Wird Spanien doppelt bestraft?
In der EU-Kommission ist ein Streit über mögliche Sanktionen gegen Spanien und Portugal entbrannt. Die Kommissare Dombrovskis und Moscovici fordern Strafen, Kommissionschef Juncker zögert.
Dabei geht es um wiederholte Verstöße gegen den so genannten Stabilitätspakt. Spanien verfehlte mit 5,1 Prozent sein Defizitziel deutlich und dürfte es auch im laufenden Jahr nicht schaffen.
Doch rechtfertigt dies eine bisher beispiellose Geldstrafe von bis zu 2 Mrd. Euro? Na klar, sonst wird die Kommission zum zahnlosen Tiger, heißt es bei deutschen Stabilitätsfanatikern.
Finanzminister Schäuble und Bundesbankchef Weidmann drohen schon, der EU-Kommission die Defizitverfahren zu entziehen wenn sie nicht endlich durchgreifen sollte. Doch sie liegen falsch.
Spanien war nämlich bis zu Beginn der Eurokrise kein Schuldensünder, sondern ein Musterschüler. Sowohl die Neuverschuldung als auch die Schuldenquote lagen unter den Maastricht-Werten.
Gerissen wurden diese Werte erst, nachdem das Land in ein “Hilfsprogramm” gezwungen wurde. Schäuble und die “Euroretter” zwangen den Staat, sich zur Lösung der (privaten) Bankenkrise massiv zu verschulden.
Der folgende harte Austeritätskurs ließ das Wachstum einbrechen und das Budgetdefizit anschwellen. Auch die Arbeitslosigkeit ging hoch. Soll Spanien für diese Fehler der “Retter” nun erneut büssen?
P.S.: Treffen würde die Strafe übrigens nicht Ex-Premier Rajoy, der alle Auflagen klaglos schluckte – sondern die linksalternativen Wahlsieger, die mit den Sünden der Vergangenheit nicht zu tun haben…
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 18:19
Wenn aus den nächsten Wahlen wieder keine handlungsfähige Regierung hervorgeht, ist Spanien tatsächlich doppelt bestraft.
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 18:11
@Peter ob die Strukturreformen aka “Loi El Khomri” insgesamt einen positiven Effekt haben werden, ist umstritten. Da Frankreichs BIP (und damit die Steuereinnahmen) sehr stark von der Binnennachfrage abhängt, stellt die weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes auch ein Risiko dar. Frankreich hat zwar eine konstant hohe Arbeitslosigkeit, ist aber recht stabil durch die Krise gekommen (keine Immobilienblase, gemäßigte Kreditvergabe an Konsumenten, etc.). Frankreich hat nach Ansicht verschiedener Experten eher den richtigen Mix an Maßnahmen beibehalten und kam so sicherer durch die Krise.
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 15:39
Peter meint das richtige im Bezug auf “Regulierung”. Nur muss der Begriff Regulierung richtig verwendet werden. Es gibt keine Möglichkeit, das systematische Risiko mit Regularien in der aktuellen Form grundsätzlich zu beherrschen. Der Schutz des Bürgers erscheint unmöglich. Seit 2 Jahren nimmt die Opazität der Finanzeinrichtungen wieder gefährlich zu, wie Studien zeigen.
Die derzeitige “Überregulierung” ist nur ein Zeichen der Ohnmacht der Regulierer: extrem komplex (z.B. Basel III) und umfangreich und dennoch nicht im geringsten ausreichend, wie viele Daten und Erfahrungen zeigen.
Beispiel: die “exposure” von Banken aufgrund von Staatsanleihen sollte nach 2008 massiv gesenkt werden. Aber: in der Zeit von 2007 – 2015 sind die Anteile in Irland von 2,6 auf 37,5% gestiegen, Griechenland 10,6 auf 25,6% und Italien von 12,1 auf 21,6%.
Uvm.
Um den Bürger und Steuerzahler wirklich zu schützen, müsste grundsätzlich umgedacht werden. Ansätze gibt bereits viele. Am Anfang stände z.B. ein unabhängiges, staatlich garantiertes Zahlungs- und Bankensystem für alle Bürger, welche nicht wollen, dass mit ihren Spareinlagen spekuliert wird. Ebenso eine klare Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken. Transaktionssteuer, Verbot von Hochfrequenzhandel, um nur einige Ideen zu nennen.
Der Kredit- und Investmentbereich muss sich selber kontrollieren und regulieren können. Damit würden kommerzielle Dienstleister die Kontrollfunktion ausüben (und nicht Behörden) und Versicherungen aller Art an Bedeutung gewinnen. Spekulationen würden – ganz im nach den Prinzipien der Marktwirtschaft – teurer werden. Keine Bürgschaften der Staates für Banken und Investmentfonds.
Kapitalexport ist zunächst nichts schlechtes – im Gegenteil. Das ist ja genau was Europa benötigt. Zuviel Kapital ohne Anlagemöglichkeiten führt aber zu gefährlichen Blasen, wie derzeit wieder in Spanien und Irland, aber auch in London, München, etc.
Es gibt derzeit keinen echten “Recycling-Mechanismus” für die hohen Überschüsse in Deutschland – das ist das Problem. Der Geldkreislauf funktioniert schlecht.
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 16:26
Hohe Liquiditätsüberschüsse sind nicht auf Deutschland beschränkt sondern das Ergebnis der ultra lockeren Geldpolitik in den Industrieländern. Wie Praet von der EZB richtig feststellte, gibt es bei den europäischen Banken Überkapazität und Konsolidierungsbedarf. Das war einer der Gründe, warum Banken mangels ausreichendem Kundenstock spekulativ in Finanzprodukte investierten. Insgesamt ist das Bankensystem auf Grund der signifikant höheren Eigenmittelausstattung allerdings sicherer als zum Zeitpunkt der Finanzkrise. Wie der Economist unlängst feststellte, passen Strukturreformen und Hollande nicht zusammen. Die Weigerung Deutschlands, den Stabilitätspakt aufzuweichen ist verständlich, wenn man den mangelnden Reformwillen der Politiker, Österreich inklusive, sieht. Veränderungs- und Wettbewerbsfeindlichkeit sind leider weit verbreitet. Es herrscht aus Angst vor Machtverlust die Mentalität: “nur ja niemandem weh tun”, vor allem nicht den eigenen Steuerzahlern. Das dürfte auch der Grund sein, warum man Griechenland im Euro wider besseres Wissens weiterschleppt. Griechenland ist ein Entwicklungsland und hat im Euro nichts verloren.
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 12:27
Genau das. Keine Regulierung ist genau so schlecht wie Überregulierung (derzeit der Fall). Beides fällt unter Staatsversagen. Subprime wäre ein US-Problem geblieben, hätten europäische Banken nicht massiv in diese Papiere investiert. Wo waren damals die nationalen Aufsichten und die europäische Aufsicht, von der parlamentarischen Opposition ganz abgesehen? Deutsche Banken hätten nie in diesem Ausmaß in Spanien investiert, wären sie nicht durch künstlich (Fehlkonstruktion des Euro) niedrige Risikoprämien, welche Sicherheit vorspiegelten, fehlgeleitet worden. Der Hypo-Alpe Adria Skandal in Österreich, der die Steuerzahler Milliarden gekostet hat, ist ein Beispiel, bei dem lokaler Kärntner Rechtspopulismus, verkörpert in einem größenwahnsinnigen Landespolitiker, die Verantwortung trägt. Letztlich zahlen für Politikversagen immer die Bürger, sei es als Aktionär oder Steuerzahler. Wer sonst? Durch den Staat klug gesetzte Rahmenbedingungen und Anreize sind allemal besser als Staatsdirigismus von rechts oder links, ein liberaleres Europa lebenswerter als ein korruptionsanfälliges sozialistisches oder rechtsnationalistisches.
ebo
18. Mai 2016 @ 12:34
Immer noch daneben. Deutsche Banken investieren auch heute noch massiv im Ausland, weil dort höhere Renditen locken als in der Heimat, wo seit Jahrzehnten zu wenig investiert wird. Das zeigt auch der deutsche Leistungsbilanz-Überschuss – er ist ein Alarmsignal für die ganze Eurozone.
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 13:51
Kapitalexport ist nichts Schlechtes, wenn im Ausland bei gleichem Risiko höhere Renditen als im Inland zu erzielen sind. Wer soll sonst im privaten Bereich über Investitionen entscheiden wenn nicht die privaten Kapitalgeber? Der Staat hat lediglich sicher zu stellen, dass kein Systemrisiko entsteht, für das die Steuerzahler herhalten müssen. Darin hat er in der Finanzkrise versagt. Bei öffentlichen Investitionen entscheidet die Politik.
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 11:48
@Peter Für das “Staatsversagen”, auf welches Du ja richtig hinweist, ist nicht der irische oder spanische Durchschnittsbürger, welcher die grosse Mehrheit des Demos darstellt, verantwortlich. Letzterer trägt aber die Hauptlast der “Anpassungsprogramme”. Nicht der Einleger bei Instituten wie BNP, DB, Allianz, etc., auch nicht der hochbezahlte Vorstand der grossen europäischen Banken, …
Der “Linke Diskurs” hätte es gerne gesehen, so wie Du auch, wenn der Staat hier durchgegriffen hätte. Durchgegriffen haben aber in Spanien nur Korruption, Klientelismus und der Finanzsektor – unterstützt von EZB, IMF, Kommission …
Irland – den Fall habe ich oben beschrieben.
Um also Deine Logik zu Ende zu führen, Du sagst im grunde, dass alle Bürger für die Verfehlungen eines korrupten Finanzsystems aufkommen sollten, damit Dank eines Trickle Down effekts und Dank des “Vertrauens” Investoren weiter investieren – bis zur Explosion der nächsten Blase?
Hier widersprichst Du Dir selbst: freie Märkte, die Du zu Recht forderst, erhalten die Gewinne und müssten auch die Verluste selber tragen. Freie Märkte müssten sich selber regulieren – wer das Risiko trägt, muss auch die Verluste und die Insolvenz akzeptieren (vgl. USA). Der Finanzsektor müsste sich selber mehr kontrollieren (z.B. müsste die Allianz die Vergabe seiner Einlagen besser kontrollieren – macht sie aber nicht). Nur leider ist es nicht so. Wir haben eher ein Casino-Banking auf Staatskosten.
Das derzeitige undemokratische EU-System funktioniert nach dem altbekannten Prinzip: “Gewinne werden privatisiert – Verluste subventioniert, bzw. sozialisiert”.
Anders gesagt, grundsätzlich widersprüchliche Regeln werden je nach Bedarf von der allmächtigen Finanzriege gefordert und von den EU-Institutionen aktiviert, angewendet, und bei Bedarf brutal erzwungen (Irland, Zypern, Griechenland). Damit werden Millionen von EU-Bürger in die Armut getrieben, aber der Lebensstandard der Reichsten gesichert.
Alternativen zu dieser zuhöchst ungerechten und wirtschaftlich unsinnigen Politik werden weltweit diskutiert. In den deutschen Medien und im BMF findet eine informierte und plurale demokratische Diskussion aber nicht statt.
Die Ereignisse in Venezuela sind dramatisch, aber aus bestens bekannten Gründen ohne Relevanz für die Eurozone.
Peter Nemschak
19. Mai 2016 @ 06:13
Für Schäden aus Systemfehlern müssen letztlich alle Bürger aufkommen. Das ist kein Widerspruch zu dem, dass grundsätzlich die wirtschaftlichen Akteure für das von ihnen verursachte Risiko einstehen müssen. Für die Rahmenbedingungen des System ist allerdings der Staat und damit letztlich alle Bürger in der Haftung. Wer sonst? Die Konstruktionsfehler des EURO sind eindeutig Staatsversagen.
ebo
19. Mai 2016 @ 09:09
Wann und wo sind denn die Banken, ihre Besitzer und Manager, für die Bankenkrise aufgekommen – in Deutschland, Österreich oder Spanien?
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 10:41
@ebo Man muss es anerkennen: eine Führungselite hat es geschafft, dass im offziellen Diskurs der Institutionen – übernommen von den Mainstreammedien – die Bankenkrise (Immobilien- und Konsumblase) zu einer Staatsschuldenkrise umgedeutet werden konnte (wie ein Studium der Quellen schnell zeigt). Man kann über die Zweckmässigkeit des Stabilitätspaktes diskutieren; natürlich muss verhindert werden, dass Mitgliedsländer exessiv Schulden machen; Regierungen und Parteien werden nur für eine begrenzte Zeit gewählt – die Schulden bleiben über Jahrzehnte. Das eigentliche Problem ist aber doch, dass a) die notwendigen massiven strukturellen Reformen am Finanzsektor (als Verursacher der Krise) ausblieben, b) dass 3-60 Kriterium nur auf dem Papier existierte, da die Kontrolle, vor allem des Bankensektors, aber auch der Staatsfinanzen in diversen Mitgliedsländern schlicht versagt hat.
Wie ebo beschreibt, konnten die vor 2008 bestens konsolidierten Staatshaushalte in Irland, Spanien und Portugal die Krise nicht verhindern das 3-60 Kriterium ist daher eine reine Augenwischerei. Mit Besorgnis muss man jetzt beobachten, wie die alten Fehler erneut gemacht werden: Kapital fliesst wieder nach Spanien und Irland in wenig nachhaltige Investitionen. Am besten stellt man sich die Frage, wer von dieser Umdeutung (wir sind hier schon im Bereich der Geschichtsfälschung nach Ansicht vieler Spezialisten) profitiert. Und dann sind wie wieder bei ebo’s Schlussfolgerung: Berlin und Frankfurt (Finanzsektor und dessen EZB).
@Peter
Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist der Bericht des Untersuchungsausschusses der irischen Bankenkrise
https://inquiries.oireachtas.ie/banking/
Auch die Anhörung im Europaparlament vom 14.01.2016
http://www.guengl.eu/news/article/the-ecb-europes-unelected-government.
Das jedes Land für die Lösung seiner politischen und gesellschaftlichen Strukturprobleme selbst verantwortlich ist, ist im Prinzip richtig (frei nach Schäubles Devise). Nur kann Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht davon getrennt werden, vor allem nicht, wenn strukturell unterschiedliche Volkswirtschaften sich in einer unvollständigen und undemokratischen Währungsunion zusammengeschlossen haben.
Die Krise wäre anders verlaufen, wenn Irland und Spanien seine insolventen (und im Falle Spaniens hochgradig korrupten Banken und Politiker) abgewickelt hätten. Ebenso Griechenland. Diese Länder durften eben NICHT – und entgegen Peters berechtigten Forderung – in eingener Verantwortung ein bail-in durchführen: sie wurden von der EZB, unterstützt vom deutschen BFM zum vollständigen bail-out gezwungen, womit die Schulden einer wohlhabenden Elite auf alle Steurzahler der jeweiligen Länder umgewälzt wurde (und über Bürgschaften auf fast alle Länder der Eurozone). Gleichzeitig musste den neuen, nun zu hohen Staatsschulden mit scharfen Haushaltskonsolidierungsmassnahmen (Austerität) begegnet werden.
Es geht also gewiss nicht um “populistische und demagogische” Forderungen, wenn jetzt nach Gerechtigkeit gerufen wird! Peter hat es ja selber gefordert: Selbstverantwortung!
Nur funktioniert das nicht, wie wir gesehen haben, wenn solche Prinzipien je nach Beliebigkeit aufgrund zweifelhafter Interessen von der EZB und Berlin über Bord geworfen werden.
Irland war bereit, die Selbstverantwortung zu übernehmen und die insolventen Banken abzuwickeln (siehe Untersuchungsbericht). J.C. Trichet hat Irland aber schriftlich mit dem Schliessen der irischen Banken gedroht, sollte Irland sich gegen ein vollständiges bail-out entscheiden.
Kurz, die öffentliche Diskussion geht an dem eigentlichen Thema vorbei und dieses Thema lautet: wie können sich die “Mächtigen” der Eurozone auf so heuchlerische Weise in Widersprüche verstricken und in Symbiose mit den Mainstreammedien die öffentliche informierte Diskussion fehlleiten bzw. schlicht abwürgen (frei nach dem Motto “Wer mit dem Wolf tanzt”)
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 11:07
Bankenregulierung und die Setzung von Rahmenbedingungen gehören zu den ureigenen Aufgaben des Staates. Wenn man Staatsversagen aufzeigt, und das war es wohl, hört das der linke Diskurs in seiner unendlichen Staatsgläubigkeit nicht gerne. Eine im Grunde wirtschafts- und privateigentumsfeindliche Einstellung wird Investoren nicht hinter dem Ofen hervorlocken. Wie man es nicht machen soll, wird uns derzeit in Venezuela als krasses Lehrbeispiel vor Augen geführt.
ebo
18. Mai 2016 @ 11:18
Müssen wir wirklich die ganze Geschichte wiederholen? Vom EU-Kommissar McCreevy (ein neoliberaler Ire), der die Finanzmärkte eben NICHT regulieren wollte? Vom globalen Crash, der in den USA ausgelöst wurde? Von den deutschen Banken, die sich massiv in Spanien verspekuliert haben und dann von Schäuble rausgehauen wurden – auf Kosten der spanischen Bürger? Mit den “Linken” hat all das nichts zu tun, mit Venezuela noch weniger 😉
CHS
18. Mai 2016 @ 10:31
Wo bleiben eigentlich die Forderungen aus dieser Richtung nach Geldstrafen für Deutschland und seine wiederholten Verstöße gegen den Stabilitätspakt (deren spezielle Ausprägung zudem noch viel schädlicher für die Eurozone ist)?
ebo
18. Mai 2016 @ 10:38
@CHS Keine Sorge, Schäuble hat sichergestellt, dass selbst bei permanentem massiven Verstoß gegen die (künstlich hoch angesetzte) EU-Obergrenze für Leistungsbilanz-Überschüsse (sechs Prozent) keine Strafen folgen! Wäre ja auch noch schöner…
CHS
18. Mai 2016 @ 13:58
Ja, leider – seufz.
Helmut Schmidt hat 2011 schon mal was Kluges zum Thema gesagt: http://www.screencast.com/t/VhLNDfVe7
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 08:25
Spanien hat ein politisches Problem: seit Monaten keine handlungsfähige Regierung. In den Jahren vor der Finanzkrise sind vor allem die privaten Schulden durch die Immobilienspekulation kräftig gewachsen. Dazu kam Korruption im öffentlichen Bereich.Bis zu den letzten Wahlen begann sich die Wirtschaft zu erholen. Dann hat der Streit der Linken der Erholung ein Ende gemacht. Solange es einen Stabilitätspakt gibt, ist er einzuhalten. Schuldenfinanziertes Wachstum im großen Stil ist ein nicht erfüllbarer Traum der Linken. Es stellt sich vielmehr die Frage, warum Spanien und der Süden Europas insgesamt strukturschwach sind.
ebo
18. Mai 2016 @ 09:10
In Spanien liegt der klassische Sündenfall neoliberaler Intervention vor: Private Schulden – Bank- und Immobilienschulden – werden sozialisiert, auf den Staat abgewälzt und durch Austeritätspolitik, Steuererhöhungen etc. an die Bürger überwälzt. Wenn diese sich dagegen wehren (Indignados, Podemos & Co.), bekommen sie von Brüssel und Berlin noch einen drübergezogen. Die Konsequenz kann nur heißen, den Stabilitätspakt abzuschaffen oder völlig neu zu definieren. Oder behauptet irgend jemand im Ernst, dass von Spanien derzeit ein Risiko für die Stabilität der Eurozone ausgeht? Das wahre Risiko sitzt derzeit in Frankfurt…
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 09:43
Das ist nur die halbe Wahrheit. Damit private Schulden überhaupt “sozialisiert” werden können, müssen sie zuerst einmal entstehen. Durch die Fehlkonstruktion des EURO hat sich der (weitaus höhere) Risikoaufschlag für spanische Schulden dem niedrigen für Deutschland angeglichen. Dadurch floss viel Geld in die spanische Immobilienblase. Die spanische Bankaufsicht hätte durch makroprudentielle Regulierung dieser Entwicklung gegensteuern können, hat es aber verabsäumt. Inzwischen hat Irland, das wie der Süden Europas ein ähnliches Problem hatte, sein A-Rating zurückgewonnen, während der Süden nach wie vor große Probleme hat, die durch neue Schulden nicht zu lösen sind. Jedes Land ist für die Lösung seiner politischen und gesellschaftlichen Strukturprobleme selbst verantwortlich. Dies gilt übrigens auch für Österreich, dessen Wirtschaftsstandort in den letzten Jahren an Attraktivität verloren hat, siehe http://www.agenda-austria.at. Durch populistisches Umverteilen und soziale Hand-Outs sowie Protektionismus und Dirigismus lassen sich Strukturprobleme nicht lösen. Diese Art von Politik ist reine Demagogie vom rechten und linken politischen Rand und macht ein Land nicht reicher.