In der (konservativen) Werte-Falle
Nun reden sie wieder miteinander – die EU-Kommission und die polnische Regierung. Am Dienstag Abend empfing Kommissionschef Juncker den neuen polnischen Premier Morawiecki.
Vor seiner Abreise nach Brüssel hatte Morawiecki noch schnell ein paar besonders EU-kritische Minister gefeuert. Dies war in der EU-Kapitale als “Entgegenkommen” gewertet worden.
Man könnte aber auch von einem Ablenkungsmanöver sprechen. Denn im Kern geht es nicht um die gechassten Minister, sondern um den Rechtsstaat, den Juncker in Polen gefährdet sieht.
Die EU-Kommission hat deshalb ein Sanktionsverfahren eingeleitet, das sie nicht gewinnen kann – denn Ungarn wird sein Veto einlegen. Juncker weiß das – und sucht nun einen Ausweg.
Der wird nicht leicht zu finden sein, auch nach dem Treffen mit Morawiecki. Denn das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Nun rächt es sich, dass die EU nicht schon gegen Ungarn vorgegangen ist.
Dort hat Regierungschef Orban weit größere Verstöße gegen die EU-Werte gewagt als die Polen. Doch Juncker & Co. sahen zu – nicht zuletzt, weil Orban bei der konservativen EVP mitarbeitet.
Dafür wurde er gerade erst von der CSU gehätschelt. Die polnische Regierungspartei PiS hingegen macht beim konservativen Klüngel nicht mit – deshalb wird man sie auch nicht leicht einwickeln können…
Mehr zur Kumpanei in der EVP hier
WAS FEHLT? Uns Oettinger. Der EU-Budgetkommissar stellt am Mittwoch die Grundzüge seiner Pläne für den EU-Haushalt nach 2020 vor. Details folgen zwar erst im Mai – doch schon jetzt ist absehbar, dass um höhere EU-Beiträge und weniger EU-Subventionen eine Schlammschlacht droht…
Mehr zum Budgetstreit und den Implikationen für Berlin hier
Peter Nemschak
10. Januar 2018 @ 08:24
Was wollen Sie alternativ mit Mitgliedsländern machen, die Sie nicht ausschließen können? Kleinweises Herumstoßen und Anschießen bewirken Aggression statt das gewünschte Ergebnis. Jeder Jäger und Diplomat weiß das. Gesichtswahrung hat einen Wert. Man wird allerdings nicht umhin kommen, in Zukunft politisch heikle Prozesse in Polen durch EU-Beobachter vor Ort beobachten zu lassen. Meines Wissens sind auch in Polen Gerichtsprozesse öffentlich. Außerdem werden sich Wege finden lassen, die Zivilgesellschaft Polens und Ungarns zu unterstützen, ohne daraus ein großes Aufhebens zu machen.
ebo
10. Januar 2018 @ 09:11
Aus Ihrem Lieblingsblatt Foreign Policy: https://foreignpolicy.com/2018/01/08/how-to-break-up-europes-axis-of-illiberalism/
Peter Nemschak
10. Januar 2018 @ 15:13
Dass Polen und Ungarn nicht handelseins sind, habe ich schon geschrieben. Orban ist korrupt und käuflich, Kaczynski fundamentalistisch. Allein deshalb wird man Gerichtsverfahren in Polen beobachten müssen. Allein wegen Ungarn ,aber nicht nur, bin ich gegen den österreichischen Pass für Südtiroler. Im übrigen ist eine meiner Quellen nicht die foreignpolicy.com sonder die Foreign Affairs, eine US-amerikanische Publikation mit internationalen Autoren. Sie findet sich in jeder politikwissenschaftlichen Bibliothek und ist auch online zu haben.
ebo
10. Januar 2018 @ 15:41
@Nemschak – Foreign Affairs ist mir ein Begriff. FP sollte Sie aber auch interessieren, Zitat: “More than 40 years ago, against the backdrop of an America torn apart by Vietnam— Foreign Policy magazine was founded by Harvard professor Samuel Huntington, a one-time hawk, and his close friend, Warren Demian Manshel, a dove.” Gehört heute zur Ex-Washington-Post-Group…