Aufwind für Plan B
Kommt nach dem Brexit der Frexit? Diese Frage stellen sich viele in Brüssel. Sie fürchten einen Wahlsieg von FN-Führerin Le Pen in Frankreich. Doch bisher reüssiert ein anderer – mit Plan B für EUropa.
Gemeint ist der linke Kandidat J.-L. Mélenchon. Kurz vor einer womöglich vorentscheidenden TV-Debatte verzeichnet der Volkstribun den größten Zulauf unter den (zahlreichen) Unentschlossenen.
Mit zuletzt 15,3 Prozent hat er seinen sozialistischen Rivalen B. Hamon (knapp 10 Prozent) weit hinter sich gelassen und schickt sich nun sogar an, den Konservativen Fillon zu überrunden.
Damit wird Mélenchon zur Gefahr für den Liebling der Medien und der EU, den Parteilosen Ex-Wirtschaftsminister E. Macron. Denn wer links tickt, wird in der Stichwahl kaum Macron wählen.
„Chance auf einen Sieg“
Das heißt noch nicht, dass Mélenchon eine realistische „Chance auf einen Sieg“ hat, wie die „NZZ“ berichtet. Macron müsste schon ein Riesen-Patzer unterlaufen, damit er auf Platz drei absackt.
Und nur die beiden Bestplatzierten im ersten Wahlgang kommen in die Stichwahl.
Bemerkenswert ist Mélenchons Aufholjagd aus einem anderen Grund: Er ist nämlich der Einzige, der Deutschland und die EU offen herausfordert – mit einem „Plan B“. Dazu ein Zitat aus „telepolis“:
Für die EU präsentiert Mélenchon einen Plan A und einen Plan B. Plan A sieht vor, dass EU-Verträge neu überarbeitet werden und zwar mit einem Ausstieg aus den bisherigen Abmachungen und dem Aufstellen neuer Regeln. Er erwähnt dazu als Beispiele: die 3-Prozent-Schwelle bei den Staatsschulden, CETA, die EU-Entsenderichtlinie und die Unabhängigkeit der europäischen Zentralbank. Darüber hinaus spricht er sich für eine Abwertung des Euro aus, um wieder zur Parität mit dem Dollar zurückzukehren. Plan B würde den Ausstieg aus den Verträgen – und zwar mit allen Ländern, die gegen die getroffenen Abmachungen sind, bedeuten und möglicherweise den Ausstieg Frankreichs aus der Euro-Zone.
Offenbar hat Mélenchon aus dem Debakel der Linken in Griechenland gelernt. Syriza hatte keinen „Plan B“ und musste 2015 auf ganzer Linie kapitulieren. Das soll der französischen Linken nicht passieren.
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Sie droht daher mit dem Ausstieg – wohl in der Annahme, dass Deutschland vor dieser Perspektive zurückschrecken und klein bei geben würde. Allerdings ist unklar, welche EU-Länder sich anschließen würden.
Kritiker des deutschen Europa
Sehr hoch würde ich die Erfolgseinsichten nicht einschätzen, im Gegenteil. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es in Frankreich nicht nur softe EU-Fans à la Macron und knallharte EU-Gegner wie Le Pen gibt.
Es gibt auch Kritiker des „deutschen Europa“ und seiner Regeln – und die machen sich nun erstmals ernsthaft Gedanken darüber, wie sie die Kräfteverhältnisse in der EU verändern könnten.
Für mich ist das ein Fortschritt – jedenfalls so lange, wie in Deutschland nicht ernsthaft über eine andere Europapolitik nachgedacht wird. Was macht eigentlich Herr Schulz, der Europapolitiker?
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hintermbusch
10. April 2017 @ 14:35
Es ist jetzt so weit: Jean-Luc Mélenchon hat erstmals in einer Umfrage Fillon hinter sich gelassen:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/wahl-frankreich-jean-luc-melenchon-umfrage
hintermbusch
5. April 2017 @ 10:46
Es wird für Mélenchon wohl nur reichen, wenn Hamon zurückzieht (was ich nicht auschließen würde, denn er hat nichts zu gewinnen und Rechnungen mit dem Macron-Lager offen)
Emmanuel Todd sieht überhaupt nur zwei akzeptable Kandidaten, die er erwägen würde:
Mélenchon oder den „lauteren konservativen Patrioten“ Dupont-Aignan, d.h. ein Souveränist:
http://www.lejdd.fr/Politique/Emmanuel-Todd-L-election-est-une-pure-comedie-857597
Haupteinwand gegen Mélenchon:
„Aus der NATO austreten? Bestimmt nicht! Wenn wir Berlin entkommen wollen, werden wir uns auf Washington stützen müssen. Das ist genau der Moment um pro-amerikanisch zu sein.“
Haupteinwand gegen Nicolas Dupont-Aignan: Keiner (bzw. „er ist leider rechts, ich links“).
Er wünscht sich, dass Konservative in Massen für Dupont-Aignan stimmen.
Dazu die Meinung eines „unabhängigen“ Bürgermeisters einer Kleinststadt im Norden:
http://jeanmarieallain.over-blog.fr/2017/04/todd-melenchon-et-dupont-aignan.html
Die Frage der Grenzen und der Migration allein gebe den Ausschlag für Dupont-Aignan.
In den Umfragen steht der aber bisher nur wenig über 5%:
http://www.lefigaro.fr/elections/presidentielles/2017/03/22/35003-20170322ARTFIG00335-en-hausse-dans-les-sondages-nicolas-dupont-aignan-salue-un-declic.php
Die politische Landschaft Frankreichs bricht massiv um. Das dürfte sich spätestens in den Parlamentswahlen zeigen. Macron würde ein Präsident mit einem sehr bockigen Parlament werden. Weder die starken Mélenchon/Hamon noch die Fillon/Dupont-Aignan-Bataillone würden ihm das Leben leicht machen. Möglicherweise läuft es auf ein solche Konstellation hinaus, also auf kurzfristige Stabilität und eine spätere Option für eine neue Zeit nach dem Euro. Das kann für das Land durchaus kurzfristig sinnvoll sein, damit schwere innere Konflikte jetzt vermieden werden, wie sie die Wahl Le Pens wohl bringen würde. Die Erfahrung zeigt, dass sich Frankreich eher durchschlängelt als sich zu zerreißen.
ebo
5. April 2017 @ 10:54
Stimmt, solange Hamon weitermacht, kann Mélenchon wohl kaum zu Macron aufschließen. Allerdings wird Macron, sollte er gewählt werden, nicht umhin kommen, die Positionen der Links-Wähler zu berücksichtigen. Schließlich gibt es ja noch einen dritten Wahlgang – die Parlamentswahl!
nb_wh
6. April 2017 @ 10:32
Es bestehen jedoch ernsthafte Differenzen zwischen Hamon einer- und Mélenchon andererseits. Einmal eben bezüglich der Idee eines Plan B und auch außenpolitisch stößt Mélenchons Antiimperialismus nicht gerade auf offene Ohren bei Hamon, der sich bei den beiden bisher stattgefundenen TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten bisher (trotz einiger Kritik am Militarismus) als größter Scharfmacher gegen eine Annäherung an Russland und Syrien hervorgetan hat.
Thomas
5. April 2017 @ 10:12
Eine Währungsunion ohne Deutschland funktioniert nicht !
Wer bitte soll das denn dann alles bezahlen – siehe Target II
winston
5. April 2017 @ 21:45
Apropos Zahlen
Deutschland hat seit der teschnischen (1998) und physischen (2002) Einführung des Euros mehr als 2 Billionen €, in Zahlen 2.000.000.000 Handelssurplus generiert. Dies wäre ohne Euro niemals möglich gewesen.
Das Handessurplus Deutschlands bewegte sich vor der Euro Einführung +- auf der 0 Linie, manchmal drüber, manchmal drunter. Erzielt ein Land dauernd Handelsüberschüsse wertet dessen Währung auf. Die DM hat praktisch ggü. allen Wärungen aufgewertet, ausser CH, Ö, J und NL. Die Währung fungiert als Ausgleich, dies ist in der Euro-Zone nicht mehr möglich.
Dies ist im höchsten masse Dysfunktional, nicht nur für die Euro-Zone sondern auch für die USA und im Endeffekt für den globalen Handel.
Und deshalb wird der Euro scheitern, man kann sich nicht dauerhaft gegen Makroökonomische Gesetze hinweg setzen.
Je länger dieser Zustand anhält, desto grösser werden die Schäden und desto tiefer werden die Gräben zwischen den Euro-Ländern.
winston
4. April 2017 @ 23:09
Plan A wird scheitern, wie schon bei Holland und grandios bei Tsipras.
an Plan B glaube ich nicht. Melenchon ist ein Euro befürworteter.
Einzige Hoffnung für Frankreich ist Le Pen. Der Euro ist für Frankreich nicht mehr tragbar. Frankreich muss den Euro verlassen, will es nicht so enden wie Italien. Dito Finnland. Gibt keine andere Alternative oder es wird deindustrialisiert.
Währungs Union ohne Deutschland würde nix ändern, es wäre kein Optimaler Währungsraum. Die Rolle Deutschlands würden dann Frankreich oder Italien übernehmen oder beide zusammen.
Ein Optimaler Währungsraum würden zwischen Deutschland und seinen Satellitenstaaten Österreich, Holland, Belgien funktionieren. Deutschland hätte dann aber eine Totale politische Dominanz, Ob sich Österreich, Holland, Belgien sich gerne von Deutschland rein reden lassen würden ist zweifelhaft, denke eher nein. Es käme eine Annexion Hollands, Österreichs und Belgiens seitens Deutschland gleich.
Eh egal, erwarte nix mehr von Frankreich oder Italien. Und Deutschland wird niemals den Euro von sich heraus verlassen.
Der Todesstoss des Euros wird imho von den USA kommen.
Das ganze wird Sauteuer.
Alexander
4. April 2017 @ 22:19
Wie sich wohl „die großen Medien“ in dem zur Zeit unwahrscheinlichen Fall positionieren würden, dass es zu einer Stichwahl zwischen Mélenchon und Le Pen kommt? Hauptsache kein Linker?
Peter Nemschak
4. April 2017 @ 19:46
Besser ein deutsches als ein Europa mit der Handschrift von Melanchon oder Le Pen. Erstaunlich auf welche phantasiereiche Weise die Menschen sich selber schaden wollen und das, bloß weil ihnen die derzeit Regierenden nicht zu Gesicht stehen. Dass Macht, egal ob rechts oder links korrumpiert, wollen sie nicht begreifen. Schließlich sind auch nur Menschen an der Regierung. Dass Gleichmacher- und rassistische Konzepte schon im 20.Jhdt. versagt haben, haben viele schon wieder vergessen.
ebo
4. April 2017 @ 20:40
Darauf antworte ich zur Abwechslung mit einem Kommentar aus der FAZ: „Die Bilanz Angela Merkels sieht dürftig aus: Die Briten sind, auch wegen der deutschen Flüchtlingspolitik, auf dem Weg nach draußen, die Osteuropäer verprellt, die Südeuropäer entfremdet.“ Schönes deutsches EUropa, nicht wahr?
Peter Nemschak
6. April 2017 @ 16:38
Im Grunde orientieren sich die meisten Länder am deutschen Wirtschaftsmodell. Warum soll sich Deutschland nach unten anpassen? Das Europa, das sich die Linken und Rechtspopulisten Frankreichs vorstellen, ist für Deutschland und Frankreich unattraktiv. Was spricht gegen ein marktwirtschaftliches Konzept?
ebo
6. April 2017 @ 16:47
Wo bitte ist das marktwirtschaftliche Konzept in DE? In Berlin herrschen Korporatismus und Lobbyismus, die Unternehmen schreiben sich ihre Gesetze selbst, und Merkel interveniert in Brüssel zugunsten der Autoindustrie. Es ist kaum besser als in Österreich, mein Lieber!
Alexander
4. April 2017 @ 18:36
Hat eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, ob eine Währungsunion ohne Deutschland nicht eine gute Idee wäre? Ohne das Land, das einen brutal rücksichtslosen Wirtschaftsnationalismus betreibt und andere Länder dominieren will müssten die Chancen doch viel besser stehen, dass nicht erst der Euro und dann die EU zerbricht?
ebo
4. April 2017 @ 18:39
Klar, darüber haben schon viele nachgedacht. Doch Deutschland macht nicht mit. Verständlicherweise hält Berlin an EU UND Euro fest, wie man derzeit beim Brexit besichtigen kann.
Ein Europäer
4. April 2017 @ 18:03
Hallo Ebo, danke für diese ausführliche Wahlanalyse. Deswegen lese ich täglich Lost in EU.
Schöne Grüße aus Hamburg.