Perverse Prozesse

Dass die EU-Maschine nicht mehr rund läuft, wissen wir spätestens seit dem Brexit. Doch wie pervers die Entscheidungsfindungs-Prozesse in Brüssel geworden sind, offenbart sich erst jetzt – bei der Euro-Reform.

Dabei hatte alles so viel versprechend angefangen. In Brüssel hatte sich nach dem Abflauen der Eurokrise ein Konsens herausgebildet, dass die Währungsunion „vollendet“ und „wetterfest“ gemacht werden müsse.

Über die Details würde man natürlich noch ringen müssen – ergebnisoffen und transparent, so das Versprechen. Doch was nun passiert, hat mit einer normalen demokratischen Entscheidungsfindung nichts zu tun.

Klar, Frankreichs Macron hat eine Vision hingelegt, Kommissionschef Juncker einen Vorschlag gemacht. Nur Kanzlerin Merkel hält sich noch zurück – aber das könne sich ja noch ändern, hoffen die Optimisten.

Der Euro bleibt ein Zwitter

In Wahrheit ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Denn es wird keine deutsch-französische Debatte geben, schon gar keinen gemeinsamen Vorschlag. Auch das Europaparlament hat kaum noch eine Chance.

Alles wurde in Hinterzimmern ausgemauschelt. Juncker hat Macrons Visionen aufgegriffen, ihres Inhalts entleert – und in ihr Gegenteil verkehrt. Merkel hingegen hat – dank ihrer Brüsseler Gehilfen – Punkte gemacht.

Statt einer selbstbewußten Euro-Gemeinschaft soll die Währungsunion weiter ein Zwitter sein, der mit einem Bein in der EU, dem anderen aber in zwischenstaatlichen Verträgen mit (deutschem) Vetorecht steht.

Machtkampf mit „Sequencing“

Über die Frage, wer dieses Zwitterwesen steuert, ist ein heftiger Machtkampf entbrannt. Juncker möchte alle Macht für die Kommission, Schäuble will alle Macht für den ESM, und der Rat will auch noch mitreden.

Das findet natürlich alles hinter verschlossenen Türen statt – auf EU-Gipfeln und geheimen Treffen, mit Non-Papern und Last-Minute-Wendungen. So konnte sich auch CDU-Kommissar Oettinger hineinmogeln.

Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem Timing zu – oder dem „Sequencing“, wie es neuerdings in Brüssel heißt. Wer die Agenda beherrscht und die Reihenfolge der Entscheidungen festlegt, setzt sich durch.

Merkel hat viel erreichtblockiert

Auch da hat Merkel schon viel erreicht bzw. blockiert. Beim nächsten EU-Gipfel wird es keine Beschlüsse geben, Junckers Plan wird wohl nicht einmal „begrüßt“. Er geht in die Dauerablage – die Vorstufe zum Mülleimer.

Parallel werden aber einzelne Vorschläge schon in den Gesetzgebungs-Prozeß eingespeist. Der (deutsche) Fiskalpakt und die (Merkel’schen) Reformverträge stehen ganz oben auf der Tagesordnung.

Auch der (deutsch geführte) ESM soll schnell mehr Power bekommen. Über (etwas) mehr Geld für die Eurozone und einen „Finanzminister“ hingegen wird erst ganz am Schluß befunden – wenn überhaupt.

Das Bermuda-Dreieck der EU

Wenn es gelingen sollte, alle kontroversen (also ehrgeizigen) Beschlüsse auf Herbst 2018 zu verschieben, dann sind sie so gut wie verloren, denn dann beginnt der Europawahlkampf und der Brexit-Endspurt.

So laufen die perversen Prozesse in Brüssel – angestoßen von Paris, ausgebremst von Berlin, und eifersüchtig überwacht von einander in herzlicher Abneigung verbundenen EU-Institutionen.

Bevor die Öffentlichkeit noch merkt, was da gespielt wird, sind die Würfel schon gefallen. Und während die Ökonomen noch streiten, schaffen die Eurokraten (in der Mehrzahl Juristen) schon Fakten.

Ökonomisch nicht sinnvoll

Dass dabei ein sinnvoller und tragfähiger Kompromiss herauskommen könnte, ist unwahrscheinlich. Denn alles, was die Ökonomen vorgeschlagen haben, wird in der Brüsseler Mühle zerrieben.

Klar, das war auch schon zu Beginn so, als der Euro geboren wurde. Er war von vornherein eine Fehlkonstruktion. Doch aus den Fehlern nicht nur nicht zu lernen, sondern sie noch zu vertiefen – das ist schon irre…

 

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