Coronavirus: Wo bleibt die europäische Antwort?
Im Kampf gegen das Coronavirus hat die EU alle Mitgliedsstaaten zur Zusammenarbeit aufgerufen. Doch in der Praxis ist davon nichts zu sehen, eine europäische Antwort lässt auf sich warten. Auch Deutschland bereitet Sorge.
Welche Regeln gelten denn nun für Flug- und Schiffspassagiere? Trotz der EU-Appelle zu einem gemeinsamen Vorgehen bleibt dies unklar. Eine Airline nach der anderen hat die Flüge nach China eingestellt – von einem koordinierten Vorgehen keine Spur.
Heute wurde bekannt, dass Italien ein Kreuzfahrtschiff mit 6000 Passagieren angehalten hat, nachdem zwei Chinesen mit Verdacht auf den Coronavirus identifiziert wurden. Dürfen die Reisenden nun nicht mehr an Land? Werden jetzt auch die Häfen abgeriegelt?
Und was ist mit anderen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn? Sollen die Reisenden Schutzmasken tragen, wie man sie an Flughäfen zunehmend sieht? Fragen über Fragen – Antworten gibt es wenige. Weder von den nationalen Behörden, noch von der EU.
Nur keine Panik, die Grippe ist viel schlimmer, heißt die Devise in Deutschland. Mag sein. Doch es war ausgerechnet in Deutschland, dass das neue Virus zum ersten Mal in Europa von Mensch zu Mensch übertragen wurde. In Frankreich sorgt das für Unruhe.
“Est-il vrai que la première transmission du coronavirus sur le sol européen a eu lieu en Allemagne”?, fragt die Tageszeitung “Libération”. Und zwar in der Rubrik “Check News”, in der Gerüchte und Fakes aufgedeckt werden.
Doch diesmal handelt es sich leider nicht um eine Falschmeldung. Der erste Fall einer Übertragung von Mensch zu Mensch in der EU wurde tatsächlich in Bayern gemeldet. Aber wir haben natürlich alles im Griff, gell?
Kleopatra
31. Januar 2020 @ 06:58
Die EU ist gut im Erlassen von Regeln, aber das dauert naturgemäß seine Zeit, in der EU wegen ihrer Komplexität besonders lange, und die Reaktion auf eine Epidemie ist nichts, wofür sich vorher erlassene Regeln eignen. Schnelle Reaktionen sind etwas, wofür die einzelnen Staaten zuständig sind. Zudem sieht man den Unterschied: Deutsche stellen sich vor, dass alles nach Regeln verläuft (und deshalb keine ad-hoc-Entscheidungen nötig sind), woanders geht man davon aus, dass Zuständige weitgehende Rechte zu ad-hoc-Entscheidungen haben sollten. Dieser Gegensatz in den Auffassungen war schon in der Euro-Krise da und scheint sogar in diesem Kommentar sichtbar. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Bestimmungen, die zu ihrer Ausarbeitung solange brauchen, wie in der EU normal, das richtige Mittel sind, um auf neuartige Bedohungen zu reagieren. Das bedeutet allerdings, dass hier die Stunde der einzelstaatlichen Behörden ist. Isolation und Unterbindung von Verkehr ist nun einmal bei einer Epidemie keine abwegige Maßnahme.
ebo
31. Januar 2020 @ 09:00
Was die Regeln betrifft, haben Sie völlig recht. Aber hier geht es um Koordinierung, z.B. bei Hilfsflügen. Es geht auch darum, den Bürgern zu helfen, wenn sie gestrandet sind, wie z.B. auf dem Kreuzfahrtschiff in Italien. Die EU unterhält in Brüssel ein Einsatzzentrum für solche Fälle – doch ich kann nicht erkennen, dass es zum Einsatz käme…
Peter Nemschak
30. Januar 2020 @ 16:33
Das können die betroffenen Staaten vorläufig auch ohne Brüssel. Schließlich kennen die Behörden einander aus ihrer laufenden Zusammenarbeit innerhalb der EU. Hier geht es nicht um politische Entscheidungen sondern um eingespielte Zusammenarbeit auf operativer Ebene.
Peter Nemschak
30. Januar 2020 @ 16:05
Geschrei hin oder her. Wenn es medizinisch erforderlich ist, wird man nicht umhin kommen, die Passagiere einige Tage festzusetzen. Es soll nichts Schlimmeres passieren. Ich bin überzeugt davon, dass es intergouvernmentale Kommunikation zwischen den Regierungen der betroffenen Länder und ihren zuständigen Beamten gibt. Was soll die EU in ihrer supranationalen Funktion zusätzlich dazu beitragen ?
ebo
30. Januar 2020 @ 16:25
“Gesundheitskommissarin Kyriakides sagte der Zeitung “Die Welt”, die Brüsseler Behörde sei darauf vorbereitet, rasch mögliche Gegenmaßnahmen zu unterstützen und zu koordinieren, sollte dies erforderlich sein.” – Nun ist es erforderlich!
Peter Nemschak
30. Januar 2020 @ 13:25
Man muss sich die Zahlen vor Augen führen, die bisher keineswegs besorgniserregend sind. Manchmal entsteht der Eindruck, dass unsere Gesellschaften hysterisch wie im Mittelalter auf die Pest reagieren statt kühl zu überlegen. Wie groß ist für den einzelnen Bürger die Wahrscheinlichkeit am Coronarvirus zu erkranken, wie groß die Wahrscheinlichkeit dabei zu Tode zu kommen ? Nicht einmal die WHO hat bisher den internationalen Notstand ausgerufen. Warum soll die EU den europäischen Notstand bemühen ? Angeblich gibt es bereits da und dort rassistische Reaktionen sowie wie im Jahre 1347 als die große Pest in Europa ausbrach und damals die Juden dafür verantwortlich gemacht wurden.
ebo
30. Januar 2020 @ 15:05
Es geht (noch) nicht um Notstand, sondern um Kooperation. Bisher macht jedes Land, was es will. Dabei droht ein Uberbietungs-Wettbewerb, wie in Italien. Wenn Deutsche auf dem Kreuzfahrtschiff festgehalten werden, wird es großes Geschrei geben