Wortbruch statt Aufbruch
Was ist eigentlich aus dem “Aufbruch für Europa” geworden, den Kanzlerin Merkel und ihre GroKo versprochen haben? In unserer Sommerserie zeichnen wir den langsamen, aber sicheren Abschied vom Reformversprechen nach. TEIL 1: So enden Macrons Visionen (Repost vom 20.02.18).
Ein eigenes Budget, ein Parlament und einen Finanzminister soll der Euro bekommen – wünscht sich Frankreichs Staatschef Macron. Doch von den hochfliegenden Visionen einer vollständigen und “souveränen” Währungsunion ist nicht viel übrig geblieben.
Zwei deutsche Politiker halten dagegen. Haushaltskommissar Oettinger und Interims-Finanzminister Altmaier (beide CDU) bremsen Macrons Pläne systematisch aus.
Besonders weit gehen die Vorstellungen bei der Zukunft der Eurozone auseinander. Macron fordert einen Euro-Finanzminister, der über ein eigenes milliardenschweres Budget verfügen soll.
Mit dem Geld ließen sich konjunkturelle Schocks abfedern und neue Investitionen anstoßen, so Macron. Das Ziel sei eine „souveräne Währungsunion“, ergänzt Finanzminister Le Maire.
Rückendeckung bekamen beide in der vergangenen Woche von IWF-Chefin Lagarde. Ein Euro-Budget würde „eine antizyklische Finanzpolitik möglich machen, wenn nötig“, sagte die Französin in Paris.
„Wir wissen nur zu gut, dass es Widerstand aus Deutschland gibt“, fügte Lagarde hinzu. Aber es gehe auch um mehr Solidarität in der Eurozone.
Doch Lagarde hat die Rechnung ohne Oettinger gemacht. Merkels Mann in Brüssel ist – genau wie die Kanzlerin – strikt gegen ein eigenes Euro-Budget.
“Neue Schuldenkrisen”
Stattdessen will er „mindestens“ 25 Milliarden Euro aus dem laufenden EU-Budget abzwacken – allerdings erst ab 2021, und das auch noch verteilt über sieben Jahre.
Das sei „lächerlich“, kritisiert der Finanzexperte der Linken, De Masi. Denn so kämen nur 0,03 Prozent des Eurozonen-BIPs zusammen – zu wenig, um etwas zu bewegen.
„Wer die Binnennachfrage in der Eurozone schwächt und auf Leistungsbilanzüberschüsse setzt, wird neue Schuldenkrisen provozieren“, warnt der frühere Europaabgeordnete.
Bittere Pillen
Auch Macrons Ziel, den Euro zu stabilisieren, greift Oettinger nicht auf. Die geplante neue Haushaltslinie ist für andere Zwecke gedacht: Oettinger will Länder wie Bulgarien an den Euro heranführen und Strukturreformen fördern.
Gemeint sind damit vor allem neoliberale Arbeitsmarkt- und Rentenreformen; Oettinger möchte diese bitteren Pillen mit EU-Geld versüßen.
Der CDU-Politiker folgt damit einer umstrittenen Idee von Kanzlerin Merkel. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise wollte sie Länder wie Spanien oder Italien durch „Reformverträge“ zum Umbau der Wirtschaft bewegen.
Durch die Hintertür
Doch der Vorschlag stieß auf massiven Widerstand im Europäischen Rat. Nun kommt er durch die Hintertür der EU-Kommission wieder zurück – Oettinger sei Dank.
Auch Merkels Fiskalpakt, mit dem alle Euro-Länder zur „Schwarzen Null“ verpflichtet werden sollen, steht auf der Agenda der Brüsseler Behörde.
Frankreichs ehemaliger Staatschef Hollande wollte den Pakt noch kippen; sein Nachfolger Macron soll ihn nun schlucken. Wenn es nach Oettinger geht, wird er sogar in EU-Recht überführt…
supergirl
6. August 2018 @ 00:20
Der präsiale pool des Herrn Macron braucht nicht die Antwort, ob er ein Linker oder Rechter oder ein Liberaler ist, der die eu neu gestalten will. Er ist im Fehlerbereich der nächste Kandidat, der die Idee „eu der Bürger des Friedens“ mißbraucht.
Kenyon
1. August 2018 @ 16:20
Unfassbar.
NATO hat anscheinend einen serh großen Anteil , was die Brandkatastrophe in Griechenland angeht.
“Der Einsatz des Militärs zum Zivilschutz hat in Griechenland bereits mehrfach Menschenleben gerettet. Zu guter Letzt sind die hierarchischen Strukturen im Militär im Gegensatz zu denen der Zivilverwaltung in der Praxis funktionsfähig. Dies alles hatte ein Reporter der BBC im Sinn, als er Verteidigungsminister Panos Kammenos fragte, warum das Militär nicht früher und effektiver in die Rettung eingriff. Kammenos antwortete trocken, dass dafür keine Genehmigung der NATO vorgelegen habe”
https://www.heise.de/tp/features/Griechenland-gelaehmt-von-der-Brandkatastrophe-4125874.html
Seit 2009 wurde im Haushalt von Griechenland für das Ressort Katastrophenschutz alles systematisch gestrichen zugunsten der Rüstungsausgaben ( 2% des BIP für die Militärausgaben).
Michelle
31. Juli 2018 @ 20:18
“Zwei deutsche Politiker halten dagegen. Haushaltskommissar Oettinger und Interims-Finanzminister Altmaier (beide CDU) bremsen Macrons Pläne systematisch aus…”
Auch wenn ich überhaupt kein Fan von Macron bin, hier würde ich die Pläne für die Eurozone unterstützen!
ebo
31. Juli 2018 @ 23:11
Leider zu spät, Altmaier und Oettinger haben ganze Arbeit geleistet, von der Euro-Reform ist nur noch eine vage Roadmap übrig geblieben!
Peter Nemschak
30. Juli 2018 @ 11:03
Unter Aufbruch kann man sich unterschiedliches vorstellen. Das bedeutet noch lange keinen Wortbruch. Die Idee eines europäischen FInanzministers ist nicht unumstritten. Brauchen wir ihn wirklich? Warum soll sich Deutschland einer unausgegorenen Vorstellung von Supranationalität beugen. Eine antizyklische Budgetpolitik können bei Bedarf die Regierungschefs auch intergouvernmental vereinbaren. Dazu braucht es keinen europäischen Finanzminister. Es scheint, als würden die Linken systematisch den deutschen Steuerzahler schröpfen wollen. Wenn es um fremdes Geld geht, ist ihnen nichts zu teuer. Bei den deutschen, holländischen und anderen Liberalen hält sich die Begeisterung für Macrons Pläne in Grenzen. Unter den derzeitigen Entscheidungsstrukturen der EU ist eine tiefere finanzielle Integration eher unwahrscheinlich.
ebo
30. Juli 2018 @ 13:06
Der Aufbruch ist Teil des Koalitionsvertrags. Und Macron ist kein Linker, sondern ein Liberaler.
Peter Nemschak
30. Juli 2018 @ 18:56
Arguably. Alle sind nicht alle, sondern vermutlich die Mehrheit, die nicht immer recht haben muss. Die Reaktion des österreichischen Bundespräsidenten auf das Fehlverhalten des FPÖ-Europaabgeordneten Vilimsky gegenüber Juncker zeigt, dass nationale Politik nach wie vor auch bei glühenden Europaanhängern wie dem österreichischen Bundespräsidenten Vorrang besitzt. Nicht der österreichische Bundespräsident sondern der Präsident des Europäischen Parlaments hätte Vilimsky zurechtweisen müssen. Dass Vilimsky Generalsekräter der FPÖ ist, sollte Nebensache sein. Das europäische Parlament kommt im Bewusstsein der Öffentlichkeit hinter den nationalen Institutionen.
Georg Soltau
30. Juli 2018 @ 13:27
Also die Linken sind es wieder… sie schröpfen systematisch den Steuerzahler…und was ist mit den einigen Rechten ? die zahlen keine Steuern, die betrügen gleich!
Baer
30. Juli 2018 @ 08:59
Oettinger ist die gleiche Nullnummer wie Juncker und Altmaier,wie Merkel sowieso.
Das Vermischungs – und Verdummungsprogramm funktioniert perfekt,denn sonst müsste ein Aufschrei durch Deutschland und die EU gehen,aber,still ruht der See.
Ich fürchte den Tag an dem uns unsere Kinder fragen,ob wir das nicht gesehen,und warum nicht verhindert haben.
Claus
30. Juli 2018 @ 07:59
Was ist aus dem „Aufbruch für Europa“ geworden? Die Akteure in Berlin und Brüssel scheinen erkannt zu haben, dass Europa-Phantasien wie die eines Herrn Macron dem Publikum schlichtweg nicht mehr verkäuflich sind, nicht ohne neuen Pump gingen, vermutlich die Verfassungen von Mitgliedsländer verletzen und darüber hinaus ein nettes Förderprogramm für rechte Bewegungen in Europa wären.
Da blickt man auch gern mal auf die nächsten Wahlen, und wer möchte schon, dass danach auf seinem gut dotierten Sessel jemand anders sitzt? Motto „Aufbruch Europa“: Es muss sich was ändern, aber im Moment darf nichts passieren!
ebo
30. Juli 2018 @ 10:10
Sorry, aber der „Aufbruch für Europa“ ist nicht Macrons Idee. Macron wollte eine Neugründung, die m. E. auch notwendig wäre. Der Aufbruch war die Schrumpf-Version von M. Schulz, also ein Brüssel-kompatibles Reförmchen nach deutschem Gusto. Doch selbst dazu ist die GroKo nicht fähig. Nach allem, was man hört, liegt die Verantwortung dafür im Kanzleramt
Peter Nemschak
30. Juli 2018 @ 15:17
Brauchen wir wirklich Neugründung oder Aufbruch oder ist es nicht realistischer am Bestehenden in kleinen umsetzbaren Schritten weiterzuarbeiten? Für Aufbrüche und Neugründungen bedarf es Katastrophen, die es derzeit nicht gibt sondern von jenen herbeigeredet werden, die von Angstmeldungen leben oder politische Münze aus ihnen schlagen wollen. Ungelöste Probleme haben seit eh und je die Menschheit begleitet und werden es auch weiterhin tun. Deshalb wird die Menschheit nicht untergehen.
ebo
30. Juli 2018 @ 16:34
Nach dem Brexit Votum sprachen alle von einem fälligen Neustart der EU. Wenn es so weiter geht, kommt nächstes Jahr ein harter Brexit, und die EU ist immer noch die alte…