Wo Berlin blockiert, wie die Kommission verliert – und Frauen an die Front!?
Die Watchlist EUropa vom 30. Januar 2024 – Heute mit deutschen Bremsmanövern, einer finnischen Wahl-Klatsche und allzu kämpferischen Kandidatinnen für die Europawahl.
In Brüssel hat man es in diesen Tagen ungewöhnlich eilig. Rechtzeitig vor der Europawahl im Juni sollen noch mehrere wichtige EU-Gesetze auf den Weg gebracht werden. Spätestens im März, so heißt es, müsse alles unter Dach und Fach sein.
Doch ausgerechnet das größte EU-Land, Deutschland, spielt nicht mit. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, blockiert Berlin wichtige EU-Gesetze und Initiativen. Beispiele gefällig? In letzter Zeit häufen sie sich.
Eins der wichtigsten neueren EU-Gesetze – der “AI Act” – wird von Berlin infrage gestellt. Weil sich die Ampel-Partner nicht einigen können, könnte das erste Gesetz zur sog. Künstlichen Intelligenz auf der Zielgeraden scheitern.
Heftig wackelt auch das EU-Lieferkettengesetz. Weil die FDP in letzter Minute Bedenken angemeldet hat, könnte die Richtlinie zu Fall kommen. Deutschland geht mit schlechtem Beispiel voran, andere könnten folgen.
Auch eine Richtlinie zum Schutz von Frauen gegen Gewalt stößt auf Widerstand. Berlin blockiert eine EU-weite Definition von Vergewaltigung – prominente Frauen protestieren nun bei Justizminister Buschmann.
Ärger gibt es auch beim Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Noch in der vergangenen Woche hat Deutschland die Verhandlungen im sog. Trilog blockiert. Erst am Freitag einigte man sich dann doch noch auf ein Mandat.
Besonders brisant ist der Streit um die Finanzierung von Waffen für die Ukraine. Deutschland zahlt zwar mehr als andere. Gleichzeitig blockiert Berlin aber eine Einigung auf eine neue Kriegskasse – beim EU-Gipfel droht Streit.
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Diese Beispiele zeigen, dass es mit der viel beschworenen deutschen Führungsrolle in der EU nicht weit her ist. Am Dauer-Gezerre in der Berliner Ampelkoalition könnten sogar noch wichtige EU-Vorhaben scheitern.
Warum hört und liest man davon so wenig? Es könnte daran liegen, dass die EU lieber über Orban redet. Der blockiert derzeit zwar “nur” bei der Ukraine – aber er hat sich als idealer Sündenbock erwiesen, der alle anderen Streithähne eint…
Siehe auch “Streit übers Geld: Berlin bremst bei Waffenhilfe für Ukraine”
News & Updates
- Die EU-Kommission verliert bei Wahlen – schon wieder. Was passiert, wenn sich EU-Kommissare für ein neues Amt zur Wahl stellen? Sie verlieren. Nach Frans Timmermans und Margrethe Vestager musste dies nun auch Jutta Urpilainen erfahren. Die sozialdemokratische Kommissarin für internationale Partnerschaften ist in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Finnland ausgeschieden – mit nur 4,4 Prozent der Stimmen. – Warum lieben die Leute ihre Kommissare nicht?
- Brüssel droht Orban mit Wirtschaftskrieg. Im Streit um eine Finanzspritze von 50 Mrd. Euro für die Ukraine erwägt die EU offenbar, eine Art Wirtschaftskrieg gegen Ungarn zu eröffnen, um Regierungschef Orban zu einem „Ja“ zu zwingen. Damit überschreitet Brüssel gleich mehrere rote Linien. Die Regierung in Orban sprach von Erpressung – doch offenbar lenkt sie mit Blick auf den EU-Gipfel am 1. Februar ein. – mehr hier (Blog)
- EU-Kommission geht auf Distanz zu UNWRA. Nach schweren Vorwürfen gegen Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) will die EU-Kommission ihre Hilfen überprüfen. Die “äußerst schwerwiegenden Anschuldigungen” müssten “unverzüglich” untersucht werden, sagte Kommissionssprecher. Die EU ist einer der größten Geldgeber des UN-Hilfswerks. Nur Belgien, Irland, Dänemark und Spanien stehen noch zu UNWRA.
Das Letzte
Frauen an die Front. Von der Leyen für die CDU. Barley für die SPD. Reintke für die Grünen. Strack-Zimmermann für die FDP. Rackete für die Linke. Bei der Europawahl setzen alle auf Frauen. Nur Frau Wagenknecht tanzt aus der Reihe – denn sie will zwei Männer ins Europaparlament schicken. Ansonsten heißt es: Frauen an die Front! Trauen sich die Männer nicht mehr? Oder entspricht es dem woken Zeitgeist, dass Frauen die Europapolitik prägen? Und wieso geben sich alle so martialisch? Strack-Zimmermann lässt sich als “Eurofighterin” bewerben. Von der Leyen wirbt mit ukrainischen “Kriegshelden”, Barley propagiert den “Kampf gegen Rechts”, Rackete kämpft für den Klimaschutz. Und alle zusammen bekämpfen sie Wagenknecht. – Waren Frauen nicht mal angetreten, einen anderen Stil in die Politik zu tragen? Nicht so Adrenalin-getrieben, mehr kooperativ? In Deutschland sieht man bisher nichts davon...
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KK
31. Januar 2024 @ 15:34
„Brüssel droht Orban mit Wirtschaftskrieg.“
Hier etwas detaillierter: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9469
Das kann man wirklich als nur noch als „Kriegserklärung“ werten – und das ist absolut ungeheuerlich, erklärt die EU doch einem MITGLIEDSLAND zugunsten eines DRITTLANDES den Wirtschaftskrieg. Gehts noch?
Was, bitteschön, ist denn daran noch „Union“? Wer solche Unions“partner“ hat, der braucht wahrlich keinen Feind mehr.
Geben die europäischen Verträge sowas überhaupt her, gibt es dafür auch nur ansatzweise irgendeine Rechtsgrundlage?
KK
30. Januar 2024 @ 14:02
“Warum lieben die Leute ihre Kommissare nicht?”
Vielleicht hat Falco damals der Kommissare Ego zu sehr aufgemotzt, und langsam geht das den Bürgern so auf den Glückskeks, dass sie das eben nicht mehr nur stumm hinnehmen wollen?
“Schau, schau, der Kommissar geht um – oh, oh, oh
Er hat die Kraft und wir san klein und dumm
Und dieser Frust macht uns stumm”
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“Waren Frauen nicht mal angetreten, einen anderen Stil in die Politik zu tragen?”
Wieso, den anderen Stil haben wir doch: Kriegsgeil und Spass dabei! (Testosteron wird überschätzt! Sieht man ja vielleicht auch daran, dass BSW als einzige der genannten Parteien sich für Frieden stark macht und ebenso solitär mit zwei Männern statt einer Frau antritt.)
Monika
30. Januar 2024 @ 11:20
Frauen in die „große Politik“… Wenn die anliegenden Arbeiten sich nicht mehr weiterdelegieren lassen, wenn das „System“ nicht mehr so recht geschmeidig läuft, wenn mann sich die Finger verbrennen kann und wenn mann Sündenböcke zum aus dem Dorf jagen braucht, damit mann bei der Neuaufstellung wieder „zu sich“ kommt und für die nächsten Jahrzehnte Frauen als erwiesene Versager verbannen kann, dann bitte überall Frauen „an die Front“. Natürlich entsprechend minderwertig sekundiert wenn sie sich breitschlagen liessen, den Scheißjob zu übernehmen…
KK
30. Januar 2024 @ 14:07
Seh ich im Fall von der Leyen anders – ihre intransparenten Mauscheleien und mit an krimineller Energie grenzender Chuzpe durchgezogenen Verschleierungen hätte sich ein Mann entweder nicht getraut, oder er hätte nach solchen Aktionen in einem nationalen Regierungsamt keine zweite Gelegenheit bekommen, als Kommissionspräsident noch einen draufzusetzen – und schon gar nicht dann mit derselben Methode wieder ungeschoren davonzukommen.
Monika
31. Januar 2024 @ 11:55
@ KK als männliches Pendant zu vdL fällt mir spontan nur Oettinger ein… Nach dem Überschlafen meines Kommentars und ihren Anmerkungen komme ich nun eher zu der Ansicht, es ist gar kein femisistisches Mann/Frau-Ding, sondern geht darum wer – egal ob Männlein oder Weiblein – sich leichter instrumentalisieren lässt und diese „expertokratisdche“ Linie dann konsequenter durchzieht.
KK
31. Januar 2024 @ 15:16
Ich denke nicht, dass man vdL instrumentalisieren muss – die hat das alles im Elternhaus quasi mit der Mutter- bzw. eher Vatermilch aufgesogen. Und ohne dieses Elternhaus hätten wir die auch nie in der Politik so weit vorankommen sehen.
Oder warum finden ihre intransparenten Mauscheleien inkl. verschwundener SMS mit genau den Firmen statt, wo einige ihrer engsten Familienangehörigen in Lohn und Brot sind? Gelernt ist gelernt, man steht über den Dingen!
Übrigens nimmt es die Familie offenbar auch sonst mit Gesetzen nicht so genau und hat wohl an den richtigen Stellen willige Helfer bei deren Umgehung, zB beim Friedhofszwang des Landes Niedersachsen (s. Wikipedia-Eintrag zu Ernst Albrecht).