Land “gerettet”, Volk verloren
Die Eurogruppe hat neue Hilfskredite für Portugal durchgewunken. 2,1 Mrd. Euro soll das Land aus dem Rettungsfonds ESM erhalten. Im Gegenzug wurden brutale Sparmaßnahmen beschlossen, gegen die Griechenland wie ein Paradies aussieht.
“Land gerettet – Volk verloren”: so überschreibt der Nachrichtensender “Euronews” einen Bericht zur Lage in Portugal. Das Heimatland von Kommissionschef Barroso befindet sich drei Jahre nach dem Bailout in einer verzweifelten Lage.
Nirgendwo war der Widerstand gegen die Austeritätspolitik größer – im Frühjahr gingen 1,5 Millionen Portugiesen auf die Straße, also fast jeder sechste Einwohner (in Deutschland entspräche dies einer Monster-Demo mit 12 Millionen Menschen).
Und nirgendwo stieß der Sparkurs auf so große rechtliche Probleme. Zuletzt kassierte sogar das Verfassungsgericht einen Teil der von der Troika diktierten Sparmaßnahmen ein, weil sie dem portugiesischen Grundgesetz widersprechen.
Doch die konservative Regierung hörte weder auf Volk noch auf die Richter – und tat, wie ihr von der Troika befohlen: sie ersetzte die kassierten einfach durch neue Maßnahmen. Bis 2015 sollen sie 4,8 Mrd. Euro einsparen.
Hier der neue Katalog der Grausamkeiten:
- 30.000 Stellen im Staatsdienst fallen weg (also mehr als im viel größeren Griechenland)
- Die Wochenarbeitszeit wird auf 40 Stunden verlängert (was natürlich die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt verringert und die Arbeitslosigkeit erhöht)
- Das Renteneintrittsalter wird auf 66 Jahre angehoben (ein toller “Beitrag” zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit)
- Die Rentner werden über eine Sonderabgabe belastet (auf Zypern hatte die Eurogruppe einen Griff in die Pensionskassen noch abgelehnt)
In Lissabon hofft man, mit diesen Maßnahmen die Rückkehr an den Kapitalmarkt vorzubereiten. Genauso gut können sie aber zum Sturz der Regierung führen. Denn im Volk gärt es. Die Portugiesen fühlen sich verraten und verkauft…
Expat2001
15. Mai 2013 @ 11:41
Bom dia, die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden bezieht sich auf den öffentlichen Sektor. In der Privatwirtschaft wird schon lange 40 Stunden gearbeitet. Die Sonderabgabe, auch wenn schrecklich, bezieht sich “nur” auf die verrentete Beamten und öffentlichen Angestellten.
Was allerdings nicht wirklich durch die Medien ging ist die Tatsache, das der Staat einfach Beamte und öffentliche Angestellte auf die Strasse setzen will. Nach dem Motto: tuste nix, kriegste nix ohne Ersatz!
Abraço Ralph
Didi Lum
14. Mai 2013 @ 21:02
Gibt es in Portugal ein Gesetzt,das die Wochenarbeitszeit regelt oder das Rentenalter?
Ich verstehe Johannes. Und ihre Argumentation finde ich schwach.Solidarisch mit deutschen Zeitarbeitsschuftern? Sche…s Europa.Alles Gute
hanns
15. Mai 2013 @ 14:01
Man muss sich jedoch stets vor Augen halten, dass die Hilfskredite nicht etwa ausgereicht werden, um Portugal zu helfen, sondern damit die deutschen (u.a.) Banken, VErsicherungen usw. ihre riskanten Kredite zurückbekommen. Die haben gezockt und es ist der deutsche Steuerzahler , der diese Rechnung bezahlen muss. D.h. der deutsche Arbeitnehmer, denn Unternehmen und Couponschneider bezahlen in Deutschland praktisch keine Steuern mehr (was wiederum mit zu den Problemen geführt hat, die wir heute in der Eurozone haben: überschüssiges deutsches Kapital, das um den Globus irrlichtert. Man nähme es seinen Besitzern – nicht Eigentümern – besser weg, denn sie richten damit doch nur Schaden an).
Johannes
14. Mai 2013 @ 18:57
“Und nirgendwo stieß der Sparkurs auf so große rechtliche Probleme.” ja und eigentlich ist Rettungsgeld aus Deutschland verboten und dennoch bricht man die Gesetze. Jedes Gesetz steht dank Euro in Frage. Man kann nicht uns Deutschen Schulden aufhalsen und anschließend sich beschweren, dass in den Empfängerländern Gesetze missachtet werden. Gleiches Recht für alle sollte man meinen, aber wir reden ja vom Euro …
ebo
14. Mai 2013 @ 19:11
@Johannes
In Portugal ging es um die VERFASSUNG. In Deutschland gibt es keine Regeln im Grundgesetz, die Kredite an andere Staaten verbieten. Und bei uns hat das Verfassungsgericht immer noch das letzte Wort; bald prüft es den ESM. Die Lage ist also nicht vergleichbar.
Willi Landgraf
14. Mai 2013 @ 22:55
“In Deutschland gibt es keine Regeln im Grundgesetz…bla…bla…” Nein gibt es nicht! EU-Recht bricht Landesrecht. Deutschland ist schon lange nicht mehr zuständig – nur für’s löhnen. Das angewendete Recht steht im ESM-Vertrag und im Maastricht-Vertrag, der mehrmals gebrochen wurde. Siehe “No-Bail-Out-Klausel” (vielleicht einfach mal lesen und wach werden. Träumer
Jochen
14. Mai 2013 @ 18:20
Grandola, vila morena – 1974 kehrt bald zurück und diesmal bestimmt nicht so friedlich.
thewisemansfear
14. Mai 2013 @ 18:19
Heiner Flassbeck hat sich heute ebenfalls zu der kontraproduktiven Erhöhung der Wochenarbeitszeit geäußert.
Staaten sollten nicht zum Spielball von Ideologen werden. So wird die Demokratie mehr und mehr untergraben. Vertrauen in das jetzige System schafft man so nicht.