Le Pen vergleicht sich mit Martin Luther King
Nach dem aufsehenerregenden Urteil zur Veruntreuung von EU-Geldern, das Nationalistenführerin Le Pen von der Präsidentschaftswahl 2027 ausschließt, ist in Frankreich ein Streit um den Rechtsstaat entbrannt. Le Pen und ihre Anhänger gingen am Sonntag auf die Straße und attackierten das “System”, das Le Pens Partei “zerstören” wolle. Das Urteil sei Ausdruck einer “politischen Justiz”, hieß es. Man wolle aber keine Revolution, so Le Pen, sondern wie Martin Luther King auf friedlichem Wege die Verhältnisse umstürzen. Ein gewagter Vergleich! Derweil präsentiert sich die Bewegung von Präsident Macron als Hüterin von Demokratie und Rechtsstaat – dabei hat sie im Parlament keine Mehrheit. Und der Entzug des passiven Wahlrechts für Le Pen ist selbst unter französischen Juristen umstritten…
Siehe auch meine Kolumne im “Makroskop”: “Fall Le Pen: Die EU wollte sie loswerden – nun duckt sich Brüssel weg“
A. Lesemann
7. April 2025 @ 10:33
@stef „In der Regel ist das so. Es sei denn, dass Gericht ordnet die sofortige Vollziehbarkeit an, was an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.“
Kenne ich aus dem Zivil- und dem Verwaltungsrecht. Aber im Strafrecht? Wo sollte das stehen?
Helmut Höft
7. April 2025 @ 09:51
@ebo
Eh oui, c’est la France, c’est le droit français! (DeepL hat geholfen)
Damit kein Missverständnis entsteht: Deine Berichterstattung ist, wie immer, notwendig und hervorragend! *bravo*
Stef
7. April 2025 @ 09:22
@ebo: “Im deutschen Strafrecht ist das anders geregelt:
Eine zulässig eingelegte Berufung hemmt die Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils.”
In der Regel ist das so. Es sei denn, dass Gericht ordnet die sofortige Vollziehbarkeit an, was an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Ich kenne mich im französischen Recht nicht aus, aber mir scheint die Lage in Frankreich analog zu sein. Mit anderen Worten hat wohl das LePen verurteilende Gericht eine entsprechende Entscheidung getroffen, dass das Urteil unbeschadet möglicher Rechtsmittel umgehend umzusetzen ist. Sollte dies der Fall sein, wäre die Frage, wie genau dies begründet wird. An die Begründung wären höchste Anforderungen zu stellen, wenn die betreffende Person gute Aussichten auf das Gewinnen der nächsten Präsidentschaftswahl hat. Bisher habe ich dazu nichts spezifisches gelesen.
Helmut Höft
7. April 2025 @ 09:18
Le Pen und kein Ende, Martin Luther King jetzt in blondiert. m(
“[Dieser Fall] nimmt eine besondere Dimension an, wenn eine von einem Richter gefällte Entscheidung in Präsidentschaftswahlen eingreift, sei es in Frankreich (Fall Fillon im Jahr 2017) oder im Ausland (Rumänien, Türkei). “ In F gilt französisches Recht!
Wenn niedrige Chargen straffällig werden: Entzug des passiven Wahlrechts nach dem Gesetz. Wenn es um die Präsidentschaft geht? “Och, da simmer großzügisch, gell!”??
“Unabhängig davon, ob die Entscheidungen von unabhängigen Richtern, wie in Frankreich, oder von Richtern, die der politischen Macht unterworfen sind, getroffen werden, bleibt es dabei, dass der Verdacht, dass die Justiz für politische Zwecke instrumentalisiert wird, unabhängig davon, ob er begründet ist oder nicht, sowohl das Vertrauen in die Justiz als auch in die Politiker schwächt.” Ja sicher, fällt das Urteil anders aus, als ich es gerne hätte, was liegt da näher als ein Verdacht?? m(
Auf der linken Seite jammern die Rechten, auf der rechten Seite meckern die Linken. Und wenn anders rum entschieden wird? Wird anders rum gejammert/gemeckert.
“… kann auf mehreren Ebenen beurteilt werden.” eben! Und das Gericht hat – im Rahmen der Gesetzliche – so (be-)geurteilt.
Wie wäre es denn mit 1. “Vor dem Gesetz sind alle gleich!”, 2. “Die Justiz ist unabhängig!” und 3. “Das wird (wenigstens hier) von allen akzeptiert!”
Arthur Dent
7. April 2025 @ 09:13
Und es ist in Deutschland wirklich noch nie nie nie vorgekommen, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eines Abgeordneten (ParlamentsmitarbeiterInnen) für Parteiarbeit abgestellt worden ist? Im Wahlkampf, oder so? Wirklich nie? Das wäre ja auch ein “Verbrechen”! hmpf.
Helmut Höft
7. April 2025 @ 08:47
“Und genau hier haben wir ein rechtsstaatliches Problem.” Nö! Ich bleibe dabei: Kein rechtsstaatliches Problem sondern Gesetz: “Kriminelle stehen nicht zur Wahl!”
Schaun wir ma was die Berufung bringt!
ebo
7. April 2025 @ 08:51
Nun ja. Im deutschen Strafrecht ist das anders geregelt:
Eine zulässig eingelegte Berufung hemmt die Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils. Dies bedeutet, das Urteil wird bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens nicht rechtskräftig und eine verhängte Geld- oder Freiheitsstrafe kann nicht vollstreckt werden. Für den Angeklagten gilt also weiterhin die Unschuldsvermutung – er gilt bis zum Urteilsspruch des Berufungsgerichts als nicht verurteilt und damit unschuldig.
https://strafrechtskanzlei-kolivas.com/kompetenzen/rechtsmittel-strafrecht-revision-berufung
Great Power, Greater Responsibility
6. April 2025 @ 17:46
Was ich bisher nicht selbst herausfinden konnte werter Herr Bonse, ist, wann dieses Gesetz zum automatischen Ausschluss aufgrund Mandatskriminalität denn wirklich in Kraft trat, respektive ab wann es im Parlament dort seriös behandelt wurde. Letzerer Punkt sei relevant wenn man argumentieren wollte, dass ab spätestens dann, eine Erschütterung des Vertrauens hätte eintreten müssen.
Da dies beim Strafrecht aber soweit mir bekannt nicht relevant sein sollte, sondern nur der tatsächliche Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes mit der schärferen Strafe (kann Ausschluss, mithin bei besonders schweren und schädlichen Taten bzw als Spezialprävention für die Zukunft, wiegt m.M.n. weniger schwer als genereller, zwangsläufiger Ausschluss als Teil des Schuldspruches) Gesetzeskraft erlangte und ob dieser Zeitpunkt nach der Beendigung des Tatzeitraumes lag, der nach der BBC 01/16 endete.
Sollte das in Frage stehende Verschärfungsgesetz also erst später in Kraft getreten sein, würde dies die Frage einer immer verbotenen echten Rückwirkung in den Raum stellen.
Irgendwie scheint aber auch Niemand zu erkennen, dass die sofortige Anwendung des Ausschlusses für die Deliquntin ja ein Zeitvorteil ist, denn wenn das Urteil im nächten Jahr bestätigt werden sollte (bisher war auch nicht aus all den Nachrichten ersichtlich, ob das Berufung oder Revision ist bzw. wie viel Züge ein solches Strafverfahren in Frankreich überhaupt hat) wäre die bis dahin verstrichene Zeit schon auf die Ausschlusszeit anzurechnen, sie ab 2030 wieder wählbar.
“Das fängt schon mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung an.”
Danke dafür, darüber dachte ich auch die letzte Stunde lang nach. Selective prosecution nennt sich das in den USA und wurde schon von beiden Seiten angebracht die letzten Jahre:
“Selective prosecution has been raised as a possible defense in the election obstruction case of Donald Trump,[6] and as a possible motivation for tax and firearms charges against Hunter Biden.[7]” > https://en.wikipedia.org/wiki/Selective_prosecution
“die EU-Kommission […] Als „Hüterin der Verträge“”
Fällt schon ein wenig auf wie merkwürdig es ist verglichen mit dem Zustand hierzulande, indem der “Hüter der Verfassung” nicht ein Verfassungsgericht sondern “die Regierung” ist, welche im täglichen politischen Geschäft steht und zudem nichtmals formaler (wenn auch ineffektiver, wie hierzulande) parlamentarischer Kontrolle unterliegt.
Frage mich immer wieder wie das den Anforderungen des Art. 23 I GG enstprechen soll, fordert zwar nur “im wesentlichen gleichen Grundrechtsschutz” aber man kann doch die eigenen demokratischen und rechtsstaatlichen Errungenschaften nicht außen vor lassen, gerade als Deutschland nicht, wenn es um die Entwicklung von eben diesen Grundsätzen in einem neu zu schaffenden “vereinigten Europa” geht.
Und die Exekutive als “Hüterin der Verfassung”, was die Verträge seit 09 ja leider effektiv sind, das ist so Demokratie- und Rechtsstaatsfeindlich dass Jedermann/frau/allen dazwischen und außerhalb, es spüren sollte tief im Mark.
Es erinnert eben deutlich mehr ans Führerprinzip als ans Grundgesetz.
ebo
6. April 2025 @ 17:58
Der Entzug des passiven Wahlrechts gilt ab sofort, daran hat auch die mittlerweile erfolgte Berufung nichts geändert. Und genau hier haben wir ein rechtsstaatliches Problem.