Wo Münkler irrt

Deutschland muss weiter von einer großen „Koalition der Mitte“ regiert werden, um EUropa führen zu können. Das schreibt der Politikwissenschaftler H. Münkler, der in Berlin hoch im Kurs steht. Es ist nicht sein einziger Irrtum.


Das „deutsche Europa“ ist out, die „Macht der Mitte“ ist in. Wo U. Beck noch den „Merkiavellismus“ in der Eurokrise kritisierte, lobt Münkler nun die angeblich ausgleichende Rolle Deutschlands.

Okay, sein Buch wurde vor der Flüchtlingskrise geschrieben. Mittlerweile hat er ein neues nachgeschoben, ebenfalls ein Bestseller. Doch Münklers „Mitte“-Doktrin erhebt weiter Geltungs-Anspruch.

Dabei enthält sie mehrere gravierende Fehler. Damit meine ich nicht einmal, dass unser Experte den IWF mit der Weltbank verwechselt und offenbar nicht einmal weiß, wie die Troika funktioniert.

Mir geht es vor allem um die Legende, dass Deutschland unfreiwillig und fast zufällig in die zentrale Position EUropas gerutscht und dort nun unersetzlich und quasi unfehlbar geworden sei.

Dabei hat Berlin sich durch den „Big Bang“, also die große EU-Erweiterungsrunde 2004, gezielt und bewußt in die „Mitte“ Europas gesetzt. Und danach hat es alles getan, die neue Rolle zu verteidigen.

Dazu zählte nicht zuletzt das Dublin-Abkommen, das Deutschland zu einer Insel der Seligen machte, die von keinem Flüchtling mehr legal erreicht werden konnte. Die Nachbarn wurden zum Bollwerk.

Merkel hat Dublin im letzten Herbst kurz ausgesetzt, natürlich im Alleingang, ganz ohne Münklers „Mitte“-Qualitäten der Mäßigung. Nun gilt sie wieder, Berlin will sogar nach Griechenland abschieben.

Durch Neinsagen zur Macht

Auch in der Eurokrise rutschte Deutschland nicht etwa versehentlich in die „Mitte“. Da war zunächst nämlich Frankreich. Erst, als Merkel alle Vorschläge aus Paris abgeblockt hatte, bekam sie die zentrale Rolle.

„Madame Non“ hieß sie damals. Ihr Nein war und ist durch Bundestag und Bundesverfassungsgericht bewehrt, also durch starke Institutionen, die nicht zufällig gegen Brüssel und Paris in Stellung gebracht werden.

Bliebe noch Münklers Behauptung, Deutschland könne nur mit einer gemäßigten Großen Koalition seine zentrale Stellung in EUropa behalten. Das genaue Gegenteil ist der Fall.

Die GroKo ist Teil des Problems

Die GroKo ist das Ergebnis der (Vertrauens-)Krise, die Merkel mit ihrer verfehlten Euro-Rettung ausgelöst hat. Doch sie löst diese Krise nicht, sie schürt sie weiter, wie der Aufstieg der AfD zeigt.

Eine legitime Führungsrolle könnte Berlin nur ausüben, wenn es das demokratische Spiel von Regierung und Opposition wieder zuließe. Deutschland braucht Alternativen, die EU einen Plan B.

Stattdessen versucht Merkel, die GroKo nun auch in Brüssel zu zementieren. Nichts anderes bedeutet nämlich der Versuch, Parlamentspräsident Schulz weiter im Amt zu halten…

Siehe zu diesem Thema auch „Deutschland führt nicht mehr“ und „Warum wir keine starke deutsche Hand brauchen“