Gerangel der Gläubiger
Wer führt die Eurozone? Nach dem Streit zwischen Berlin und Brüssel um die Griechenland-Hilfe tun sich neue Risse auf. Belgien, Spanien und die Niederlande begehren auf. Die „Führungsmacht“ Deutschland kann es nicht allen recht machen.
Die Eurozone wird immer disparater. Bisher hatten wir im Euro-Club schon drei Klassen: Die AAA-Länder, geführt von Deutschland, geben den Ton an.
Dann kommen andere Geberländer wie Frankreich und Italien (2. Klasse) – und die Habenichtse wie Griechenland und Zypern, bis vor kurzem auch Spanien, Portugal und Irland (3. Klasse).
Seit dem letzten EU-Gipfel tut sich eine neue, vierte Spaltung auf: Zwischen Deutschland, Frankreich und den EU-Chefs auf der einen – und den anderen Euro-Ländern auf der anderen Seite.
Erstere durften den griechischen Premier Tsipras nach dem offiziellen Gipfel stundenlang ins Gebet nehmen, die anderen mussten leider draußen bleiben.
Benelux gegen Berlin
Das macht nicht nur die Belgier wütend, sondern alle Benelux-Länder und selbst bisher treu ergebene deutsche Verbündete wie Österreich oder Finnland.
Damit nicht genug: Nun streiten auch noch Spanien und die Niederlande um den Vorsitz der Eurogruppe. De Guindos gegen Dijsselbloem heißt der neue Kampf.
Er könnte vor allem für Berlin unangenehm werden – denn Kanzlerin Merkel hat sich für De Guindos ausgesprochen, sie will es sich aber auch mit Holland nicht verscherzen.
Wie ein Mann hinter Mutti?
Wie auch immer sie sich entscheidet – es wird einen Verlierer geben. Zugleich wird der Unmut über die deutsche Hegemonie wachsen.
Letztlich ist der Spaltpilz in der wirtschaftlichen Divergenz der Euro-Länder angelegt. Und die wiederum nährt sich aus dem chronischen deutschen Leistungsbilanz-Überschuss.
Aber das ist ein anderes Thema. Mir geht es vor allem darum, dass die Eurogruppe nicht wie ein Mann hinter Mutti steht, wie es die deutschen Medien gern behaupten…
Beate
24. März 2015 @ 19:03
Ich bin überrascht.
Schäuble hätte nicht anders kommentiert.
Wie wäre es mal mit konstruktiven Vorschlägen wie die EWU besser funktionieren könnte.
Die Lohnsteigerungen im Machinenbau auf die Laufzeit umgerechnet sind lächerlich.
Und liegen unter der Zielinflationsrate von 2% + gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs.
Die Abstände verringern sich optisch durch Lohnsenkungen.
Aber weil das mit Investitionszurückhaltung einhergeht, bricht die Produktivität inklusive Qualität ein.
Deutschland seinen industriellen Kern vergrößert, aber dabei die seiner Nachbarn zerstört.
http://www.flassbeck-economics.de/wie-soll-eine-bessere-steuerung-der-ewu-aussehen-teil-3/
Der Konsum pro Kopf wächst ja gar nicht in Deutschland.
Also steigen die Löhne auch gar nicht.
Das absolut RÄTSELHAFTE.
Die anderen reagieren nicht auf die deutsche Agression.
Können sie das erklären?????
Peter Nemschak
24. März 2015 @ 20:51
Für manche wird es nie genug sein. Nicht nur Eigentum sondern auch Sozialismus ist Diebstahl. Gier und Neid sind die treibenden Faktoren unserer Gesellschaft.
Tim
23. März 2015 @ 17:40
@ ebo
In diesem Dokument steht nichts über die aktuellen Leistungsbilanzsalden Deutschlands mit der restlichen Eurozone. Es handelt auch gar nicht von diesem Teil der deutschen Leistungsbilanz.
Passendes Zahlenmaterial wäre hilfreich …
ebo
23. März 2015 @ 18:29
@Tim
Vielleicht hilft Dir das weiter: http://www.querschuesse.de/deutschland-leistungsbilanz-zu-diversen-landern/
Peter Nemschak
24. März 2015 @ 08:45
Das Anziehen der Konjunktur hat zu einem bereits spürbaren Anstieg der deutschen Löhne in der exportorientierten Maschinenindustrie und damit zu einer Verringerung des Wettbewerbsvorteils geführt. Das zeigt, dass die Marktkräfte für einen Ausgleich sorgen und dirigistisches Eingreifen entbehrlich ist. Einen diesbezüglichen Beitrag in der heutigen NZZ sollten sich jene Leser nicht entgehen lassen, die an einer ausgewogenen Berichterstattung interessiert sind.
GS
24. März 2015 @ 19:11
Zumindest für die Handelsbilanz kann man bei Destatis die Salden ggü. allen Ländern einsehen und dann entsprechend ausrechnen: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Handelspartner/Tabellen/RangfolgeHandelspartner.pdf?__blob=publicationFile
Hab mal grob überschlagen und komme auf etwa 67 Mrd. Euro von insg. 217 Mrd. Euro, davon entfällt die Hälfte auf den Überschuss mit Frankreich. 150 Mrd. Euro Überschuss entstehen also im Handel mit Ländern außerhalb der Eurozone.
Tja, so ist das nun einmal, wenn man Deutschland in eine Weichwährungszone packt.
Tim
23. März 2015 @ 14:53
@ ebo
Gibt es denn noch einen nennenswerten Leistungsbilanz-Überschuß Deutschlands mit der restlichen Eurozone? Kann ich mir kaum vorstellen. Was ist Deine Quelle für diese Information?
ebo
23. März 2015 @ 17:07
EU-Kommission: http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/economic_paper/2014/pdf/ecp516_en.pdf
Peter Nemschak
23. März 2015 @ 17:30
Strukturelle Überschüsse wurden vor Einführung des Euro durch Währungsabwertung der Defizitländer (temporär) beseitigt. Seit dem Euro bietet sich als Alternative eine innere Abwertung an, um die Preisniveaus ins Lot zu bringen. Die Wirkung der inneren Abwertung hängt allerdings von der Preiselastizität der Nachfrage nach internationalen Gütern und Dienstleistungen ab.
winston
24. März 2015 @ 21:25
Deutsche Handelsbilanz vs Eurozone Länder, 85 Mrd. (2014).
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Handelspartner/Tabellen/RangfolgeHandelspartner.pdf?__blob=publicationFile
Nemschak
Währungsab/aufwertungen ist der normale Mechanismus um Handelsungleichgewichte zu beseitigen und wird in der ganzen Welt praktiziert ausser in der Eurozone, also hören sie auf mit interner Abwertung, das ist völliger Blödsinn und wird auch nirgends praktiziert. Fragen sie mal ein Südkoreaner ob er beabsichtigt mit Japan eine Währungsunion zu gründen, er wird sie auslachen. Volkswirtschaften die 70% vom Binnenmarkt abhängig sind kann man nicht schnell mal die Löhne um xx% senken, das ist Voodoo Ökonomie und absoluter Schwachsinn, das wird auch nirgends praktiziert ausser eben in der Eurozone.
Es gibt 3 Gründe wenn eine Währung aufwertet.
I) Die Währung ist eine Reservewährung und wird stark nachgefragt, je grösser der Reservewährungsanteil, desto grösser die Nachfrage.
II) Durch den Export von Waren und Dienstleistungen wird die Währung stark nachgefragt und wertet automatisch auf, (Angebot / Nachfrage).
III) Intervention Zentralbank, man kauft die eigene Währung und verkauft Gold oder Reservewährungen.
Beispiel:
Deutschland hat ein Handelsüberschuss ggü Frankreich von 34 Mrd. €. Hätte Deutschland noch die DM würde die DM automatisch aufwerten ggü den FF, nix Abwertung. Die DM wird teuerer, ergo auch die Deutschen Produkten, in Frankreich sinkt die Nachfrage nach Deutschen Produkten und erhöht sich die Nachfrage nach eigenen Produkten, absolut normaler Vorgang der wie gesagt weltweit praktiziert wird.
Bevor man von deutschen Löhnen redet, sollte man wissen das Deutschland die grösste Zahl an Präkerbeschaftigten aufweist. (10.000.000)
Ich nenne das „modernes Lumpenpräkariat“.
BMW beschäftigt ca. 15.000 Werksarbeiter, nicht selten liegt der Stundenlohn unter 8 € ohne Feriengeld, Weihnachstgeld und sonstigen Zulangen.
Deutschland hat nicht nur eine um ca. 25% Unterbewertete Währung sondern praktiziert auch noch Lohndumping.
Mit solchen Partner gibt’s nur eine Lösung, Euro-Exit, punkt aus. Alles andere ist Wirtschaftlicher Selbstmord.
Peter Nemschak
23. März 2015 @ 11:43
Es fehlt Europa das politische Selbstbewusstsein, der Wille zur Gestaltung durch Macht. Die Wände mit Phrasen des Selbstverständnis vollzupflastern – so geschehen im Europapavillon bei der letzten Weltausstellung in Shanghai 2010 – , ist Ausdruck dieses Mangels, wie Mark Lilla in seinem heutigen Gastkommentar in der NZZ treffend feststellt. Wer über Selbstbewusstsein spricht, dem fehlt es. Daran wird sich in absehbarer Zukunft nichts ändern, allem Wunschdenken jener zum Trotz, die einen europäischen Bundesstaat herbeisehnen. Was das Draußenbleiben der „Kleinen“ bei den Verhandlungen mit der linksradikalen Regierung Griechenlands betrifft, so wirkt ihre Wut ein wenig lächerlich. Was hätten sie schon beitragen können außer mit den Großen mit zu schwimmen; statt Selbstbewusstsein ein Fall von Selbstüberschätzung.
Derdicke
23. März 2015 @ 16:07
Lieber eine demokratisch gewählte linke (wo bitte sind die radikal?) Regierung als eine marktkonforme Demokratie.
Peter Nemschak
23. März 2015 @ 17:24
Besteht ein Widerspruch zwischen Marktwirtschaft und Demokratie? Die Rahmenbedingungen für die Marktwirtschaft sind Ergebnis des demokratischen und rechtsstaatlichen Prozesses.
S.B.
23. März 2015 @ 09:00
Die Eurozone wird nicht nur augenscheinlich immer disparater (es war allerdings realiter nie anders), sondern auch immer desperater.
Und was „unsere“ Mainstreammedien angeht: Naja, lassen wir das lieber. Das Bild, das sie abgeben, ist doch zu traurig…