Yin, Yang und die EZB
Auf den ersten Blick ist der Fall klar: Weil das Bundesverfassungsgericht ernste Zweifel am Anleihen-Kaufprogramm der EZB hat, hat es den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg angerufen – wie schon vor ein paar Jahren. Damals gab der EuGH grünes Licht. Doch diesmal ist es komplizierter.
Denn nun gibt Karlsruhe dem EuGH ganz konkrete Fragen und Prinzipien mit auf den Weg, die die Luxemburger Richter bei ihrem letzten Urteil zu den Kompetenzen der EZB selbst formuliert hatten.
Mehr noch: Sie liefern gleich eine Interpretation. Demnach könnte das aktuelle Anleihe-Programm der EZB das Verbot der (indirekten) Staatsfinanzierung verletzen. Ob dem so ist, soll der EuGH nun anhand der Kriterien aus Karlsruhe klären.
Wenn es gut geht, könne sich daraus ein Zusammenspiel zwischen Karlsruhe und Luxemburg entwickeln, so H. Prantl in der „Süddeutschen“. Die „Richter und ihre Richter“ verhielten sich wie Yin und Yang – passiv der EuGH, aktiv fordernd Karlsruhe.
Das kann man so sehen. Man kann es aber auch so interpretieren, dass sich die deutschen Richter zum Lehrmeister der europäischen Richter aufschwingen – und der EuGH zum Anhängsel von Karlsruhe wird.
Das wäre dann ein weiterer entscheidender Baustein zum „deutschen Europa“. Die EU-Politik wird ja jetzt schon weitgehend von Deutschland bestimmt. Wenn nun auch noch das Recht folgt…
P.S. Mit einer Entscheidung wird in fünf Monaten gerechnet.
Ute Plass
17. August 2017 @ 11:26
„EZB-Geldpolitik – Der nächste Crash kündigt sich an“
Gespräch mit Sahra Wagenknecht
http://www.deutschlandfunk.de/ezb-geldpolitik-naechster-crash-kuendigt-sich-an.694.de.html?dram:article_id=393577
Peter Nemschak
18. August 2017 @ 12:32
Die Aussage von Wagenknecht, dass die Niedrigzinspolitik der EZB ausschließlich die Banken gerettet hat, ist die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte unterschlägt die ökonomisch gebildete Wagenknecht bewusst. Ohne die billige Liquidität der EZB könnten die Banken keine Staatsanleihen ihrer notleidenden Staaten kaufen. Das zeigt, wie durchsichtig und verzerrt die Argumentation der Linken ist.
Peter Nemschak
17. August 2017 @ 09:37
Das Problem besteht im „einfachen“ Verlassen wie der BREXIT zeigt. Interessant, dass Schäuble jüngst die EZB gegen ihre Kritiker verteidigt hat, welche die allzu laxe Geldpolitik der Bank kritisieren. Es scheint, als würde sich der Druck in Richtung (teilweiser) Fiskalunion verstärken. Um deren Führung wird es aber neue Konflikte geben. Deutschland wird jedenfalls seinen Anspruch darauf anmelden. Es gilt wie immer: wer zahlt, schafft an.
ebo
17. August 2017 @ 10:13
Es geht hier weder um Brexit noch Grexit, sondern um das Recht. Ein erzwungener Austritt, wie Sie ihn propagieren, ist eindeutig rechtswidrig
Peter Nemschak
17. August 2017 @ 13:46
Ein erzwungener Austritt wie von Kleopatra, nicht von mir, behauptet, ist rechtswidrig (wer sollte ihn erzwingen?), weil für EU-Mitglieder EU-Recht nationales Recht bricht. Ein freiwilliger Austritt a la BREXIT, um pro futuro EU-Recht nicht mehr zu unterliegen, ist nicht im wirtschaftlichen und politischen Interesse Deutschlands. Deutschland hat sich gut in der EU positioniert und wird als stärkstes Mitgliedsland diese federführend mitgestalten.
Kleopatra
17. August 2017 @ 08:27
Meiner Meinung ist das Hauptproblem, dass beide Gerichte nach unterschiedlichen Rechtsgrundlagen entscheiden (BVerfG nach dem Grundgesetz, der EuGH nach den EU-Verträgen etc.). Es gab seit langem die Frage, ob das BVerfG sich über dem EU-recht sieht oder ihm unterworfen ist (das BVerfG hat sich wie das polnische Verfassungsgericht traditionell über dem Unionsrecht gsehen); seit aber jedes Mitgliedsland die Möglichkeit hat, die EU recht einfach zu verlassen, hätte die Feststellung, dass Unionsrecht der deutschen Verfassung eklatant widerspricht, die mögliche Folge, dass Deutschland seinen Austritt erklären müsste.
Ute Plass
17. August 2017 @ 08:11
@Nemschak – „Es gilt wie immer: wer zahlt schafft an.“
In dieser Logik ist ‚Recht‘ käuflich?
Peter Nemschak
17. August 2017 @ 11:45
Die führende Rolle in der Finanzunion ausüben zu wollen, verstößt nicht gegen geltendes Recht. Macht ist überall im Spiel, wo menschliche Gesellschaften existieren. Das Prinzip galt schon vor Einführung des Geldes: eine soziale Konstante.
Ute Plass
17. August 2017 @ 12:45
„Macht ist überall im Spiel, wo menschliche Gesellschaften existieren“.
Ist schon klar, doch soll „Recht“ dazu beitragen, dass Machtmissbrauch eingedämmt bis verhindert wird.