“Man müsste Deutschland bestrafen”
Während die EU-Kommission über die “Defizitsünder” Spanien und Portugal berät, lässt sie den schlimmsten Übeltäter außer acht, sagt Wirtschaftsprofessor J. Bibow: Die Rede ist von Deutschland.
Das größte Euroland habe zwar die Maastricht-Regeln für die Eurozone diktiert, sich selbst aber nie daran gehalten, kritisiert der Experte auf dem lesenswerten Blog “Social Europe”.
Seit dem Beginn der Eurokrise habe sich Berlin zudem geweigert, seinen Part zu spielen und die wirtschaftliche Ungleichgewichte (deutsche Überschüsse) abzubauen. Zitat:
Germany prescribed harsh austerity for its partners but refused to share in the rebalancing process by fiscal expansion and higher wage inflation at home. As a result, the rebalancing has been one-sided and deflationary, with unnecessary pain inflicted across the Eurozone.
Der Autor kommt zu dem Schluss, dass nicht Griechenland, Spanien oder Portugal, sondern Deutschland bestraft werden müssten – mit einem Ausschluss aus der Eurozone (dem “Gexit”).
Als Alternative käme die Schaffung eines Euro-Schatzamtes mit Transferleistungen infrage – doch dagegen wehrt sich Berlin bekanntlich mit Händen und Füssen…
Ute Plass
19. Mai 2016 @ 13:22
@Peter Nemschak – Mit der simplen Tatsache, dass Menschen und gesellschaftliche Verhältnisse nicht gleich sind und auch nicht gleich gemacht gehören, lenken Sie lediglich vom Wesentlichen ab. Es geht nicht um platte Gleichheit sondern um Gleichwertigkeit der Verschiedenheiten, was vor allem freie, menschenwürdige Verhältnisse ohne Armut und Ausbeutung meint. Jedes Kind, welches das Licht der Welt erblickt hat z.B. ein Recht auf gleiche Bildungschancen, die eben nicht davon abhängig sein dürfen, ob das Kind in wohlhabende oder weniger wohlhabende Verhältnisse geboren wird. Ein anhaltender Skandal, dass in Deutschland immer noch der Geldbeutel der Eltern über Bildungschancen von Kindern entscheidet.
http://www.bllv.de/BLLV-Ressort-Wissen.8282.0.html?&cHash=abff044e9eb64875c4d623257175832c&tx_ttnews%5Btt_news%5D=6098
S.B.
20. Mai 2016 @ 09:26
@Ute Plass: Ich muss Ihnen eine schlechte Nachricht überbringen. Diese ist, dass die Bildungschancen der Kinder immer vom Geldbeutel der Eltern abhängen werden. Es war übrigens auch schon immer so. Dies müsste zwar theoretisch nicht heißen, dass es auch immer so bleiben muss. Man sollte sich aber schon mal gründlich fragen, warum diese Mechanismen schon über so lange Zeit funktionieren. Dazu empfehle ich Ihnen die Lektüre von Helmut Scheocks Buch “Der Neid und die Gesellschaft” http://www.amazon.de/Der-Neid-Gesellschaft-Helmut-Schoeck/dp/3451018950
Es gibt übrigens noch einen weiteren, meiner Ansicht nach viel einflussreicheren Punkt als das Geld der Eltern, der die Bildungschancen eines Kindes betrifft: Das eigene Engagement der Eltern mit Blick auf die Bildung, aber auch sonstige Entwicklung des Kindes. Dieses wird in der Regel in gebildeten und damit zumeist auch eher wohlhabenden Schichten größer sein, als in bildungsferneren und damit weniger wohlhabenden. Das liegt quasi in der Natur der Sache. Das Engagement der Eltern lässt sich aber nicht durch sonstige Maßnahmen durch Dritte ausgleichen, da Kinder nun einmal die meiste Zeit im Elternhaus verbringen und den dort herrschenden Einflüssen ausgesetzt sind. Das Elternhaus ist also der wesentliche Einflussfaktor für die Bildungschancen eines Kindes. Ein Indiz dafür sind die – wenigen – Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen, hinsichtlich derer die Eltern ein entsprechendes Interesse an ihrem Kind gezeigt haben. Es geht also, wenn die Eltern ihren Teil dazu leisten. Ohne dies geht es nicht.
Natürlich können Sie das Ziel der gleichen Bildungschancen auch versuchen zu erreichen, indem das allgemeine Bildungsniveau im staatlichen Bildungssystem stark abgesenkt wird und Schüler, die eigentlich den Anforderungen nicht entsprechen, mit durchschleifen. Dieses Strategie kann man schon seit einiger Zeit beobachten. Man kann es an den weiterführenden Oberschulen (ich spreche aus eigener Erfahrung) genauso sehen, wie an den Universitäten.
Eltern, die genug Geld haben, suchen für ihre Kinder dann einen Ausweichmöglichkeit: private Schulen und Universitäten. Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären.
Ute Plass
21. Mai 2016 @ 10:33
“Dies müsste zwar theoretisch nicht heißen, dass es auch immer so bleiben muss.”
Bingo !
Daher engagiere ich mich z.B. auch für eine repressionsfreie Existenzsicherung
für ALLE http://www.grundeinkommen.ch/frauen-fuer-grundeinkommen/ 🙂
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 20:50
Was nicht noch alles. Chancengleichheit und damit Aufwärtsmobilität verbessern. Gleichheit im Ergebnis ist eine Illusion, menschlichen Verhaltens fremd. Ohne Ungleichheit, die sich sehr rasch in der Europäischen Republik einstellen wird, gibt es keine gesellschaftliche Dynamik, etwas was die Linken nicht verstehen wollen. Allein die begrüßenswerte Emanzipation der Frauen wird neue Ungleichheit fördern. Gebildete Frauen werden sich gebildete Partner suchen und damit die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärken. Wettbewerb unter Menschen ist ein zutiefst menschliches Phänomen und untrennbarer Teil der Freiheit des Individuums.
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 18:03
Anstelle Grexit, Brexit, Rückabwicklung des Euro, undemokratischen und unkontrollierte nautoritäre mafia-ähnlichen Institutionen: Wie wäre es mit Ulrike Guérots Vorschlag (siehe ihr kürzlich erschienenes Buch) einer Europäischen Republik, mit sauberer Gewaltentrennung und der grundgesetzlich festgeschriebenen Gleichheit (Chancengleichheit, soziale Grundsicherung, etc.) aller Bürger? Einklagbar überall.
Souveränität geht von jedem einzelnen Mitbürger aus und die EU-Verträge erlauben Bürgerinitiativen. Warum nicht verschiedene Projekte entwickeln und den Europäern zur Abstimmung vorlegen? Ich bin sicher, dass ein Projekt, so wie U.Guérot es derzeit skizziert, eine deutliche Mehrheit in Europa finden würden.
S.B.
18. Mai 2016 @ 21:31
Das klappt ja auch im viel kleineren, nationalen Rahmen alles so super gut. Dann kann es ja im noch viel größeren Rahmen nur noch vieeeeel besser funktionieren. Ironie aus…Traumtänzer muss was Tolles sein…
Johannes
18. Mai 2016 @ 16:33
Bitte ja, werft uns aus dem Euro. Eure Schulden müsst ihr natürlich weiter bezahlen, die verschwinden nicht!
Nach dem Rauswurf wird Deutschland alle Zahlungen an Brüssel einstellen, die EU wird dann von Süd Europa finanziert, und vom Powerhaus Frankreich. Problem werden dann mit dem Geld Süd Europas gelöst, Deutschland wird keienn Cent mehr zahlen. Ich bin gespannt wie die EU da noch exestieren soll ….
Ja, bitte werft uns raus, die Folgen werden so wunderschön für euch alle sein *hahaha
PS: Transferleistungen einführen, ja finde ich gut, das gibt Deutschland einen weiteren massiven Rechtsruck und dann ist nicht der Euro Geschichte, sondern die EU *hahaha. Bitte spielt mit dem Feuer, bitte 🙂
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 15:44
@Peter War es dieser Gedanke, der Ludwig dem XVI am 16.10.1793 durch den Kopf ging?
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 16:35
Da bin ich nicht so sicher. Durchaus möglich, dass er bis zuletzt, als sein Kopf schon im Korb lag, an das Gottesgnadentum geglaubt hat. Besonders intelligent soll er nicht gewesen sein.
S.B.
18. Mai 2016 @ 15:11
Also ich bin sehr dafür, dass D endlich den Gexit macht. Dann ist auch das leidige Thema mit den Transferleistungen endlich vom Tisch. Zudem wird sich die deutsche Exportindustrie automatisch einbremsen, womit sich die Außenhandelsüberschüsse in dieser exzessiven Form wieder erledigen. Diese gab es in diesem Ausmaß vor dem Euro nie.
Nebenbei wird sich im Zuge des Gexists die ganze EU mitsamt dem unsäglichen Euro sofort in Luft auflösen, denn weder FR noch eins der sonst verbleibenden wirtschaftlich “stärkeren” Länder, wird für den Rest zahlen wollen, geschweige denn können, so wie es derzeit D macht.
Dann ist endlich wieder jeder für sein eigenes Wohl und Wehe verantwortlich. Fremdbestimmung adé. Soweit gemeinsame Interessen vorhanden sind, kann zusammengearbeitet werden, wenn nicht, dann nicht. Eine aufgezwungene, demokratisch nicht legitimierte Supra-Institution wie die EU braucht es nicht.
Peter Nemschak
18. Mai 2016 @ 13:45
Da geht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr….. Man müsste, man sollte…..Warum sollte man eigentlich? In der Geschichte mussten sich immer die Schwächeren nach den Stärkeren richten.
Andreas Meyer
18. Mai 2016 @ 13:36
Das Thema wurde auch vom Nobelpreisträger Stiglitz kürzlich wieder sehr anschaulich erläutert: http://www.boeckler.de/veranstaltung_63495.htm
Typisch für den öffentlichen Diskurs ist mal wieder, was Ralf Sienna gestern sagte: “Strukturreformen sind notwendig in den Ländern der europäischen Peripherie angesichts der globalen Herausforderungen wie z.B. China. ”
http://www.ndr.de/info/Vor-dem-moeglichen-Brexit,audio283174.html
Ist die Lösung wirklich, mit China mit Hilfe eines Lohndumpings in Konkurenz zu treten? Ist es sinnvoll, allen Ländern das deutsche Modell aufzuerlegen – und ist Austerität das richtige Mittel hierfür? Ist dies der sinnvolle Weg, um die Finanzkrise (private Schuldenkrise) hinter sich zu lassen? Natürlich können Portugal und Griechenland auf absehbare Zeit in den meisten Exportbranchen nicht mit Deutschland konkurieren. Müssen diese Länder deshalb wirtschaftlich um 15-20 Jahre zurückgeworfen werden?
Dient die Narrative der notwendigen “Strukturreformen” nicht letztendlich nur dazu, den für Deutschland vorteilhaften status-Quo zu sichern?
Europa ist vor allem ein Binnenmark, aber auch geprägt durch ein ein historisch gewachsenes Verständnis von sozialer Ausgeglichenheit und einer besonderen Form sozialer Marktwirtschaft. Dies ist der Kern des europäischen Demokratieverständnisses.
Nun, seit über einem Jahrzehnt tickt Europa in dieser Hinsicht vorwiegend “Deutsch”. Wen wundert es, dass Deutschland der grosse Gewinner der Krise in der Eurozone ist?
Ein Blick auf die Mediathek des Bundesfinanzministerium zeigt, dass die Themen dort sehr einseitig behandelt werden. So kann eine pluralistische Demokratie definitv nicht funktionieren.