Jeden Knochen fressen

Nach der US-Wahl ist es in Deutschland Mode geworden, die amerikanische Medien für ihre Kurzatmigkeit und ihren Mangel an Realitätsbezug zu rügen. Plötzlich ist sogar dem SPON-Vorzeigeblogger S. Lobo alles irgendwie zu schnell und meinungslastig. Vielleicht sollte Herr L. sich auch mal unsere führenden Medien vornehmen. Die haben nämlich alle immer genau dieselben Fakten und Meinungen.

Ein schönes Beispiel lieferte heute wieder die “Zeit”-Meldung über Frankreich, Schäuble und die deutschen Wirtschaftsweisen. Sie wurde von allen Medien nachgezogen und für gut befunden, obwohl die Weisen selbst dementieren. Nicht nur das: alle schwimmen im Mainstream mit. Alle schreiben, dass es Frankreich soooo schlecht geht, dass Schäuble es doch nur guuut meinte, und dass das mit den Experten für Frankreich eine gute Idee wäre, schließlich sitzen wir doch alle im selben Euro-Boot, nicht wahr?

Auf die Idee, die Wirtschaftslage in Frankreich mit der in Deutschland zu vergleichen, kommt keiner. Dann wäre nämlich aufgefallen, dass Schäuble selbst eine starke Abkühlung der Konjunktur einräumen musste. Niemand kam auch auf die Idee, darauf hinzuweisen, dass unser Finanzminister die Weisen und ihre Ratschläge regelmäßig ignoriert. Und dass heute in Berlin das ökonomisch völlig unsinnige Betreuungsgeld verabschiedet wurde, passte natürlich auch nicht zu der schönen Frankreich-Bashing-Story…

Nein, die meisten deutschen Journalisten fressen jeden Knochen, den man ihnen hinwirft – und fragen nicht einmal, warum er ihnen hingeworfen wurde. Sie schreiben die Story so, dass sie “rund” ist – und nicht so, dass sie Ecken und Kanten hat, was journalistisch viel interessanter wäre. Gleichzeitig mokieren sie sich über die USA und Frankreich. Wie nennt man gleich nochmal so eine Haltung?

Mehr zur Schäuble-Frankreich-Story hier.