warnte Samaras schon einmal vor Weimarer Verhältnissen. Das war im August, der konservative Grieche gab der “Bild” ein Interview. Damals sagte er, ein Chaos wie in Weimar drohe, falls sein Land aus dem Euro herausgeworfen werden sollte. Nicht einmal acht Wochen später hat sich seine Meinung geändert: nun ist Weimar schon da – dabei ist der befürchtete “Grexit” ausgeblieben.

Wenn wir Samaras glauben können, hat also der brutale Austeritätskurs der Euro”retter” sein Land ins Chaos gestürzt. Dennoch lobt er Kanzlerin Merkel, lädt sie sogar nach Athen ein. Außerdem behauptet er völlig überraschend, dass die Staatsfinanzierung noch bis November gesichert sei. Wie praktisch! Denn Merkel möchte die Entscheidung über neue Finanzsspritzen für Athen auf November hinausschieben und ein “Paket” mit Spanien und Zypern schnüren.

Die haben zwar nichts mit Griechenland zu tun, doch innenpolitisch passt es der Kanzlerin so besser in den Kram. Sie gibt mittlerweile nicht mehr nur die Agenda in Brüssel, sondern auch die Konditionen für halb Südeuropa vor. Damit steigt die deutsche Verantwortung für die Misere auf ein neues, bisher unerreichtes “Niveau”. 

Doch danach fragen die “Handelsblatt”-Journalisten nicht. Chefredakteur Steingart stellt lieber Fragen wie “Was treibt Sie an, können Sie noch ruhig schlafen?”. Auch nach der Nazi- und Besatzungszeit wird Samaras gefragt. Doch das neue Weimar, die neue Form ökonomischer Besatzung, die Deutschland derzeit in Griechenland errichtet, ist kein Thema.

Es wird auch kein Thema werden, denn in Brüssel herrscht betretenes Schweigen. Hier konzentriert man sich mittlerweile nicht mehr auf Griechenland, sondern auf Spanien, das – nach Brüsseler Lesart – schnell einen neuen Hilfsantrag stellen und das Anleihenprogramm der EZB nutzen soll. Die EU-Granden sehen sich als die Guten, die doch nur helfen wollen – und schimpfen über die Deutschen, die immer nur auf der Bremse stehen.

Eine Erinnerung an Weimar kann in dieser Lage nur stören…