Im Schlafwagen in den Mai

Die EZB lässt die Leitzinsen unverändert. Trotz weiter sinkender Inflation und steigender Risiken, etwa wegen der Konfrontation mit Russland, möchte EZB-Chef Draghi sein Pulver trocken halten. Das Nichtstun hat Methode.

Es ist immer dasselbe in Euroland: Vor wichtigen EU-Gipfeln oder Wahlen weigert sich die EZB, an der Zinsschraube zu drehen. Offiziell will sie damit ihren unpolitischen Charakter wahren.

In Wahrheit geht es aber darum, Druck auf die Politik auszuüben, die “richtigen” Entscheidungen zu treffen. Keinesfalls sollen sie auf ihre Bürger  hören und irgendwelche Wahlversprechen abgeben. So ist es auch diesmal.

Obwohl die Inflationsrate auf 0,5 Prozent gesunken ist – den niedrigsten Stand seit vier Jahren – und Spanien in die Deflationsspirale gerät, legt Draghi die Hände in den Schoß.

Wegen Ostern könnte die Inflation im April höher ausfallen, heißt seine bizarre Begründung. Da Ostern spät im April liegt, dürfte auch im Mai nichts geschehen. Erst im Juni, nach der Europawahl, könnte die EZB handeln.

Ähnliches lässt sich für die EU-Kommission und die Eurostaaten sagen. Obwohl sie mit ihren Sanktionen gegen Russland den fragilen Aufschwung gefährden, wie der IWF warnt, bleiben sie bei ihrem deflationären Kurs.

Die Finanz- und Geldpolitiker der Eurozone wollen uns im Schlafwagen zur Europawahl fahren. Erst danach werden sie sich – vielleicht – der Realität stellen, die düsterer aussieht als man uns vorgaukelt.

Ob sie dann auch handeln, steht auf einem anderen Blatt. Und ob sie endlich die richtigen Entscheidungen treffen und einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel einleiten, auf noch einem anderen…