Wie Merkel die Euro-Reform stoppt
Berlin hat die Empfehlungen von fünf EU-Präsidenten zur “Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion” auf Eis gelegt. Wie es dazu kam – und wie es nun weitergeht.
Die EU rückt von ihrem Ziel ab, rasch die Lehren aus der Eurokrise zu ziehen und die Währungsunion zu “vollenden”, wie es im EU-Amtsdeutsch heißt.
Ein von Kommissionschef Juncker und vier weiteren EU-Präsidenten vorgelegter Reformbericht wurde – wie in diesem Blog berichtet – auf Eis gelegt.
Stattdessen kommt Juncker der Forderung von Bundeskanzlerin Merkel nach, sich zunächst um die Sanierung von pleitegefährdeten Banken zu kümmern.
Opfer der deutschen Agenda
Dies sorgt nun für Streit mit Italien, das sich als Opfer einer „deutschen Agenda“ sieht. Auch das Europaparlament ist empört.
Die Vertagung sei ein Skandal und „ökonomisch gefährlich“, kritisiert der grüne Finanzexperte Giegold. „Europa spricht deutsch“, sagt sein Kollege De Masi von den Linken. Es bleibe abzuwarten, ob Berlin hoch pokere oder „die fünf Präsidenten erledigen will“.
Ursprünglich wollte die EU im neuen Jahr lange versprochene Reformen der Eurozone angehen, die Krisen wie in Griechenland künftig ausschließen sollen.
Unter anderem soll sich die Eurozone mehr um “wirtschaftliche Konvergenz” und “sozialen Zusammenhalt” kümmern und die – bisher kaum vorhandene – “demokratische Rechenschaftspflicht” stärken.
So steht es im „Fünf-Präsidenten-Bericht“, den Juncker zusammen mit den Chefs der Eurogruppe, der Europäischen Zentralbank, des Rats und des Europaparlaments verfasst hat. Doch beim EU-Gipfel im Dezember verhinderte Merkel, dass der Bericht angenommen wurde, berichten EU-Diplomaten.
Begräbnis erster Klasse
„Der Fünf-Präsidenten-Bericht wurde nicht einmal willkommen geheißen“, sagt ein Diplomat. Alle großen Reformen wurden auf Ende 2017 verschoben – also auf die Zeit nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland. „Dies ist ein Begräbnis erster Klasse“, kommentiert Giegold.
Der Grund: Der Bericht enthält auch die letzte Stufe der Bankenunion mit einer gemeinsamen Einlagensicherung, die Berlin vehement ablehnt.
Statt für eine soziale und demokratische Währungsunion setzt sich Brüssel nun für die Sanierung von wackligen Banken ein – auf deutschen Druck.
Denn Merkel und Finanzminister Schäuble haben dies zur Bedingung für weitere Euro-Reformen gemacht. Und Juncker folgt, wie immer…
Peter Nemschak
20. Januar 2016 @ 10:26
Was die Bankenunion betrifft, hatte Deutschland recht. Die Bankenunion soll in der Zukunft verhindern, dass Bankpleiten beim Steuerzahler enden. Zumindest sollte die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, stark reduziert werden. Die Bankenunion ist allerdings nicht dafür geschaffen worden, alte ungelöste Probleme in nationalen Kreditsektoren auf europäischer Ebene zu sozialisieren. Solange Italien dies immer wieder versucht, muss Deutschland dagegen halten. Die italienische Politik der letzten 70 Jahre hat nicht zu Unrecht einen wenig vertrauenerweckenden Ruf. Renzi reproduziert diesen Ruf und stellt sich damit in eine Reihe mit Berlusconi und Grillo. Die vergleichsweise schlechte Steuermoral der Italiener ist das Ergebnis italienischen Politikversagens.