Es gilt deutsches Recht
Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm ESM zurückgewiesen. Das Budgetrecht des Bundestags bleibe gewahrt, so Karlsruhe. Doch was ist mit dem Recht der vom ESM gestützten Länder – und wo bleibt das Europaparlament?
Die Bundesregierung kann sich freuen. Ihr wichtigstes Instrument zur Absicherung verunglückter Investitionen in der Eurozone, der ESM, wurde vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet.
Das Budgetrecht des Bundestags bleibe trotz Milliarden-Garantien gewahrt, entschieden die Roten Roben im bisher größten Prozess gegen die umstrittene deutsche Strategie der Euro-“Rettung”.
Dabei hat der Bundestag kaum Einfluss auf den Einsatz des ESM. Der Fonds ist ein Instrument der Exekutive, genauer: der von Deutschland geführten Geberländer. Das Parlament darf nur abnicken.
Die nötigen Mehrheiten hat sich Kanzlerin Merkel in der Eurokrise bei SPD und Grünen besorgt, denn die eigene Koalition mit der FDP reichte nicht aus. Der ESM war ein Notstands-Instrument – nach innen.
Nach außen diente und dient er zur Disziplinierung der Krisenländer. Die ESM-Hilfen sind an strikte Konditionen gebunden, die die umstrittene Troika überwacht.
Das Budgetrecht der Nehmer wird dabei ausgehebelt. Dies gilt umso mehr, wenn der Bundestag Bedenken anmeldet, wie im Fall Zypern. Dann fallen die Auflagen eben noch härter aus.
Das Europaparlament hat diese Praktiken in seinem Troika-Untersuchungsbericht scharf verurteilt. Undemokratisch, intransparent und unprofessionell sei die Arbeit der Troika.
Was kaum einer weiß: der ESM ist bei den Troika-Missionen meist dabei. Er gibt sogar selbst Ratschläge an die Troika. So wurde er bei der Privatisierung in Griechenland zu Rate gezogen.
Das Europaparlament fordert nun, die Troika aufzulösen – und den ESM umzubauen. Er soll kein Werkzeug der Geberländer bleiben, sondern ein Gemeinschaftsinstrument werden und als Europäischer Währungsfonds dienen.
Dann hätte endlich auch das Europaparlament ein Wörtchen mitzureden. Bisher hat es keinerlei Einfluss auf Troika und ESM – denn alles läuft zwischenstaatlich, am EP vorbei.
Doch ausgerechnet der Bundestag ist dagegen. Er klammert sich an seine mühsam erkämpften Befugnisse in Sachen Euro”rettung” – und verhindert so, den ESM tatsächlich zu demokratisieren.
Aber das interessiert die Richter in Karlsruhe natürlich nicht. Ihnen geht es nur um das deutsche Recht – und nicht um das Unrecht, das Troika und ESM in den Krisenländern und Europa anrichten.
Und um die Demokratie in der EU geht es schon gar nicht. Für Karlsruhe ist die ja ohnehin minderwertig…
Peter Nemschak
22. März 2014 @ 10:02
Der Bundesverfassungsgerichtshof urteilt im Rahmen seiner Kompetenzen. Er ist kein politischer Gerichtshof, der zu beurteilen hat, ob das “gesunde demokratische Volksempfinden” verletzt wurde.
Johannes
20. März 2014 @ 04:46
Ich find das alles nur noch lustig: “Undemokratisch, intransparent und unprofessionell sei die Arbeit der Troika” – Statt Trokia könnte man auch Euro oder Eurorettung oder Euroeinführung schreiben, der Satz wäre immer noch richtig.
Oder hier, auch sehr amüsant: “Das Europaparlament fordert nun, die Troika aufzulösen – und den ESM umzubauen. Er soll kein Werkzeug der Geberländer bleiben, sondern ein Gemeinschaftsinstrument werden und als Europäischer Währungsfonds dienen.”
– Verdammt dreist und exrem anti-demokratisch. Ich darf natürlich in dieser bösen EU nicht darüber direkt abstimmen, nein, die Elite tut es wie immer für mich. Ey merken die in Brüssel überhaupt noch was? *hahaha
Ich find das amüsant, da spielen sich Politiker, Medien und Journalisten auf und kritisieren den ESM/Troika und wollen Wünsche umsetzen, die weniger Demokratie für den Norden bedeuten.
Demokratie für den Norden und für den Süden scheint nicht möglich zu sein wenn es nach dem EU-Parlement geht, verachtenswerte Menschen auf der ganzen Linie.
GS
19. März 2014 @ 13:57
Ich bin ziemlich froh, dass das EP keine Kontrolle über den ESM hat. Von den Nationalstaaten brav die Kohle rinbuttern lassen, dann aber nicht über deren Verwendung entscheiden lassen. Dass man da in Brüssel/Straßburg feuchte Augen bekommt, ist mir klar. Mir allerdings kommt da eher das Kotzen.
Michael
19. März 2014 @ 11:14
Da der ESM außerhalb der von den EU-Verträgen definierten Aufgabenbereiche der Union agiert, hat das EP über ihn nicht zu bestimmen. Um ihn dem EP zu unterstellen, müssten die Verträge geändert werden. Und auch hier, bei einer Vertragsänderung, darf das Ep zwar eine Meinung äußern, aber nicht mitentscheiden.
ebo
19. März 2014 @ 11:28
Korrekt. Das nennen wir dann europäische Demokratie.
Michael
19. März 2014 @ 13:11
Nein, das liegt daran, dass das EP kein Vertragspartner ist. Die Verträge können von den Mitgliedstaaten beliebig geändert werden (was im Extremfall bedeutet, dass sie das EP abschaffen oder durch ein völlig anders zusammengesetztes Organ ersetzen können, ohne an seine Zustimmung gebunden zu sein; die letztere Möglichkeit wird stellenweise ernsthaft diskutiert).
fufu
19. März 2014 @ 10:55
Ich habe mich frueher oft gefragt, wieso die Mehrheit in Deutschland in der Zeit nach 1933 nicht das kommende Unheil vorausgesehen oder etwas dagegen unternommen hat.
Jetzt, nachdem ich die Entwicklung der EU zu einer faschistoiden Diktatur selbst erlebe beginne ich dies zu verstehen. Die langsame aber kontinuierliche Aushoehlung saemtlicher demokratischer Einrichtungen, der Abbau des Rechtssystems, Verbloedung der Massen durch Spiele und Vereinheitlichung des Bildungssystems, allgegenwaertige Desinformation und Propaganda, die Menschen sind gegenueber einem derartigen System weitgehend machtlos, es bleibt nur die Auswanderung.
Holly01
19. März 2014 @ 09:19
Hallo,
Sie machen einen elementaren Fehler:
Das Bundesverfassungsgericht ist das höchste Gericht in Deutschland, für diesen Sachverhalt. Es urteilt aufgrund der deutschen Gesetzeund für den Rechtsraum “Deutschland”. Die Gewaltenteilung in Deutschland und in seinem Grundgesetz kennt kein höheres Gericht und es kennt kein höheres “Recht”, als das für uns alle gültige.
Da der Rechtsrahmen (Grundgesetz) klare Regeln vorgibt, welche Rechte und Aufgaben jedes Verfassungsorgan hat und wie diese Rechte zu handhaben sind, hat das Verfassungsgericht -nicht- die Möglichkeit nach EU-Recht zu urteilen, denn das wäre ja gerade ein Verfassungsbruch.
Ein Gesetz in Deutschland muss vom Parlament verabschiedet sein, vom Präsidenten unterschrieben sein und im Gesetzblatt veröffentlicht sein, sonst gilt es nicht.
Die gesamte EU ist eine quasi “Überlassung” von Rechten durch die deutschen Verfassungsorgane.
Es gilt aber, daß jeder nur überlassen und von anderen ausführen lassen kann, was er selbst an Aufgaben, Rechten und Pflichten -hat- und die Verantwortung bleibt natürlich bei dem der “ausführen läßt”.
Das EU Parlament kommt in deutschen GG nicht vor. Es hat laut GG keinerlei Pflichten und Rechte. Das EU Parlament handelt im Rahmen der Möglichkeiten die ihm vom Bundestag und des Länderparlamenten (per Gesetz, Verordnung oder Absprache) eingeräumt werden.
Das alles gilt nicht nur für Deutschland sondern für alle EU Länder.
Der Vorgang als ganzes wurde im Vertrag von Lissabon definiert, der ja gerade keine Verfassung ist, sondern eine Handlungsgrundlage.
DAS definiert den Unterschied zwischen Bundesstaat (a´la Deutschland z.B) und Staatenbund (a´la UN z.B.).
Die EU ist ein Staatenbund.
Claus
19. März 2014 @ 07:39
Der ESM und seine Machtbefugnisse des Leiters und der Direktoren ist undemokratisch und laedt zur Verarmung der Bürger der EU und zur Korruption ein. Eine wirkliche Kontrolle durch die Parlamente ist nicht möglich. Eine Selbstbedienung der Leitung des Esm ist nicht auszuschliessen.