Keine Champions-League
In der Übernahme-Schlacht um den französischen Alstom-Konzern hat Siemens den Kürzeren gezogen. Den Zuschlag haben die Amerikaner erhalten, einen “europäischen Champion” wird es nicht geben. Die EU ist daran nicht ganz unschuldig; ihr fehlt ein industriepolitisches Konzept.
Man kann den Franzosen ja viel vorwerfen. Aber von Industriepolitik verstehen sie etwas. Geschickt haben sie die Angebote von Siemens und General Electric gegeneinander ausgespielt, um das Beste herauszuholen.
Auch der Trick mit der 20-prozentigen Staatsbeteiligung war nicht von schlechten Eltern. Damit sicherte sich Paris, was Berlin beim VW-Konzern für selbstverständlich hält: einen “golden share”, also ein Vetorecht.
Bemerkenswert auch, was Industrieminister Montebourg nach dem Überraschungs-Deal sagte: Er hätte lieber Siemens den Zuschlag gegeben und einen “europäischen Champion” gegründet. Doch da sei Brüssel dagegen.
Nachprüfen lässt sich das kaum, denn nun sind die Amerikaner am Zuge. Fest steht jedoch, dass das französische Konzept des “europäischen Champions” weder in Berlin noch in Brüssel auf Gegenliebe stößt.
Schon mehrmals wurden mögliche Fusionen von Deutschland verhindert. Das war so bei der Schaffung einer Euro-Börse – Frankfurt bandelte lieber mit New York an.
Und es war so bei der lange geplanten Fusion von EADS und British Aerospace. Da Deutschland bei dem so geschaffenen europäischen Rüstungskonzern nur die zweite Geige gespielt hätte, sagte es Nein.
In Brüssel bekennt man sich zwar neuerdings zu einer aktiven Industriepolitik. Doch in der Praxis überwiegt meist die Ideologie des freien Marktes und des ungehinderten Wettbewerbs – Groß-Fusionen werden behindert.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass Europas Industrie nicht in der globalen Champions-League spielt, dies noch nicht einmal anstrebt. Die EU begnügt sich mit der 2. Liga – und wundert sich dann, dass ein Unternehmen nach dem anderen absteigt…
Tim
23. Juni 2014 @ 16:11
@ ebo
Wenn Du das zum Lachen findest, bitte. Warte einfach ab, was in den nächsten Jahren passieren wird. Meine Prognose: Sehr viele deutsche Mittelständler kriegen unwiderstehliche Angebote von chinesischen Firmen.
Die Bundesregierung wird den völlig überraschenden FDI-Anstieg dann natürlich als Erfolg der eigenen Wirtschaftspolitik verkaufen.
Ich finde es übrigens etwas störend, daß Du Dich bei diesem Thema so naiv gibst. Kontroverse ist ja schön und gut, aber nicht um der Kontroverse willen.
Tim
23. Juni 2014 @ 15:07
@ ebo
Das ist jetzt Widerspruch aus Prinzip, oder? 🙂
Die kontraproduktive Arbeitsmarktregulierung gilt frankreichweit und ist damit natürlich eine französische Standortbedingung, die alle Investoren abschreckt. Zudem ist allen Investoren klar, daß Frankreich im Zweifelsfall immer Partei für große Unternehmen mit Staatsbeteiligung ergreift. Auch das ist eine negative Standortbedingung. Warum wohl gibt es in London so viele französische Unternehmensgründer?
Und natürlich gibt es auch europaweitere Standortbedingungen. Um mal eine positive zu nennen: gemeinsamer Markt mit (vergleichsweise) leichtem grenzüberschreitenden Handel.
Und um es von vornherein ganz klar zu sagen: Vieles, was aus Standortsicht gegen Frankreich spricht, spricht auch gegen Deutschland. Allerdings lassen sich die naiven Deutschen ja meist mit Verweis auf die ach so tolle Leistungsbilanz abspeisen und akzeptieren dann z.B. auch Lohnstagnation. 🙂
Tim
23. Juni 2014 @ 15:18
@ Peter Nemschack
Wobei Unternehmen bei Übernahmeinvestitionen vorr allem Marktzugang, Vertriebsnetze, Patente (und im Falle Alstoms: Regierungskontakte) einkaufen. Das bekannteste Beispiel dafür in Deutschland ist ja Vodafone/Mannesmann Mobilfunk.
Standortfaktoren greifen vor allem bei Neugründungen und Ausbauinvestitionen.
ebo
23. Juni 2014 @ 15:36
Ach so, GE hat für ein paar Milliarden Dollar “Regierungskontakte” gekauft? Die spinnen, die Amis…
Ich vertraue da lieber der britischen FT:
“In the end, GE got most of what it really wanted, swallowing whole Alstom’s global coal and gas-fired turbine business.”
Tim
23. Juni 2014 @ 15:46
@ ebo
Richtig, und was braucht man für “coal and gas-fired turbine business” in allen Ländern dieser Welt vor allem? Regierungskontakte.
Wenn Du Deinen Blog regelmäßig liest, sollte Dir das eigentlich klar sein. 🙂
ebo
23. Juni 2014 @ 15:50
Haha, und warum kauft GE dann keine deutschen “Regierungskontakte”? Wir sind doch überall Weltmeister…
Peter Nemschak
23. Juni 2014 @ 08:50
Das Management von Alstom war von Anfang an für das Angebot von GE. Dass sich der französische Staat an der Transaktion beteiligt hat, war entbehrlich. Es gibt nicht nur außerhalb von sondern auch in Frankreich Stimmen, die dies so sehen. Wichtiger wäre es, in Europa Standortbedingungen zu schaffen, welche die Entwicklung von europäischen Champions begünstigen.
ebo
23. Juni 2014 @ 09:15
Bitte verschonen sie mich mit dem Wort Standort. Ich kann diese neoliberalen Floskeln nicht mehr hören. Europa ist kein “Standort”, es ist ein Kontinent. Sie und ihre neoliberalen Freunde denken es aber nur als weltoffenen, tendenziell grenzenlosen Markt (“golbal Europe”, noch so eine Floskel) – im Gegensatz zu den USA, die den Markt, den Kontinent und, last but not least, den wirtschaftspolitischen Machtraum sehen und entsprechend handeln.
Peter Nemschak
23. Juni 2014 @ 12:49
Sozialistische Wirtschaftspolitik ist nicht jedermanns Sache. Frankreich ist mit seinem Staatskapitalismus in den letzten 50 Jahren jedenfalls nicht besser als Deutschland gefahren. Das kann man nicht weg reden. Siemens wird die Entscheidung überleben und sich im globalen Wettbewerb durchsetzen müssen, auch wenn das Unternehmen nunmehr einen amerikanischen Wettbewerber in der EU bekommt. Muss der Staat überall seine Finger drinnen haben? Im übrigen möchte ich höflich daran erinnern, dass Wettbewerb, auch jener der Meinungen und Ansichten, ein konstituierendes Merkmal der Demokratie ist.
ebo
23. Juni 2014 @ 14:01
Ohne den Staatskapitalismus in FR hätten wir bis heute keinen TGV bzw. ICE. Von wem wurde eigentlich Siemens gegründet?
Tim
23. Juni 2014 @ 14:29
Investiere doch selbst mal irgendwo, dann verstehst Du sehr schnell, was mit “Standortbedingung” gemeint ist.
ebo
23. Juni 2014 @ 14:33
Wenn ich es richtig sehe, investiert GE gerade ziemlich viel Geld in Alstom. Dass auch Siemens und Mitsubishi geboten haben, spricht dafür, dass die “Standortbedingung” in Frankreich recht attraktiv gewesen sein muss. Übrigens habe ich kein Problem mit dem Standortdenken, wenn es um einzelne Firmen oder Branchen geht. Aber es macht keinen Sinn, pauschal von “Standortbedingungen” für ein Land oder gar einen Kontinent zu sprechen!
Peter Nemschak
23. Juni 2014 @ 14:54
Einverstanden, jedoch gibt es bestimmte positive Voraussetzungen, die für alle Unternehmen in einer bestimmten Region gelten: die Nähe einer technischen Universität für High-tech Unternehmen (Angebot an hochqualifizierten Arbeitskräften), unternehmensfreundliche staatliche Bürokratie (Genehmigungen), familienfreundliche Infrastruktur (internationale Schulen für Managerkinder), steuerlich attraktive Bedingungen für Unternehmen und gehobene Angestellte etc.