Was Juncker bedauert – Wie Tsipras pokert

Diesmal war er in Form – und lieferte sogar einige Bonmots: Kurz vor der Europawahl hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker eine launige Bilanz seiner Arbeit gezogen. Zudem gab er den Wählern eine überraschende Empfehlung.

Die Bilanz fiel – wie nicht anders zu erwarten – positiv aus. Sein Team habe die “letzte Chance” genutzt und die Eurokrise hinter sich gelassen. Investitionen, Wachstum und Beschäftigung seien wieder auf Vorkrisen-Niveau, und außerdem habe er (persönlich?) Griechenland im Euro gehalten.

Dennoch ist Juncker mit sich nicht ganz im Reinen. Zwei Entscheidungen bedauere er dann doch, sagte der Luxemburger im randvollen Pressesaal der EU-Kommission. Das eine betrifft die LuxLeaks – also den Luxemburger Steuerskandal, in dem auch Junckers Name zitiert wurde.

Da hätte er sofort reagieren müssen, räumt der Ex-Premier des Luxemburger Steuerparadieses ein. Warum er lange zögerte und was eine schnelle Antwort geändert hätte, sagte er nicht. Schließlich ist Juncker ja nicht aus dem Amt gejagt worden; das Europaparlament war dafür zu schwach.

Das zweite Bedauern gilt dem Brexit. “Ich habe zu sehr auf David Cameron gehört und mich nicht eingemischt”, so Juncker. “Das war ein Fehler. Wenn wir reagiert hätten, wären wir die Einzigen gewesen, die die Lügen (der Brexiters) widerlegt hätten.”

Nach diesem “Mea Culpa” gab Juncker auch noch eine Empfehlung für die Wähler ab. “Bitte fragen Sie sich, was passieren würde, wenn alle so wählen wie Sie.” Wie würde Europa aussehen, wenn alle rechtsextrem wählen, setzte Juncker nach. “Jeder Wähler ist Europa”.

Eine eigene Verantwortung für das Erstarken der Rechten und EU-Gegner sieht Juncker allerdings nicht. Auf die Frage, warum Nationalisten und Populisten in Ländern wie Italien, Österreich oder Ungarn an der Regierung seien, erklärte er, dies sei nicht seine Schuld – sondern liege an nationalen Problemen.

Ach so.

Zu Junckers Bilanz läuft auf diesem Blog auch eine Serie: “The good, the bad and the ugly”. Teil 1 steht hier

Watchlist

  • Der griechische Premier Alexis Tsipras pokert um sein Amt. Eigentlich hatte die konservative griechische Opposition ein Misstrauensvotum gegen einen Minister der Regierung Tsipras gestellt; nun hat der griechische Links-Politiker den Spieß umgedreht und die Vertrauensfrage gestellt. Am Mittwoch beginnt die dazugehörige dreitägige Parlamentsdebatte, bevor es am Freitag zur Abstimmung kommt.

Was fehlt

  • Die EU-Kritik an Sultan Erdogan und seiner Entscheidung, die Wahl in Istanbul wiederholen zu lassen. Diese Kritik fiel mal milde aus – die Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte Aufklärung, wie die Entscheidung zustande gekommen sei – und mal geharnischt: So forderte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Das haben schon viele gefordert, passiert ist nichts…