Koloniales Gehabe
Der Bundestag hat den Zypern-Deal abgenickt, auch SPD und Grüne stimmten zu. Doch diesmal können sich die Euro-“Retter” über das Ja aus Berlin nicht so recht freuen. Denn die Lage in Zypern ist katastrophal. Das Europaparlament spricht von einem Fiasko – und wirft Finanzminister Schäuble “koloniales Gehabe” vor.
In Deutschland regiert mal wieder die ganz große Koalition. Wie immer, wenn es um die Euro-“Rettung” geht, üben Sozis und Grüne den Schulterschluss mit Schwarzgelb.
Eigentlich war das so nicht gedacht. Die Genossen wollten Finanzminister Schäuble in der Zypern-Frage mal so richtig vorführen. Doch der CDU-Politiker setzte die SPD-Wünsche so radikal um, dass kein Stein auf dem anderen blieb.
Das “Finanzkasino” wurde geschlossen, der Bailout auf 10 Mrd. Euro begrenzt, Bankkunden werden erstmals an einem “Bail-in” beteiligt. Sozialdemokratische Politik in Reinkultur, könnte man höhnen. Selbst die Liberalen jubeln.
Zu dumm nur, dass das “gerettete” Land auf der Strecke blieb. Die Zyprer müssen nun 13 Mrd. Euro selbst tragen – mehr als die “Retter”. Weil sie keine Perspektive haben, wollen sie ein Spielkasino eröffnen und ihre Staatsbürgerschaft verkaufen.
Doch das dürfte nicht ausreichen. Vermutlich müssen die Zyprer sogar ihren Goldschatz plündern und ihre noch nicht mal erschlossenen Gasfelder verpfänden. Selbst ein Austritt aus dem Euro wird erwogen – tolle “Rettung”.
Macht nichts, Zypern ist weit weg, immerhin haben wir eine Blaupause für künftige Stützungsaktionen geschaffen, flüstern die Politiker in Berlin. Eurogruppenchef Dijsselbloem hat es sogar offen ausgesprochen.
Doch der Kollateralschaden ist enorm. Die Sparer sind europaweit verunsichert, Gold ist keine sichere Anlage mehr, in der Eurogruppe hängt der Haussegen schief. Die Währungsunion ist nur noch bedingt abwehrbereit.
Und das Europaparlament geht erstmals offen auf die Barrikaden. Bisher hielten sich die MEPs vornehm zurück, wenn es um eine Euro-“Rettung” ging. Selbst beim Grexit-Drama hielten sie den Mund. Das ist nun vorbei.
Dijsselbloems Krisenmanagement in Zypern sei ein “Fiasko”, sagte der Sprecher der konservativen EVP-Gruppe, J.-P. Gauzes. Die Vorgänge in der Eurogruppe seien einen Untersuchungsausschuss wert, tönte Liberalen-Chef G. Verhofstadt.
Der Chef der SPD-Fraktion, H. Swoboda, forderte, die internationale Troika aufzulösen. Der IWF werde nicht mehr gebraucht, auch die EU-Kommission habe sich wegen des Angriffs auf die Einlagensicherung unglaubwürdig gemacht.
Finanzminister Schäube hielt Swoboda sogar “neokoloniales Verhalten” vor – weil er den umstrittenen “Bail-in” der Bankkunden ohne Rücksicht auf Verluste durchgeboxt hatte. Auch SPD-Europaabgeordnete klatschten Beifall.
Das hat ihre Genossen im Bundestag aber nicht davon abgehalten, mit Schäuble zu stimmen…
Zu diesem Thema siehe auch “Zypern attackiert die SPD “ und “Ende eines Geschäftsmodells”
Hyperlokal
18. April 2013 @ 15:51
@ebo
Natürlich sind die Einlagen der Sparkassen nicht absolut sicher. Aber doch relativ gesehen viel sicherer.
In Zypern muss man ja auch berücksichtigen: Hohe Zinsen, hohes Risiko. Es sind ja nicht alle Sparer geschröpft worden, sondern nur die von 2 Banken. Man muss sich halt eben jetzt seine Bank sehr genau aussuchen. Das belohnt die vorsichtigen Banken. Ein hoher Zins ist halt eine Risiko-Warnung.
ebo
18. April 2013 @ 22:14
@Hyperlokal
Jaja hohe Zinsen, hohes Risiko. Das neue Mantra der Euro-“Retter”. 4 oder 5 Prozent Zinsen rechtfertigen aber keinen Haircut um 60 Prozent. Diese Zinsen waren auch nicht Schuld an der Pleite Zyperns, das war der Haircut in Griechenland. Gleichzeitig beklagen sich die Deutschen über angeblich von der EZB verschuldete Niedrigzinsen, die einer schleichenden “Enteignung” gleichkomme. Was gilt denn nun? Ich vermute: immer das, was (uns) gerade passt!
Hyperlokal
19. April 2013 @ 13:02
@ebo
Das Hauptproblem bei Zypern ist doch nicht, dass dort zwei Banken pleite gegangen sind, (die außerdem mit anderen Banken keine Institutsgarantie eingegangen sind, wie unsere Sparkassen) und wo dort dann alle Einleger Geld verloren haben. Das hätte man von Beginn der Krise in ganz EU machen sollen. Hat denn bisher eine nennenswerte Zahl von Banken dichtmachen müssen? Nein. Wir haben aber viel zu viele Banken. Die EU sollte sich beeilen, damit man dabei die Kontrolle behält und dann auch mal konsequent 50% der Banken dichtmachen.
Systemrelevanz ist doch ein Märchen gewesen. Jetzt jammert natürlich überall die bürgerliche Presse und das öffentlich Rechtliche ZDF erzählt herzzerreißende Geschichten, weil deren Kundschaft in der Regel die höheren Einlagen besitzt. Anstatt Härtefälle politisch abzufedern, soll jetzt bei drohender Gefahr ein Tabu aufgebaut werden: “Fingerweg von Bankeinlagen!”.
Es ist nun mal so. Geht eine Bank pleite, dann wird zuerst auf die Teilhaber zurückgegriffen, dann auf die Einleger. Das weiß jeder, der Geld zur Bank bringt. Letzteres aber nur insoweit die staatlich garantierte 100.000 Euro Grenze überschritten wird. Die war zwar jetzt in Gefahr, ist aber dann doch nicht angetastet worden.
Jammern über zu niedrige Zinsen ein Widerspruch? Nein, im Gegenteil. Das ist absolut konsistent. Weil nur höhere Zinsen zur Vorsicht verleiten. Und die mangelnde Vorsicht war in der Vergangenheit eines der Grundprobleme der Krise.
Das Problem der aktuellen Politik in Zypern ist etwas ganz anderes. Soviel man hört, darf Zypern sein Gschäftsmodell “Niedrige Steuersätze” weiterführen (nur kleine Erhöhung auf 12%). Desweiteren wird von Zypern verlangt, zu privatisieren, die Löhne zu senken und die Sozialausgaben zu kürzen, also das ganze unsinnige Neolib-Programm der sogenannten Euroretter, was bisher nicht ansatzweise funktioniert. Aber sie lernen nichts daraus!
Stattdessen hätte man ruhig die reichen Anleger noch stärker als 60 Prozent zur Kasse bitten können. Und selbstverständlich darf Zypern seinen Goldschatz vertickern. Warum denn nicht?
ebo
19. April 2013 @ 13:11
@hyperlokal
Genau, am Steuerparadies Zypern wird nichts geändert. Hat man in Irland auch nicht gemacht. Die EU tut auch nichts zur Bereinigung des aufgeblasenen Bankensektors in Europa. Fast alles, was man dazu aus der Eurogruppe hört, ist irreführend. Die Wahrheit ist, dass man jedes Land so “rettet”, wie es den (deutschen) Rettern gerade in den Kram passt. Mal mit 100% Bailout, dann mit 70% Bail-in, mal nur die Banken, dann den ganzen Staat etv. pp. Kein Wunder, dass der IWF keine Lust mehr hat, und dass die EZB klare Regeln anmahnt…
Hyperlokal
18. April 2013 @ 15:41
@Alder Ist Einmalig
“Das Geld auf der Sparkasse ist sicher? Träum weiter…”
Ich weiß, was ich tue 🙂
Hyperlokal
18. April 2013 @ 15:39
@Andres Müller (oben)
Solange der Euro nicht unter einen Dollar sinkt, können wir Deutschen mit der niedrigeren Bewertung gut leben. Fördert den Export.
Ansonsten kostet mein Boskop-Apfel aus der Region schon seit Jahren 1,99 Euro das Kilo. Da ich nicht jeden Tag pendele halten sich meine Benzinkosten in Grenzen. Mir ist das schnuppe, ob der Euro bei einem Dollar oder einem Dollar Fuffzig liegt.
Hyperlokal
18. April 2013 @ 15:33
@wanderer
Die Sparkassen brauchen aufgrund ihres speziellen Sicherungssystem keine hohen Eigenkapitalquoten (Verbundhaftung, etc.) Deswegen sind die speziell für die Sparkassen ausgehandelten EU-Ausnahmen bei der Bankenregulierung auch richtig.
ebo
18. April 2013 @ 15:37
@Hyperlokal Einspruch, die Ausnahmen sind nicht gerechtfertigt. Dass Sparkassen pleite gehen können, haben wir in Spanien gesehen. Verbundhaftung ist keine hinreichende Sicherung.
GS
18. April 2013 @ 11:29
Der Witz beim Goldverkauf ist ja auch, dass der Preis, kaum angekündigt, gleich erst einmal richtig in den Keller gegangen ist. Sicher aus anderen Gründen, aber da tut sich also ein neues Loch auf. Und beim Gold muss man sich jetzt auch fragen, ob das noch ein Bullenmarkt ist. Falls nein, sollte sich Zypern aber beeilen, wenn sie damit noch Geld machen wollen…
Was aus dem Europäischen Parlament kommt, ist allerdings nur ein Sturm im Wasserglas. Die haben bei der Euro-Rettung nix zu melden. Man könnte meinen: zum Glück. Interessant finde ich aber, dass die Parteivertreter auf den verschiedenen Ebenen sich so offen widersprechen. Denn was SPD-Swoboda z.B. da herausposaunt, kontrastiert doch stark mit der (laut ebo) “sozialdemokratischen” Rettung Zyperns. Spielt wohl doch ne größere Rolle, an welcher Stelle man im System sitzt als welcher Partei man zugehört…
ebo
18. April 2013 @ 11:33
@GS Richtig, das EP hat bei den “Rettungs”aktionen nichts zu melden. Die Bundesregierung gibt die Richtung vor, der Bundestag darf es dann abnicken. Diesmal musste Schäuble aber auf die SPD Rücksicht nehmen, das sie mit Ablehnung drohte. Genau das macht die Haltung der Sozis im EP so interessant. sie sind offenbar innerlich zerrissen in eine “europäische” und eine “nationale” Denke. Bei manchen, wie Parlamentschef Schulz (SPD) müssen zwei Seelen in einer Brust wohnen…
Andres Müller
18. April 2013 @ 14:23
@GS kommt drauf an von welchem Gold man hier spricht, Physisch oder Papiergold. Zypern hätte gute Chancen ihr physisches Gold noch zu etwa 1600 US$ zu verkaufen, denn Gold in Mengen zu mehreren Tonnen zum aktuellen Preis ist weitgehend physisch ausverkauft. In den USA wurden am 16. April die Rekordmenge von 63500 Unzen Münzen abgesetzt, so viel wie selten zuvor (und oftmals nahezu den früheren Preisen im versiegenden Angebot).
http://www.zerohedge.com/sites/default/files/images/user5/imageroot/2013/04/Gold%20Mint.jpg
Die USA benötigen viel Gold um auf physische Auslieferung (wie etwa nach Deutschland) vorbereitet zu sein. Es wird vermutet dass die USA nur noch etwa 80% der deklarierten physischen Menge besitzt, der Rest könnte ausgeliehen sein (niemand kennt die Zahlen genau). Falls dies zutrifft, dann dürfte man in den USA gerade dabei sein diese Vorräte zu versuchen physisch wieder nachzufüllen.
Nur ist es so dass es auch einen Verkäufer geben muss der gewillt ist zu verkaufen, und wie es scheint ist man dazu nicht einmal in Zypern bereit. Also muss man das Land dazu zwingen, was aber nur möglich ist so lange das Land noch gewillt ist sich (kaputt) retten zu lassen.
Wanderer
18. April 2013 @ 10:21
Sparkassen mit einem Eigenkapital i.H.v. 2% nennt man heute gesund. Die meisten liegen darunter. Also alles in Butter…? Wenn du sehen willst was auf dich zukommt, musst du nach vorn schauen.
Fantareis (@Fantareis)
18. April 2013 @ 10:08
In den Parlamenten jedes EU Mitgliedstaates sitzt lauter Lügenpack – weg mit diesem Dreck. Wir brauchen Menschen mit Herz und Gewissen in der Politik, keine Krawattenroboter, Hosenanzugzombies und sonstige bezahlte Lobbyisten. Aufstehen, auf die Straße gehen, eine neue Bewegung gründen, wir brauchen keine Experten und Berufspolitiker, die machen keine Politik für uns, sondern nur für ihre Zwecke. Gebt denen keine Stimme mehr!
Hyperlokal
18. April 2013 @ 09:28
“Die Sparer sind europaweit verunsichert”
Ich bin nicht verunsichert. Ich hab mein Geld auf der Sparkasse. Das dauert noch lang, bis da was gepfändet wird. Kann jeder andere auch machen. Sogar jedes Unternehmen. Vielleicht nicht die Konzerne. Aber die versteuern ja auch nicht hier.
Gefährlicher für mich ist da die EU-Kommission. Da will mancher die Sparkassen abschaffen. Wegen angeblicher Wettbewerbsverzerrung. Absetzen sollte man sie. Die ticken einfach komplett falsch, von wegen “Freihandel total, Kapital muss frei floaten, Wasser ist zu privatisieren”. Alles kompletter Unsinn. Und diese Leute bestimmen über unsere Köpfe hinweg. Nicht zu fassen. Brandgefährlich ist das.
Gold keine sichere Anlage mehr? Nicht mein Problem.
Alder Ist Einmalig
18. April 2013 @ 12:13
Das Geld auf der Sparkasse ist sicher? Träum weiter…
Andres Müller
18. April 2013 @ 14:53
Je mehr früher verbürgte Sicherheit durch die real regulierende Troika geopfert wird, desto höher muss die Verunsicherung steigen, das ist doch eine Formel die nicht von der Hand zu weisen ist. Selbst Sie @Hyperlokal haben Angst vor Europas Eliten.
Ich nehme mal an ihr Erspartes ist in der Währung Euro verbucht. Es mag sein dass ihr Geld in absoluten Zahlen auf diesem Konto derzeit noch relativ sicher ist, aber was sind schon absolute Zahlen in einer Papierwährung wie dem Euro?
In Japan haben die Bürger mit ihrem Yen seit Jahresbeginn 20% Währungsverlust gegenüber dem US$ eingebüsst, Gegen die Entwertung durch die Geldschleuse der Notenbank ist niemand sicher.
Bei uns in der Schweiz kaufte die SNB so viele Euro, dass mein Kontostand gegenüber dem Euro von einem Tag auf den Anderen um 8% zurückgefallen war, also hat die SNB das notwendige Geld dazu einfach von meinem Franken-Konto abgebucht ohne etwas an den Zahlen des Kontostandes ändern zu müssen -es kaufte eine Pleitewährung. Die meisten Leute haben keine Ahnung über diese Mechanismen, sie bemerken überhaupt nicht was vor sich geht. Was tut nun die SNB mit diesen inzwischen 300 Milliarden Euro? Verkaufen kann sie man die Währung wohl noch Jahre nicht, falls der Euro überhaupt noch mehrere Jahre existiert 😉
Janz
18. April 2013 @ 20:36
Ist ja wunderbar,das du dein Geld auf der SPK liegen hast.Bei den gewaltigen Zinsen.Aber du müsstes doch eigentlich wissen,das es bei der Inflationsrate nur Verluste bringt!Und sicher,ist nur der Tod!