“Wir sind die Größten”

Kontinuität, Stabilität, Solidarität: In der Europapolitik sind das die Schlüsselworte des Koalitionsvertrages, den CDU/CSU und SPD  geschlossen haben. Ein Kurswechsel zeichnet sich weder beim Binnenmarkt noch bei der Währungsunion ab. Auf die EU kommen deutsche Zeiten zu.

Der SPD ist es zwar gelungen, einige neue soziale Akzente zu setzen. Solidarität soll es aber wie bisher nur unter strikten Konditionen geben; Eurobonds oder ein gemeinsamer Schuldentilgungsfonds werden abgelehnt.

Auch eine Neuorientierung der deutschen Wirtschaftspolitik ist nicht zu erwarten: Die neue große Koalition bekennt sich ausdrücklich zum umstrittenen Exportmodell und präsentiert Deutschland selbstbewußt als erfolgreichstes Land der EU.

Zudem setzt sie sich zum Ziel, die Bundesrepublik zum „digitalen Wachstumsland Nummer 1“ zu machen. Kurz: CDU/CSU und SPD wollen den anderen Europäern zeigen, wo der Hammer hängt…

Hier die wichtigsten europapolitischen Aussagen:

  • Zukunft der EU und der EMU: Die Koalition bekennt sich zwar zu einem demokratischen Europa, will jedoch keine Referenden zu europapolitischen Fragen einführen. Auch eine Direktwahl eines EU-Präsidenten oder die Schaffung eines EU-Finanzministers sind nicht geplant. Jede Form der Vergemeinschaft von Staatsschulden wird abgelehnt. Demggenüber werden die von Kanzlerin Merkel geplanten Reformverträge unterstützt. „Wir werden die vertraglichen Grundlagen der Wirtschafts und Währungsunion anpassen“, heißt es abschließend – wobei unklar bleibt, worauf sich die bezieht (siehe auch “Angies verflixte Agenda”).
  • EU-Budget: Berlin will das Budget bei der 2016 geplanten Revision stärker auf Wachstum, Beschäftigung und Innovation ausrichten. Zudem drängt die Koalition auf eine rasche Umsetzung des Wachstumspakts (siehe auch: “Kein Zukunftsbudget”).
  • Soziales Europa: Die Koalition will die „soziale Dimension“ stärken und das Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit konsequent umsetzen. „Auch werden wir einen gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt fördern“. Heißt es in dem Programm. Eine gemeinsame Arbeitslosenkasse ist jedoch nicht geplant (siehe auch “Soziales Europa adé”).
  • Bankenunion: Die Koalition bekennt sich im Prinzip zur geplanten Bankenunion. Sie stellt jedoch Bedingungen für den neuen Abwicklungsmechanismus und für den Zugriff auf den Rettungsfonds ESM. Die Abwicklung müsse auf einer „rechtssicheren Grundlage“ beruhen und „ausreichenden Schut für die Budgethoheit der Mitgliedstaaten“ bieten. Eine Rekapitaliserung von Banken aus dem ESM soll erst dann möglich sein, wenn die EZB die Bankenaufsicht übernommen hat un der Bundestag grünes Licht gibt. Sie soll auf ein Volumen von 60 Mrd. Euro begrenzt werden. (Siehe auch “GroKo wickelt Bankenunion ab”)
  • Finanzpolitik: Bereits 2015 soll es im Bund keine Neuverschuldung mehr geben. Allerdings ist unklar, wie die von er Koalition vorgesehenen Mehrausgaben von 23 Mrd. Euro in den nächsten vier Jahren finanziert werden sollen. Eine expansive Finanzpolitik ist nicht geplant, auch Zukunftsinvestitionen sind Mangelware (siehe auch “Kröten für die Koalition”)

Insgesamt bleibt die von der SPD vage versprochene, aber überfällige Politikwende aus. Die Sozis haben Merkels Dogma “Wettbewerbsfähigkeit” geschluckt und sich mit einem Rückbau der EU abgefunden.

Mit diesem Programm werden sich die enormen Herausforderungen jedoch nicht lösen lassen. Und SPD-Vormann Schulz wird größte Mühe haben, zu erklären, warum man bei der Europawahl noch für ihn stimmen soll…