Sie reden von Souveränität
Lange Zeit war das S-Wort tabu. Doch nun reden plötzlich zwei Politiker von Souveränität, die unterschiedlicher nicht sein könnten: E. Macron und V. Orban. Worum geht es?
Macron fordert, die verloren gegangene nationale durch eine neue europäische Souveränität zu ersetzen. Dabei geht es nicht nur um die Grenzen, sondern auch ums Geld und um die Verteidigung.
Ziel müsse es sein, ein Europa zu erschaffen, das souverän ist: „Ich glaube an die Souveränität“, sagte Macron in Athen, „weil die Nationalstaaten nicht mehr auf der Höhe der Herausforderungen sind“.
Genau andersherum argumentiert Ungarns Orban. Im Streit um die Flüchtlingsquote argumentiert er mit der nationalen Souveränität und der inneren Sicherheit, die es gegen die EU zu verteidigen gelte.
Interessant ist dabei, dass diese Souveränität der Nationalstaaten im September 2015 bewußt ausgehebelt wurde, als die EU-Innenminister die Umverteilung der Flüchtlinge beschlossen.
Wie gesagt: Es waren die Innenminister – und nicht Staats- und Regierungschefs wie Macron, die diese weit reichende Entscheidung trafen. Vielleicht lag hier der Fehler?
Mehr zum Streit um die Souveränität hier (Artikel im Cicero)
Kleopatra
10. September 2017 @ 09:33
Generell ist möglicherweise das Prinzip, nach dem der Rat funktioniert, problematisch, nämlich je nach Sachgebiet unterschiedliche Personen abstimmen zu lassen. Je mehr es sich nicht um technische Details, sondern um Entscheidungen mit einschneidenden Folgen handelt, sollte hier die Verantwortung klar sein und nicht davon abhängen, in welchem Rat sie verhandelt werden. Also entweder immer die Regierungschefs oder Vertreter der Regierungen als Gesamtheit, oder evtl. eigens dafür zuständige Minister.
Übrigens haben die Vorsitzstaaten im Rat die Möglichkeit, zu manipulieren, und die Regierung Schröder hat davon gebrauch gemacht: indem ein eigentlich abstimmungsreifer Vorschlag über Altautos vom Ratsvorsitzenden, dem Umweltminister Trittin, ans Ende der Tagesordnung gesetzt wurde, konnte dessen Regierungschef inzwischen eine Sperrminorität gegen die Vorlage organisieren.
Kleopatra
10. September 2017 @ 09:27
Die Frage ist noch, wieweit hier “die Innenminister” beschlossen haben, oder u.U. ein Land massiven Druck ausgeübt hat, um dem heimischen Publikum ein vorzeigbares Ergebnis zu präsentieren, oder anders ausgedrückt: formell betrifft der Beschluss die Entlastung Italiens und Griechenlands, tatsächlich wollte/will die deutsche Politik demonstrieren, dass auch alle anderen “mitmachen müssen”, und zwar mit Verweis auf das plumpe Vorurteil, der ganze Rest der EU lasse sich von Deutschland aushalten. (Darauf laufen ja auch jüngst Äußerungen von Martin Schulz hinaus – aisgerechnet von dem!)
Peter Nemschak
10. September 2017 @ 10:56
Aus welchem Grund sollten sie in der damaligen Notsituation nicht mitmachen, selbst wenn das Argument, dass sie von Deutschland ausgehalten werden, nicht stimmt?
Peter Nemschak
8. September 2017 @ 13:13
2015 war eine Notsituation. Der damalige Verteilbeschluss der Innenminister macht daher ohne Präjudiz Sinn. Pro futuro wird man aber um sinnvolle Rahmenbedingungen für die EU in Sachen Migration nicht herumkommen. Diese müssten nach dem Prinzip so viel Supranationalität wie notwendig, so viel Souveränität wie möglich gestaltet werden. Im Rahmen der Supranationalität müsste das Prinzip einer Obergrenze für Migranten jedweder Motivation akzeptiert sowie die Schließung der Außengrenze für illegale Migranten konsequent und mit entsprechender Härte durchgeführt werden. Da hilft kein Gejammer der NGOs. Die diversen heute bestehenden Konventionen sind für unsere Zeit der Massenmigration schlicht nicht mehr zeitgemäß und müssen geändert oder anders interpretiert werden. Für legale Zuwanderung müssen kompetente Stellen der EU vor Ort eingerichtet werden, welche die Entscheidung, wer einwandern darf, nach den von jedem Mitgliedsland vorgegebenen Kriterien trifft. Jedes Mitgliedsland hat souverän die Entscheidung über Quantität und Qualität der Zuwanderer. Schließlich sind der demografische und Arbeitsmarktbedarf der Mitgliedsländer sowie ihre Integrationsmöglichkeiten sehr verschieden. Letztlich müssen wir aus den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre lernen, dass die EU auf ihrem Territorium vielleicht ein Vorbild für andere Regionen in Sachen Menschenrechte und Demokratie, aber kein Exporteur von Demokratie und Menschenrechten ist. Alles andere hieße, den Kopf in den Sand stecken.
Kleopatra
10. September 2017 @ 12:05
Was im deutschen Wahlkampf auffällt, ist der Umstand, dass zwar viele für ein einheitliches EU-Asylrecht eintraten, aber eigentlich niemand sich traut, darauf hinzuweisen, dass das eine (ersatzlose) Abschaffung des deutschen Asylrechts voraussetzt.
Peter Nemschak
10. September 2017 @ 14:10
EU-Standards sind Mindeststandards. Ich habe einige davon oben skizziert. Das Prinzip muss lauten: soviel Supranationalität wie notwendig, soviel Souveränität wie möglich. Es bedarf keiner Abschaffung des deutschen Asylrechts, bloß übergeordneter Strukturen der EU und der Einführung von Obergrenzen, auch was Asylanten betrifft.