Bestraft Britannien

Die britische Regierung hat in der NSA-Spionage-Affäre offenbar Druck auf die Presse ausgeübt. Der “Guardian” musste Festplatten mit brisanten Enthüllungen zerstören, der Lebensgefährte eines Journalisten wurde schikaniert. London setzt sich damit über EU-Grundwerte hinweg – das darf nicht ungestraft bleiben.

Entwickelt sich Großbritannien zu einer Gefahr für Europa? Schon zu Beginn der NSA- und Prism-Affäre wurde bekannt, dass die Briten den Amerikanern beim Ausspionieren unserer Daten helfen.

Offenbar werden die Tiefseekabel, die von Großbritannien in die USA führen, systematisch angezapft. Doch damit nicht genug. Nun wird auch noch die freie Presse, die über diesen Skandal berichtet, behindert und geknebelt.

Wenn die Vorwürfe stimmen, die der “Guardian” erhebt, wäre dies ein Fall für die EU-Kommission. Denn die Meinungs- und Pressefreiheit gehört zu den Grundwerten Europas, die geschützt werden müssen.

Doch die Brüsseler Behörde macht keine Anstalten, London auf die Finger zu klopfen. Ganz im Gegenteil: Kommissionschef Barroso sorgte, gemeinsam mit Kanzlerin Merkel, persönlich dafür, dass die NSA-Affäre verdrängt wird.

Gestern gab Barroso dann auch noch eine Pressemitteilung heraus, in der er Spanien wegen des eskalierenden Streits um Gibraltar ermahnt, Großbritannien jedoch schont.

Dass London Kriegsschiffe vor einem EU-Staat auffahren lässt, scheint Barroso nicht zu stören. Schon im Irak-Krieg hatte der Portugiese stets Partei für Amerikaner und Briten ergriffen.

Auch von Kanzlerin Merkel ist nicht viel zu erwarten. Seit sie gemeinsam mit dem britischen Premier Cameron das EU-Budget zusammenstrich, steht sie fest an der Seite der EU- und Euroskeptischen Briten.

Dennoch: Was jetzt bekannt wird, geht eindeutig zu weit. Es wird Zeit, über Sanktionen gegen London nachzudenken. Zum Glück ist dafür nicht Barroso, sondern die engagierte EU-Justizkommissarin Reding zuständig.

Reding kündigte heute Untersuchungen wegen der NSA-Affäre an. Allerdings will sie sich offenbar auf die USA konzentrieren – von britischen Verfehlungen ist keine Rede, von Pressefreiheit schon gar nicht…

Siehe auch “Bestraft Big Brother”