Interview zur Europawahl
Mit der Nominierung von M. Weber als Spitzenkandidat der Konservativen ist der Europa-Wahlkampf eröffnet – oder? Was machen die anderen Parteien, wie sieht man den deutschen Kandidaten im EU-Ausland? Dazu habe ich detekor.fm ein Interview gegeben.
Meine Kernthesen: Man sollte Weber nicht zu wichtig nehmen – die heiße Wahlkampfphase beginnt erst im nächsten Jahr, und ob sich der deutsche Spitzenkandidat aus der CSU durchsetzt, ist noch längst nicht sicher.
Seine Nähe zu Orban könnte noch zum Problem werden. Denn (fast) alle anderen Parteien werden den Kampf gegen die Nationalisten und Populisten – und für ein liberales, weltoffenes EUropa – zum Thema machen.
Das zweite große Thema könnte die Selbstbehauptung Europas gegen US-Präsident Trump werden. Der Streit um eine europäische Armee und Trumps feindliche Reaktion (“sehr beleidigend”) zeigen, wie wichtig das ist…
Das Interview findet sich bei detektor.fm – und zwar hier.
Baer
11. November 2018 @ 16:36
Dem Kommentar von Kleopatra kann ich nur voll und ganz beipflichten.
Kleopatra
11. November 2018 @ 07:44
Eine Simulation von Demokratie ist die „Spitzenkandidaten“-Mode schon deshalb, weil selbst die stärkste Fraktion des EP von einer Mehrheit der Mandate immer himmelweit entfernt ist. In einem echten parlamentarischen System müsste dann ein Kandidat Regierungschef werden, der für andere Parteien ebenfalls akzeptabel ist und daher eine Koalition zusammenbringen kann. Und dieser Kandidat ist nicht unbedingt derjenige, der seiner eigenen Partei am besten gefällt. Aber auch aus Wählersicht haben zwar etwa knapp 30% der Wähler beim letzten Mal eine Partei gewählt, die Juncker unterstützte, aber 70% haben das nicht getan; er hat also eigentlich eine klare Mehrheit der Wähler gegen sich, und das wird für jeden anderen Kandidaten gelten.
Wenn man den Kommissionspräsidenten direkt wählen will, muss man sich die Mühe von zwei Wahlgängen machen (vgl. Präsidentenwahlen in Frankreich oder Österreich). Das wird man aus verschiedenen Gründen nicht tun, unter anderem deshalb nicht, weil dann zu offensichtlich würde, wie groß das tatsächliche Desinteresse ist. Und man würde andererseits dadurch existierende nationale Gegensätze öffentlich sichtbar machen; diese sind aber mehr oder weniger tabuisiert.
Georg Soltau
11. November 2018 @ 18:18
Nochmals Hallo Kleopatra, an den Wahlen des Kommissionspräsidenten ist kaum etwas wirklich demokratisch.Der Ratspräsident schlägt den Kandidaten vor, den 28 Regierungschefs
vorher ausgekungelt haben. Das von den Bürgern gewählte EU Parlament darf dann diesen Vorschlag abnicken oder vielleicht mit viel Mut auch mal ablehnen.
Tsubame
12. November 2018 @ 11:19
Hallo Kleopatra und Georg Soltau,
Natürlich wird der Kandidat Kommissionspräsident, welcher Allianzen mit den anderen europäischen Parteien eingehen will und kann. So war das 2014 mit Jean-Claude Juncker, dessen Partei die meisten Stimmen bekam und wird auch 2019 so sein.
Juncker ist es damals gelungen eine Mehrheit zu innerhalb des Parlamentes zu konstruieren, eine “Grosse Koalition” in dem er sich mit der S&D und der ALDE arrangiertee und zwar auf der Basis von gemeinsamen politischen Zielen. Deshalb wurde er Ratspräsident.
Seit 2014 ist es eben nicht mehr eine Kungelei der Regierungschefs. Damals hat sich das Parlament gegen die regierungschefs durchgesetzt.
Georg Soltau
12. November 2018 @ 14:24
Hallo Tsubame, das Parlament hat sich leider nicht gegen die Regierungschefs durchgesetzt, es durfte nur im Vorfeld etwas an der Kungelei teilnehmen. Der Rat schlägt EINEN Kandidaten vor, also keine Wahl sondern nur abnicken oder ablehnen. (Artikel 17 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besagt: Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit EINEN Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament.)
Kleopatra
11. November 2018 @ 07:33
Möglich, dass manche Parteien den Kampf gegen Orbán zum Wahlkampfthema machen. Aber sein Vorgehen im Herbst 2015 ist das, was noch mehr wünschen, ohne es laut zu sagen. Problematisch im Europäischen Parlament scheint mir, dass viele seiner Mitglieder es offenbar darauf anlegen, in bestimmten Fragen “progressiver” und “edler” zu sein als die in den Einzelstaaten aktiven Politiker; darum überbietet man sich gegenseitig mit immer noch anspruchsvolleren Forderungen in Resolutionen zum Umweltschutz, zum Umgang mit Migranten etc. Man könnte annehmen, dass das eine Auswirkung der fehlenden Macht ist – weil das Parlament wenig zu sagen hat, kompensiert es seine Schwäche mit Verbalradikalismus. Aber es ist weder sinnvoll noch hat es etwas mit Demokratie zu tun, wenn idealistische Forderungen verabschiedet werden, ohne dass man sich im mindesten darum kümmert, wie sie durchgeführt werden können. Und was ist ein “liberales, weltoffenes Europa”? Das Schengener Abkommen kann damit nicht gemeint sein, denn das setzt, damit es funktioniert, eine effektive Abschottung der EU-Außengrenzen voraus, also gerade die ungarische Grenzpolitik.
Wenn die EU in ein, zwei Jahrzehnten noch existiert, wird das zum Teil das Verdienst von Orbán und seinem Stacheldrahtzaun sein. Er sollte daher nicht beschimpft, sondern für seine Verdienste um die EU mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet werden.
Georg Soltau
11. November 2018 @ 17:22
Hallo Kleopatra, machen Sie sich keine Sorgen die EU wird es auch in 10 oder 20 Jahren noch geben, so schöne viele überbezahlte Jobs lassen sich unsere Polit-Eliten nicht wegnehmen. Vielleicht braucht man dann zwar keine Aufgaben mehr von außen, weil man genug mit sich selbst beschäftigt ist.
ebo
11. November 2018 @ 18:35
Die Grünen haben schon mal vorgelegt – sie wollen gegen “Populisten” ins Feld ziehen…
Georg Soltau
10. November 2018 @ 19:19
Richtig, wir brauchen noch mehr Militär !, vielleicht auch endlich wieder einen Krieg ?, dann könne unsere Nachfahren, mit etwas Glück, im Jahr 2125 einmal mehr 100 Jahre Kriegsende gedenken.
Peter Nemschak
10. November 2018 @ 12:14
Trump soll sich nicht so beleidigt geben. Eine europäische Armee wäre ein Beitrag “in kind” zur Stärkung des Westens in Europa, die Stärkung der französischen Atommacht wäre ein weiterer Schritt dazu. Man kann Trump wirklich nichts recht machen.