“Wiederaufbau” unter Bomben, das Risiko Erdogan – und (kein) Alarm bei Affenpocken

Die Watchlist EUropa vom 05. Juli 2022 –

Der Krieg in der Ukraine ist noch längst nicht zu Ende. Russland meldet jeden Tag neue, herbeigebombte “Erfolge”. Das hindert die Regierung in Kiew nicht daran, jetzt schon über den Wiederaufbau zu reden – und Geld zu fordern. Mindestens 750 Mrd. Dollar dürften es schon sein, sagte Regierungschef Denys Schmyhal bei einer internationalen Konferenz in Lugano in der Schweiz. Die EU erklärte sich bereit, einen Großteil der Kosten zu übernehmen und die internationale Hilfe zu koordinieren.

Zur Finanzierung setzt die Ukraine vor allem auf die westlichen Sanktionen gegen Russland – und auf die EU. Rund 300 bis 500 Mrd. Dollar könnten aus dem eingefrorenen russischem Vermögen kommen, so Schmyhal. Dabei geht es um Zentralbank-Vermögen im Wert von geschätzten 300 Mrd. sowie den Besitz von sanktionierten russischen Oligarchen.

Allerdings ist es überaus schwierig, eingefrorene Vermögenswerte zu konfiszieren und umzuwidmen. Dem stehen große, womöglich unüberwindbare rechtliche Hürden entgegen.

Den Oligarchen müsste eine direkte Verantwortung für den Krieg oder ein Verstoß gegen EU-Sanktionen nachgewiesen werden. Die Devisenreserven der russischen Zentralbank gelten als sakrosankt; mit ihrer Konfiszierung könnte der Westen einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen.

Finanzierung nicht gesichert

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Auch die Finanzierung durch die EU steht auf wackligen Füssen. Die Kassen in Brüssel sind leer, die EU-Kommission hat daher bereits ebenfalls den Rückgriff auf russisches Vermögen erwogen.

Von der Leyen hat auch eine Schuldenfinanzierung nach dem Vorbild des Corona-Aufbaufonds ins Gespräch gebracht. Dies stößt jedoch auf massiven Widerstand u.a. in Deutschland.

In Lugano wichen von der Leyen und Dombrovskis diesen ungelösten Fragen aus. Sie warben für eine „Plattform“ zum Wiederaufbau, die bei der EU-Kommission eingerichtet werden könnte.

Brüssel zahlt, Kiew bestimmt?

Damit will sich Brüssel noch mehr Macht sichern. Beim nunmehr geplanten EU-Beitritt der Ukraine gibt sie ja auch schon den Takt vor. Mit der “Plattform” würde sich von der Leyen den Zugriff auf alle Entscheidungen sichern.

Allerdings sieht sie weiter davon ab, für den Frieden zu sorgen, der einen Wiederaufbau ja eigentlich erst möglich macht. Auch auf die Aufbau-Ziele der Ukraine will die Kommission – zumindest offiziell – keinen Einfluß nehmen.

„Am Ende des Tages muß die Ukraine die Verantwortung übernehmen“, sagte Dombrovskis. Der Wiederaufbau müsse von Kiew vorangetrieben werden. Anders gesagt: Wir zahlen, ihr bestimmt. Wie glaubwürdig ist das denn?

Siehe auch “Wer zahlt, schafft an – auch in der Ukraine”

Watchlist

Stürzt die Türkei die Nato in eine neue Krise? Diese Frage stellt sich, wenn das Bündnis an diesem Dienstag in Brüssel formell die Aufnahme von Finnland und Schweden beschließt. Denn das “Risiko Erdogan” bleibt, wie das “Handelsblatt” schreibt. Sultan Erdogan drohe erneut mit einem Veto. Er fordert von Schweden , 73 “Terroristen” an die Türkei auszuliefern. Die Folge: Es bahnt sich ein neuer diplomatischer Streit an… Mehr hier

Was fehlt

Eine europäische Strategie gegen die Affenpocken. Angesichts einer Verdreifachung der Infektionen in zwei Wochen hat die Weltgesundheitsorganisation die europäischen Länder zum Eingreifen aufgefordert. Sie müssten ihre Anstrengungen verstärken, um zu verhindern, dass die Affenpocken “sich in einem größeren geografischen Gebiet festsetzen”. Doch die neuerdings zuständige EU-Kommission hält still, Alarm schlägt sie bisher nicht.