Ziemlich beste Feinde

Wozu braucht man noch Feinde, wenn man solche Freunde hat? Das fragte EU-Ratspräsident Tusk vor zwei Wochen als Reaktion auf die Politik von US-Präsident Trump. Jetzt will der Pole davon nichts mehr wissen.

Statt seinem besten Feind Trump einfach mal die kalte Schulter zu zeigen, eilt Tusk genau wie Kanzlerin Merkel zum G-7-Gipfel in Kanada. Es gebe keine Alternative zur Zusammenarbeit mit den USA, heißt es in Brüssel.

Wirklich nicht? Man hätte mit einem „no-show“ drohen können (Trump hat darüber nachgedacht). Oder Russland einladen. Oder ankündigen, dies werde der letzte G-7-Gipfel sein, wenn die USA nicht von ihrem Kurs abrücken.

Stattdessen wollen die EUropäer gute Miene zum bösen Spiel machen. Statt über Iran wollen sie über Nordkorea sprechen, statt über Trumps Strafzölle über eine Reform der Welthandelsorganisation WTO. Emanzipation sieht anders aus!

Doch trotz dieses peinlichen Appeasements liegt Streit in der Luft. Trumps Wirtschaftsberater Kudlow drohte schon vorab, der US-Präsident werde bei seiner harten Linie bleiben. „Er lässt nicht locker.“

Gastgeber Kanada kündigte an, dagegenzuhalten und seinen Unmut über die US-Zölle zu äußern. Regierungschef Trudeau sagte „sehr, sehr offene Gespräche“ voraus. Zu gut deutsch heißt das: es wird laut.

Selbst Merkel gibt sich ungewöhnlich kämpferisch. Allerdings hat sie auch ein Interesse daran, den Streit nicht eskalieren zu lassen. Denn Deutschland ist das schwächste Glied in der Kette – wir sind erpressbar!

Wegen des chronischen deutschen Handelsüberschusses und der Abhängigkeit von der Autoindustrie fürchtet Merkel mehr als alle anderen, dass Trump auch Strafzölle auf Mercedes und BMW verhängen könnte.

Wir müssen uns also auf Polit-Theater erster Güte gefasst machen. Eine gemeinsame Abschlusserklärung ist dagegen fraglich geworden. Wenn sie nicht zustande kommt, wär dies eine Premiere – und eine weitere Niederlage für die Transatlantiker…

Siehe auch „Die Transatlantiker haben verloren“

WATCHLIST:

  • Erster Auftritt des neuen italienischen Premiers Conte auf großer Bühne: Beim G-7-Gipfel kann er für neue Aufregung sorgen – oder für mehr Sachlichkeit. Die ersten Entscheidungen der umstrittenen Regierung in Rom sprechen für Letzteres: die teure „Flat tax“ und das noch teurere Bürgergeld wurden auf das kommende Jahr verschoben.
  • Wie wird sich Frankreichs Staatschef Macron in Kanada schlagen? Bei seinem letzten Telefonat mit Trump sollen die Fetzen geflogen sein. Kommt es nun zu einer Charme-Offensive, oder endet diese merkwürdige Männerfreundschaft? Laut „Guardian“ versucht Macron, ein Bündnis gegen Trumps „krude Hegemonie“ zu schmieden…

WAS FEHLT:

  • Die neue Sperrklausel für bzw. gegen DIE PARTEI von M. Sonneborn und anderen Kleinparteien. In geheimen Manövern ist es der Bundesregierung gelungen, Belgien und Italien umzudrehen, die ursprünglich gegen die Klausel waren. Die Nutznießer sind die etablierten deutschen Parteien CDUCSUSPD, die die frei werdenden Sitze unter sich aufteilen…