Cook-Pleite trifft “Club Med” ins Herz
Die Pleite des Touristikunternehmens Thomas Cook schmerzt nicht nur Großbritannien oder Deutschland, wo Condor auf der Kippe steht. Sie trifft vor allem die “Club Med”-Länder am Mittelmeer. Was tut die EU?
Die EU-Kommission verhandelt mit der deutschen Bundesregierung über einen Notkredit für Condor. Man führe “konstruktive Gespräche”, heißt es in Brüssel. Es geht um Staatsbeihilfen – im größten EU-Land.
Doch über die Hauptbetroffenen redet man nicht. Das sind nicht nur Zehntausende Touristen, die mit Thomas Cook in Urlaubsländern gestrandet sind, und um die sich nun jede Regierung einzeln kümmert.
Das sind auch und vor allem die EU-Länder am Mittelmeer, die nun einen massiven Einbruch im Tourismus fürchten. Spanien, Griechenland, Zypern – der “Club Med” ist im Herzen getroffen.
Für einige Urlaubs-Regionen war Thomas Cook nämlich nicht nur ein Großkunde, sondern oft der einzige relevante Anbieter. Sie haben nicht nur jetzt ein Problem, sondern auch in Zukunft.
Nimmt man noch hinzu, dass kleine EU-Länder wie Griechenland oder Zypern vor allem vom Tourismus leben, so erahnt man die Dimensionen der Krise. Doch darüber spricht man in Brüssel nicht.
Die EU-Kommission hat nicht einmal die Pleite von Thomas Cook kommen sehen. Dabei waren die Märkte schon seit Wochen alarmiert, an Warnungen hat es nicht gefehlt…
Kwasir
25. September 2019 @ 18:34
Beihilferechtlich ist davon auszugehen, dass die Kommission – unter den üblichen Auflagen – ein auf 6 Monate befristetes staatliches Überbrückungsdarlehen’ genehmigt, das die Voraussetzungen für “Rettungsbeihilfen” erfüllt.
Offensichtlich ist Condor ohne die Mutter Cook nicht in der Lage, aus eigener Kraft den “sicheren Flugbetrieb” zu gewährleisten. Das stimmt nachdenklich. AIR BERLIN hat viel weniger bekolmmen (150 mio). Die Frage ist daher, ob es Condor schaffen kann die erhaltenen Darlehenstranchen zurückzuzahlen zumal Condors Geschäfte hauptsächlich im Sommer, nicht aber in den nächsten 6 Wintermonaten laufen.
Nur: warum können hier keine Banken mit einem Bündel von (derzeit recht günstigen) Zwischenkrediten einspringen ? Zu riskant ?
Fördert unser Wirtschaftsystem nicht den Wettbewerb und die Konkurrenz unter den Tüchtigen ? Warum also soll wieder mal der Steuerzahler einspringen, wenn die Märktkräfte zugeschlagen haben ?
Sicher haben da grün-linke Ideologen wieder mal was gedreht … – Allerdings bleibt bislang der Aufschrei der Marktliberalen aus, wie auch schon bei Air Berlin.
Jedem Urlauber sollte aber wieder mal klar geworden sein, dass man mit “Geiz-ist-geil” Schnäppchen Preisen, nicht nur günstig urlauben kann, aber auch das Risiko eingeht, irgendwo hängen zu bleiben. Dazu kommt, dass die Versicherungssumme bei Pauschalkreisen gedeckelt ist, so dass man Gefahr läuft, auf einem nicht geringen Teil der Verluste sitzen zu bleiben. “Thats the economy …”
Jeder Reisende sollte daher eine eigene Ausfallversicherung abschliessen, was dann aber die Reisen halt teuerer macht.
In die längste Röhre gucken mal wieder die Klein-Unternehmer der Tourismusbranche, die weltweit ca 1 Milliarde EUR an Verlusten/Ausfällen zu tragen haben werden. Versuche, sich z.B. durch Syndikate vor dem Preisdiktat der Cooks und Co. zu schützen, waren zum Scheitern verurteilt, denn die Kleinen sitzen allemal am kürzeren Hebel.
Was die Pleite mit dem Brexit und ruinöser Konkurrenz zu tun hat, ist einsichtig, aber was hätte da Brüssel tun sollen ? Entweder man mag diese Art des Wirtschaftens oder nicht. Wir mögen sie offensichtlich. So what ?
ebo
25. September 2019 @ 18:47
Brüssel hätte sich mindestens um eine koordinierte Reaktion der Eu-Staaten kümmern können, um die von der Pleite betroffenen Touristen zu schützen. Zudem würde ich erwarten, dass sich die EU-Kommission um die betroffenen Urlaubsländer und -regionen kümmert. “Big things big, small things small”, verkündet Juncker. Doch bei einer großen Pleite wie dieser taucht er ab…
Kwasir
26. September 2019 @ 10:42
Brüssel hat zwar bald eine GD für die Rüstungsbranche, aber keine für Massentourismus.
Die Rückkehr der Cook Touristen war innerhalb der Branche Gegenstand von Krisen- und Koordinierungstreffen (auch unter aktiver Beteiligung des Rückversicherers Zurich) schon bevor endgültig feststand, dass Boris Johnson die historische UK Firma Thomas Cook über die Klinge springen liess, indem er den angefragten ‘Rettungskredit’ verweigerte (im Gegensatz zu Deutschland !). Seine Position war Thatcher-haft systemimmanent. Die Pleite-Betroffenen werden Verluste hinnehmen müssen (das muss ein Häuslebauer auch, wenn der Bauunternehmer den Bach runter geht), aber sie werden ohne längere Warterei nach Hause gebracht. Auch Club Med wird es überleben, so ihr Eigentümer Fonsun (China) es will. Werden ggf. ein paar mehr Resorts verkauft, wie das beim Club seit Jahrzehnten der Fall ist. Ausserdem haben sie ja noch ihre GO- Freiwilligen, die kaum was kosten.
Was die Branchen in den Cook Destinationsländer angeht, was könnte die Kommission da kurzfristig machen ? Die Saisonarbeiter im Mittelmeerraum werden jetzt eh nicht weiterbeschäftigt. Inwieweit Cook Konkurrenten die Kontrakte nächstes Jahr übernehmen werden – wait and see, jedenfalls werden sie wenig Verhandlungsmacht haben und Preisdiktate akzeptieren müssen. Wie hoch die unbezahlten Rechnungen bei den Hoteliers sein werden, wird sich auch erst zeigen (Teilentschädigung durch Versicherungen ?). Die Guten ins (eigene) Profittöpfchen, die Schlechten (Verluste) der Allgemeinheit hinzustellen – stützt nur a fake failing system.
Kurz: ein Auftauchen Junckers hätte aktuell gar nichts gebracht.
Peter Nemschak
25. September 2019 @ 14:50
Besser die Reiseversicherung ausbauen als unrentable Unternehmen mit Steuergeld am Leben erhalten.
ebo
25. September 2019 @ 15:06
Die deutsche Regierung will Condor mit Steuergeld am Leben erhalten.
Peter Nemschak
25. September 2019 @ 16:45
Was hat die letzte Rettung einer Fluglinie die Steuerzahler gekostet? Vielleicht habe ich überlesen, dass sie ein gutes Geschäft für den Staat war.
Peter Nemschak
25. September 2019 @ 14:17
Des einen (Tourismusbranche, zivile Luftfahrt) Leid, des anderen (Klimaschutz – weniger CO2-Ausstoß) Freud’. Die Welt ist komplex und widersetzt sich einfachen Lösungen.