Verlorene Jugend

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Hilflose weiße Frau gegen aggressive asiatische Kämpfer

Die EU-Kommission hat ein Werbevideo im Kill-Bill-Stil zurückgezogen. Es sollte auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken bei Jugendlichen für die EU werben, wurde jedoch als rassistisch empfunden. Dabei ist das Szenario – hilflose weiße Frau gegen aggressive asiatische Kämpfer – ein klassisches kommerzielles Klischee. Und genau hier liegt das Problem: Die EU hat den Kontakt zur  Jugend verloren – und biedert sich nun im Hollywood-Stil an.

Es ist ja nicht so, dass die Jugend sich nicht für Europa interessierte. Die Indignados in Spanien und Frankreich, die Occupy-Bewegung in UK und Deutschland oder die zahlreichen Anti-ACTA-Initiativen, die sogar in Polen und anderen osteuropäischen Länder aus dem Boden sprießen, zeugen von regem und sogar wachsendem politischen Engagement vieler junger Europäer. 

Zu dumm nur, dass es sich meist gegen die aktuelle EU-Politik richtet. Doch wie könnte es auch anders sein – angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent in Spanien, fehlender beruflicher Perspektiven in ganz Südeuropa und der verfehlten EU-Antwort auf die Schuldenkrise müssen sich die Eurokraten nicht wundern, wenn sich der Protest zunehmend gegen Brüssel wendet. 

Eine verlorene Generation begehrt auf – doch die EU-Kommission glaubt immer noch, sie mache alles richtig, und mit ein bißchen Information und gutem Willen werde dies auch die Jugend begreifen. Also geht sie verbal auf die Proteste ein – Kommissionschef Barroso äußerte sogar Verständnis für die Occupy-Bewegung (siehe mein Beitrag „Liberaler Populismus„). Zugleich produziert sie massenhaft Werbebroschüren und Videoclips, mit denen die frohe Botschaft aus Brüssel verbreitet werden soll – immer schön die Nase im Wind und im Stil der angeblich neuesten Jugendmode. 

Umso größer nun das Unverständnis, warum der jüngste Clip auf Widerspruch stieß und als rassistisch kritisiert wurde (Hintergrund dazu liefert die FT hier). Schließlich ging es doch „nur“ um die EU-Erweiterung, die mit Serbien gerade einen neuen Kandidaten feiert und nach Brüsseler Lesart die Solidarität unter Europäern stärkt (so sieht es jedenfalls der zuständige Kommissar Füle). Und schließlich hat man sich doch „nur“ an den „Kil-Bill“-Stil vieler Videogames angepaßt:

It was a viral clip targeting, through social networks and new media, a young audience (16-24) who understand the plots and themes of martial arts films and video games. The reactions of these target audiences to the clip have in fact been positive, as had those of the focus groups on whom the concept had been tested.

 

The clip featured typical characters for the martial arts genre: kung fu, capoeira and kalaripayattu masters; it started with demonstration of their skills and ended with all characters showing their mutual respect, concluding in a position of peace and harmony. The genre was chosen to attract young people and to raise their curiosity on an important EU policy.

 

The clip was absolutely not intended to be racist and we obviously regret that it has been perceived in this way. We apologise to anyone who may have felt offended. Given these controversies, we have decided to stop the campaign immediately and to withdraw the video.

 

Stefano Sannino, Director General of DG Enlargement

Hier wird die EU zur Gefangenen ihres eigenen politisch korrekten Diskurses. Weil der Clip als rassistisch „wahrgenommen“ wurde, zieht sie ihn in Windeseile zurück – mit Rassismus will man natürlich nichts zu tun haben. Das eigentliche Problem – die Anbiederung an eine Jugend, die sich längst von der offiziellen EU-Politik abwendet – sieht die Brüsseler Behörde nicht. Im Gegenteil: „Wir haben unsere Zielgruppe erreicht“, meinte ein Sprecher trotzig…