Zwischen allen Stühlen – Doppelkrise in Südeuropa

Der Countdown läuft. Am Freitag, 1. Juni, endet das amerikanische Ultimatum im Zollstreit mit der EU. Und die EUropäer wissen immer noch nicht, wie sie reagieren sollen. Sie sitzen zwischen allen Stühlen – wie in vielen wichtigen Fragen.

Dies dürfte sich heute wieder beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel zeigen. Ganz oben auf der Tagesordnung steht das Atomabkommen mit Iran. Offiziell verteidigt die EU das Abkommen mit allen Mitteln.

Doch in Wahrheit hat man den angedrohten US-Sanktionen für europäische Unternehmen nicht viel entgegenzusetzen. Das Pendel schlägt immer mehr zugunsten der USA aus. Das Iran-Abkommen hat kaum noch eine Chance.

Frankreichs Staatschef Macron hat zwar versucht, mit Russland anzubändeln, Kanzlerin Merkel umwirbt China. Doch gleichzeitig betont sie die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen – so wird das nichts.

Auch beim zweiten Thema – der Lage in Nahost und Gaza – sitzt die EU zwischen allen Stühlen. Offiziell unterstützt sie die Palästinenser, Brüssel hat sogar eine unabhängige Untersuchung der Todesschüsse an der Grenze zu Israel gefordert.

Doch gleichzeitig feiern vier EU-Länder den Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem, der die Krise in Gaza massiv verschärft hat. Und Deutschland steht natürlich – wegen seiner unseligen Nazi-Geschichte – weiter zu Israel.

Die Liste ließe sich fortsetzen. In Syrien findet die EU zu keiner klaren Linie, gegenüber Russland auch nicht. Briten und Niederländer wollen hart durchgreifen, Italien dagegen möchte wieder mit Präsident Putin anbändeln.

Die konträren Positionen heben sich gegenseitig auf, am Ende bleibt nur der kleinste gemeinsame Nenner – der Status Quo. Dabei ist der schon lange nicht mehr haltbar, ganz im Gegenteil.

In Gefahr und Not bringt der Mittelweg den Tod – nie war dieser Sponti-Spruch so aktuell wie heute…

WATCHLIST:

  • Italien. Kommt es zu Neuwahlen? Am Sonntag hat der designierte Regierungschef Conte überraschend die Brocken hingeworfen. Zuvor hatte Staatschef Mattarella den auch in Italien umstrittenen Euro-Kritiker Savona als Wirtschaftsminister abgelehnt. Die Lega wollte Savona jedoch partout im Kabinett haben. Lega-Chef Salvini reagierte prompt: „An diesem Punkt muss das Wort wieder an euch zurückgegeben werden“, twitterte er. Sollte es dabei bleiben, so dürfte es über kurz oder lang Neuwahlen geben – mit möglicherweise noch stärkeren Rechten!
  • Spanien. Stürzt Premier Rajoy? Die Opposition, aber auch Rajoys Juniorpartner im Parlament fordern seinen Abgang. Am Donnerstag hatte das nationale spanische Gericht erklärt, Rajoys PP habe ein „System von institutioneller Korruption“ unterhalten. In der sogenannten Gürtel-Affäre hätten Unternehmen jahrelang in eine schwarze Kasse der PP eingezahlt, um öffentliche Aufträge zu erhalten. Bisher wurde Rajoy vor allem von Berlin und Brüssel gestützt. Sollte er zum Rücktritt gezwungen werden, so hätten wir eine doppelte Krise in Südeuropa – in Italien und in Spanien.

WAS FEHLT?

  • Deutsch-italienische Freundschaft. In den 60ern war ganz Deutschland in Italien verliebt. Nun machen wir Rom wieder Vorschriften. Das kommt nicht so gut an: „Jemand (unter Druck von wem?) hat uns NEIN gesagt“, twitterte Lega-Chef Salvini. „Wir sind nicht die Sklaven der Deutschen (…) fügte er hinzu. Das riecht nach Ärger – dabei hat Finanzminister Scholz doch alles versucht, um Streit zu vermeiden. Noch am Freitag lobte Scholz in Brüssel die „ausgestreckte Hand“ von Premier Conte. Nun ist Conte futsch, und Deutschland soll an allem schuld sein!?