Wie (und mit wem) die AfD im Europaparlament stimmt
Niemals mit der AfD, heißt es in Berlin. Doch in Straßburg gelten offenbar andere Gesetze. Hier stimmt die “pro-europäische” Mehrheit auch schon ‘mal mit den Rechten – kurz danach schert die AfD dann wieder aus.
Das hat sich heute bei zwei wichtigen Abstimmungen gezeigt. Bei der ersten ging es um ein Freihandelsabkommen mit Vietnam, bei der zweiten um einen Handelsdeal mit Großbritannien.
Die AfD hat – gemeinsam mit CDU, CSU, FDP und SPD – für den Vietnam-Deal gestimmt. Und das, obwohl in dem Land ein kommunistisches Regime herrscht, das Menschenrechte mißachtet.
Grüne und Linke stimmten dagegen.
Und wie begründet die AfD ihr Votum? “Wohlstand durch Handel, nicht durch linksideologische Entwicklungspolitik”, schreibt der Europaabgeordnete Maximilian Krah.
Sein “Ja” begründet er ganz ähnlich wie die ehemaligen Volksparteien: Das Abkommen habe “Modellcharakter für die Entwicklungspolitik”. Und dann teilt er gegen die Grünen aus, Zitat:
Dass die Grünen ein Freihandelsabkommen mit dem Vietnam ablehnen, unterstreicht deren mangelndes Verständnis für außen- und handelspolitische Zusammenhänge. Während sie einerseits ständig vor einer immer stärkeren Abhängigkeit von China warnen, drängen sie Vietnam durch ihre Ablehnung dieses Freihandelsabkommens in eine solche. Grüne Bigotterie ist genauso grenzenlos wie Deutschland!‘‘
MEP M. Krah (AfD)
Abgrenzung gegen Grüne und Linke, nicht gegen die “bürgerliche Mitte” – das haben wir heute in Straßburg erlebt. Und keinen hat es gestört, wie es scheint.
Ganz anders trat die AfD dagegen bei Großbritannien auf. Da verließ sie den Mainstream – und votierte gegen eine Entschließung, die geharnischte Bedingungen für einen Handelsdeal enthält.
“EU knebelt Briten”, ist die Pressemitteilung von AfD-Mann Gunnar Beck überschrieben. Von den harten Bedingungen, die die Pro-Europäer (incl. Grüne und LInke) stellen, hält er gar nichts, Zitat:
Dass einer von zwei souveränen Vertragspartnern in einem bilateralen Vertrag weiterhin der Gerichtsbarkeit des Anderen unterworfen bleibt, erinnert an die Knebelverträge, die die Europäer im 19. Jahrhundert China aufzwangen. Durch einen solchen Knebelvertrag würden die Briten de facto im Binnenmarkt gehalten werden.
MEP G. Beck (AfD)
Offenbar hegt die AfD weiter Sympathien für Premier Johnson und die Brexiters. Politisch geht von diesem “Nein” die Botschaft aus, dass man Johnson freie Hand lassen will – hoch lebe der Manchester-Kapitalismus!?
Siehe auch “Die Rechten geben sich plötzlich pro-europäisch”
Peter Nemschak
14. Februar 2020 @ 17:02
@ebo Die anderen Parteien hätten den gewählten Ministerpräsidenten der FDP gegen politische Zugeständnisse und Ministerposten unterstützen können. Damit wäre der AfD-Vorstoß gescheitert. Das Volk wählt die Abgeordneten, die danach im Rahmen ihres freien Mandats entscheiden, welche Koalitionen sie bilden und wie sie sich organisieren. Über kurz oder lang wird die AfD zumindest auf Länderebene Teil von Koalitionsregierungen werden. Das ist auf Grund ihrer wachsenden Stärke auf Dauer nicht zu vermeiden. Die Wahlen in Thüringen haben gezeigt, dass nicht nur am rechten sondern auch am linken Rand ein nicht zu übersehendes extremistisches Potential besteht.
ebo
14. Februar 2020 @ 17:09
Sie irren sich. Ohne AfD hätte der FDP-Kandidat keine Mehrheit gefunden. Es gibt in Thüringen nur eine Mehrheit mit der Linken oder mit der AfD, das ist die neue Lage.
Stefan Gran
13. Februar 2020 @ 10:16
Sorry Eric, das ist jetzt aber wirklich Bildzeitungsniveau. Die Überschrift suggeriert, dass hier gemeinsame Sache mit der AfD gemacht wird und das ist hier in keinster Weise der Fall und das weißt Du auch. Ich finde das Ergebnis der Abstimmung auch nicht toll und hätte dem Abkommen nicht zugestimmt, aber daraus jetzt eine AfD-Geschichte zu machen und die anderen Parteien damit in Verbindung zu bringen ist wirklich unmöglich!
ebo
13. Februar 2020 @ 11:26
Es geht mir darum, die Politik der AfD kenntlich zu machen: Gegen Grüne und Linke, für Freihandel und neoliberale Politik. Die Pro-Europäer sollten sich, wenn sie eine andere Politik verfolgen, klar von der AfD abgrenzen. Stattdessen gibt es im Europaparlament immer wieder Abstimmungen, die mithilfe von AfD und ECR gewonnen werden. Beim Vietnam-Deal hätte es wohl auch ohne AfD für eine Mehrheit gereicht. Das macht den Deal allerdings nicht besser…
Zitat aus dem “Handeslblatt”:
Die Handelspolitik der EU macht in Asien einen konfusen Eindruck. An ein und demselben Tag hat die Europäische Union gestern ein weitreichendes Handelsabkommen mit Vietnam auf den Weg gebracht – und gleichzeitig neue Hürden für den Handel mit Kambodscha aufgebaut. Dort handelt es sich quasi um Sanktionen wegen der Menschenrechtslage, die sich immer weiter verschlechtert. In Vietnam, einem kommunistisch regierten Ein-Parteien-Staat, hat man die ebenso schlechte Menschenrechtslage im Handelsabkommen dagegen weitgehend ignoriert.
Kleopatra
13. Februar 2020 @ 09:14
Die in diesem Beitrag impizierte Forderung, kein anständiger Mensch dürfe jemals so abstimmen wie die AfD, führt – wenn konsequent beachtet – zu absurden Ergebnissen: Letztlich könnte dann ja die AfD die Annahme jedes Vorschlags verhindern, indem sie ankündigt, für ihn zu stimmen,und dadurch die Gegenseite zwingt, dagegen zu stimmen. Ich erinnere an das absurde Theater in Thüringen, wo gegenwärtig die AfD darüber diskutiert, für B.Ramelow als Ministerpräsidenten zu stimmen, und dieser sowie seine Partei darauf schon geradezu hysterisch reagiert.
Man wird nie sein Abstimmungsverhalten von solchen durchgeknallten Exemplaren der Menschhheit abhängig machen dürfen; lieber soll jeder Abgeordnete so abstmmen, wie er es für vernünftig hält. Das Europäische Parlament hat erst recht so extreme Mitglieder, dass es arbeitsunfühig würde, wenn seine Mehrheit immer nach dem Prinzip“nie mit denen“ abstimmen wollte.
Schließlch wird ein Argument ja nicht deshalb ungültig, weil ein Idiot für dasselbe Ziel eintritt. Man muss letztlich damit leben, dass auch die AfD-Abgeordneten nur Abgeordnete sind und das Recht haben, so abzustimmen, wie sie abstimmen.
Peter Nemschak
13. Februar 2020 @ 19:52
Danke für die realistische Einschätzung. Man muss der AfD die Chance geben in den demokratischen Prozess hineingezogen, dort aufgerieben zu werden und zu scheitern. Sonst wird sie als Außenseiterin immer stärker.
ebo
14. Februar 2020 @ 09:55
Die AfD will den demokratischen Prozess ad absurdum führen, wie sich in Thüringen gezeigt hat. Sie stellt einen eigenen Kandidaten auf und gibt ihm dann keine einzige Stimme – und das nur, um FDP und CDU vorzuführen!
Baer
13. Februar 2020 @ 08:22
Knebelverträge gibt es auch seitens der USA gegen Deutschland,siehe Abhörung durch NSA.