Arm aber sexy

Vor zehn Jahren nahm die EU auf einen Schlag zehn neue Mitglieder auf. Der “Big Bang” brachte zwar keine “blühenden Landschaften”, aber auch das befürchtete Chaos ist ausgeblieben. Zu den Gewinnern gehören Deutschland und Polen, doch es gibt auch Verlierer –  eine Bilanz.

Arm aber sexy – diesen Werbespruch für Berlin könnten sich heute auch die EU-Politiker in Brüssel auf ihre Fahnen schreiben. Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem „Big Bang“ mit dem Beitritt zehn neuer süd- und osteuropäischer Länder ist die Europäische Union heute ärmer, aber zugleich auch attraktiver denn je.

Die Türkei, Montenegro, Serbien und Mazedonien klopfen bereits an die Tür des europäischen Clubs, andere Länder wie die Ukraine oder die Schweiz könnten später folgen. Und das, obwohl das EU-Budget zusammengestrichen wurde und immer weniger Geld für immer mehr und immer ärmere Neu-Mitglieder bereitsteht.

 Ex-Außenminister Fischer war besorgt

Offenbar ist die Erweiterung weiter die erfolgreichste europäische Außenpolitik – anders ist kaum zu erklären, warum so viele Länder Mitglied der EU werden möchten. Fast alle Nachbarn wollen rein, nur Island hat seinen Antrag vorläufig zurückgezogen. Dabei ist die Erweiterungspolitik keine ungetrübte Erfolgsgeschichte.

Als der frühere EU-Kommissar G. Verheugen am 1. Mai 2004 am Ziel war und die EU auf einen Schlag von 15 auf 25 Mitgliedsländer anwuchs, da sahen das viele in der „alten“ EU mit gemischten Gefühlen. Ex-Außenminister J. Fischer war der erste, der vor sinkendem Wohlstand und wachsenden Problemen warnte.

Wie Fischer zweifelten viele daran, dass sich die EU mit 25 Mitgliedern noch vernünftig regieren lassen würde. Vor allem die armen neuen Mitglieder in Osteuropa, die den Beitritt wie in Valetta mit Freudenfeiern feierten,  bereiteten dem Grünen-Politiker Sorgen. Sie könnten den bisher so exklusiven Club der 15 durcheinander wirbeln und Entscheidungen blockieren, so die Sorge.

Der erste Rückschlag kam im Westen

Doch der erste große Rückschlag kam nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen: Franzosen und Niederländer stimmten 2005 gegen den neuen EU-Verfassungsvertrag – und indirekt auch gegen das neue, große Europa.

Denn in beiden Ländern spielte die Furcht vor osteuropäischen Wanderarbeitern eine wichtige Rolle beim „Nein“ – der „plombier polonais“, also der polnische Klempner, ist seither in die europäische Geschichte eingegangen.

Es folgte eine Denkpause, in der die EU den schweren „Erweiterungsblues“ verarbeiten musste. Während dieser Prozess im Westen immer noch nicht ganz abgeschossen ist – man denke nur an die Vorurteile gegen „Armutsmigranten“ aus Bulgarien und Rumänien – haben sich die neuen EU-Bürger aus dem Osten erstaunlich gut integriert.

Es gibt auch Verlierer

Den meisten Beitrittsländern geht es heute besser als vor zehn Jahren, auch wenn ihnen niemand „blühende Landschaften“ versprochen hat. Polen ist sogar in den Führungskreis der EU aufgestiegen, auch die baltischen Staaten finden Anerkennung.

Allerdings gibt es auch Verlierer. Zypern ist im Zuge der Eurokrise abgestürzt, Slowenien schrammte nur knapp an der Pleite vorbei, und Ungarn ist vom demokratischen Pfad der Tugend abgekommen.

Die EU-Kommission erwähnt all dies nicht. Stattdessen betont sie in ihrer offiziellen Erfolgsbilanz , dass sich die deutschen Exporte in die Beitrittsländer seit 2004 verdoppelt hätten. Na wenn das keine gute Nachricht ist…

Siehe auch “Das Imperium muss wachsen” Teil eins (Kroatien) und zwei (Ukraine etc.)