Armutszeugnis für Deutschland

Der Bericht ist schon zwei Monate alt. Doch erst jetzt, im beginnenden Wahlkampf, scheinen die brisanten Aussagen der EU-Kommission zur Armut in Deutschland so richtig zu zünden.

Die deutsche Politik habe „in hohem Maße zur Vergrößerung der Armut beigetragen“, zitiert die „Berliner Zeitung“ aus dem so genannten Länderbericht der Kommission. Hier das vollständige Zitat:

Im Zeitraum 2008-2014 hat die deutsche Politik in hohem Maße zur Vergrößerung der Armut beigetragen, was auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass die bedarfsabhängigen Leistungen real und im Verhältnis zur Einkommensentwicklung gesunken sind (Europäische Kommission 2016a). Eine Reihe früherer Änderungen bei Steuern und Sozialabgaben könnten ebenfalls zu einem Teil für die nachlassende Wirksamkeit der Umverteilungsmaßnahmen verantwortlich sein. Die Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997, die Absenkung des Einkommensteuerspitzensatzes von 53 % im Jahr 2000 auf 42% im Jahr 2004, die pauschale Besteuerung von Kapitalerträgen seit 2009 und die Anhebungen der Sozialversicherungsbeiträge seit Anfang der 1990er Jahre haben dazu beigetragen, den progressiven Charakter des Steuersystems zu verringern, und die Einkommensunterschiede möglicherweise zu erhöhen (Europäische Kommission 2014).

Interessant auch diese Einschätzung (Hervorhebung von mir=:

Die insgesamt günstige Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre ist nicht in allen Teilen der Gesellschaft gleichermaßen angekommen. Die Einkommensunterschiede, die sich eine geraume Zeit lang ausgeweitet hatten, schwächen sich erst seit Kurzem wieder ab. Auch hat die in den letzten Jahren positive Entwicklung am Arbeitsmarkt das Armutsrisiko nicht verringert. Wenngleich der Anteil der Bevölkerung, der von gravierender materieller Deprivation betroffen ist, weitgehend stabil geblieben ist, sind mehrere Indikatoren für relative Armut und soziale Ausgrenzung im Anstieg begriffen. Auch die Angemessenheit der Renten wird voraussichtlich weiter abnehmen.

Insgesamt ist das in der Tat ein Armutszeugnis für Deutschland und die Politik der GroKo. Nun bin ich mal gespannt, ob und wie dieser Befund aus Brüssel in den Wahlkampf einfließt.

Bisher ist man es in Berlin ja gewöhnt, aus der EU nur Positives mitzunehmen – und die Kritik auszublenden (selbst wenn sie berechtigt sit)…