„ACTA, c’est fini“

Im Europaparlament kippt die Stimmung

Der europaweite massive Widerstand gegen das umstrittene Antipiraterie-Abkommen ACTA zeigt Wirkung: Sowohl im Europaparlament als auch in der EU-Kommission rückt man von dem Text ab. Nach einem Bericht von „Netzpolitik“ prüft Handelskommissar De Gucht sogar, den Europäischen Gerichtshof EuGH anzurufen, um das Abkommen juristisch prüfen zu lassen. Was für eine Blamage: Bisher hat Brüssel immer behauptet, alles sei wasserdicht!

Das erste Zeichen für eine Wende kam gestern aus Straßburg: Der Chef der größten Fraktion im Europaparlament, der EVP, Daul, rückte von dem Abkommen ab und sagte „ACTA, c´est fini“. Hinterher ruderte er zwar wieder zurück und kündigte eine eingehende Püfung an. Doch offenbar wachsen auch in der konservativen EVP, zu der auch CDU/CSU gehören, die Zweifel. Sozialdemokraten und Grüne lehnen den Entwurf ohnehin ab – wenn nun auch noch die EVP mitzieht, fällt das Abkommen. Denn das Europaparlament hat diesmal das letzte Wort.

Noch ist es nicht so weit. Aber auch die EU-Kommission hat die Zeichen der Zeit erkannt und bläst zum geordneten Rückzug – wenn auch vorsichtig. Neben Handelskommissar De Gucht hat sich auch Justizkommissarin Reding für eine juristische Prüfung ausgesprochen, wie dieses Dokument belegt. Selbst Kommissionschef Barroso scheint langsam kalte Füße zu bekommen.

Sollte die Kommission tatsächlich den EuGH anrufen, könnte sie Zeit gewinnen und ihre Hände wie gewohnt in Unschuld waschen. Sie täte damit sogar dem Europaparlament einen Gefallen, das eine juristische Prüfung fordert. Besonders glaubwürdig wäre dieses Manöver allerdings nicht, wie „Netzpolitik“ schreibt:

Hierbei macht sich die EU-Kommission natürlich extrem unglaubwürdig, denn sie versicherte bisher immer wieder, dass ACTA  ohne jeden Zweifel mit geltendem EU-Recht vollkommen kompatibel sei. Wenn die Kommission jetzt, nach vier Jahren der Verhandlungen, an der Rechtmäßigkeit des Abkommens zweifelt, lässt dies natürlich tief blicken. Und wenn sie nun lediglich als Verzögerungstaktik eine sehr vage Frage an den Gerichtshof stellt, wird dies nur zu weiteren Spannungen führen.

So oder so stehen die Zeichen in Brüssel auf Rückzug. Die ACTA-Gegner haben zwar noch nicht gewonnen – ich vermute, dass die EU im Zweifel nach neuen Möglichkeiten sucht, das geistige Eigentum im Internet zu schützen, was ja auch durchaus legitim und sinnvoll ist. Aber das bisherige, hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Abkommen wird fallen – früher oder später.

Die mediale Offensive, die die EU-Kommission erst am Montag gestartet hat, hat offenbar nicht gewirkt…


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