Duell der Populisten (Update 27.4.11)

Die “Populismus-Zwillinge” streiten zulasten Dritter

Zwischen Italien und Frankreich ist ein heftiger Streit um die Flüchtlinge aus Tunesien und das Schengener Abkommen entbrannt. Nachdem Italien die Flüchtlinge mit Schengen-Visa ausstattete, stoppte Frankreich mehrere Züge aus der Grenzstadt Ventimiglia. Die EU-Kommission will den Vorfall nun prüfen. Stichprobenartige Polizeikontrollen seien erlaubt, systematische Grenzkontrollen jedoch nicht, heißt es in der EU-Kommission.

Die meisten tunesischen Flüchtlinge, die als Boatpeople auf Lampedusa angelandet sind, wollen nicht in Italien bleiben und auch nicht nach Österreich oder Deutschland reisen. Fast alle zieht es nach Frankreich, weil sie dort Verwandte haben. Die französische Regierung weigert sich jedoch, die Flüchtlinge aufzunehmen, und behauptet, die italienischen Visa reichten für eine Weiterreise nach Frankreich nicht aus. 

Die EU-Kommission scheint diese Sicht zu teilen. Das Schengen-Abkommen sehe keine automatische Anerkennung von Visa vor, heißt es in Brüssel . Frankreich könne sogar die Grenze für 30 Tage ganz dicht machen, wenn ein Notfall vorliegt. Bisher ist es jedoch selbst Präsident Sarkozy noch nicht in den Sinn gekommen, sich auf einen Notfall zu berufen. Ein paar tausend Tunesier stellen wohl noch keine Bedrohung oder auch nur Belastung für ein 60-Millionen-Land wie Frankreich dar.

Sarkozy darf allerdings auf das Wohlwollen von Kommissionschef Barroso hoffen. Bei einem Besuch in Tunesien hat Barroso die tunesische Regierung letzte Woche eindringlich ermahnt, mehr Flüchtlinge zurückzunehmen und die Auswanderung nach Europa zu stoppen. Andernfalls drohe mehr Ausländerfeindlichkeit in der EU, warnte Barroso. Ähnlich argumentiert Sarkozy: Wenn die EU ihm nicht helfe, werde der rechtsextreme Front National gestärkt…

In Italien ist dieser Fall indes längst eingetreten. Mit dem kleinen Unterschied, dass dort die Rechten an der Regierung sind – und ihre Ausländerfeindlichkeit auf dem Rücken der Flüchtlinge ausleben. Regierungschef Berlusconi und seine Verbündeten von der Lega Nord haben in Sarkozy ihren Lieblings-Gegner gefunden, heißt es in der italienischen Presse.  

Natürlich gibt es beim Duell der “Populismus-Zwillinge” (La Republika) auch Verlierer. Es sind – wen wundert’s – die in Italien gestrandeten Tunesier. Ohne europäische Hilfe sind sie ziemlich verloren – lost in EUrope bzw. lost in Italy…

 

Nachtrag 27.4.11

Der Streit geht in eine neue Runde. Nach einem Tête-à-tête in Rom, der offenbar nichts gebracht hat, fordern Berlusconi und Sarkozy die EU nun auf, das Schengen-Abkommen zu ändern und die Reisefreiheit bei Bedarf einzuschränken. Damit reichen sie den Schwarzen Peter an die EU-Kommission weiter, die wenig begeistert ist – aber bis zum EU-Gipfel im Juni Vorschläge machen will.

 

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