Wie sich Seehofer (s)ein neues Asylsystem vorstellt
Eigentlich soll die neue EU-Kommission eine Asylreform vorlegen, die das gescheiterte Dublin-System ersetzt. Doch nun prescht Innenminister Seehofer vor – auf einer (fast) geheimen Konferenz.
Es war beim G6-Treffen der Innenminister in München, wo Seehofer seine Ideen präsentierte. Den G6 gehören neben Deutschland auch Frankreich, Italien, Polen, Spanien und Großbritannien an.
Auch US-Politiker waren zu dem zweitägigen Treffen eingeladen, ebenso wie der Jüdische Weltkongress. Nur die Öffentlichkeit mußte leider draußenbleiben. Dafür gab’s zum Schluß eine Pressekonferenz.
Was Seehofer da sagte, hat es in sich. “Wir müssen feststellen, dass das Dublin-Verfahren gescheitert ist”, erklärte er. Deshalb müssten Asylbewerber künftig schon an den EU-Außengrenzen abgelehnt und “rückgeführt” werden. Das soll dann die EU-Grenzbehörde Frontex erledigen.
Nur Asylbewerber mit Aussicht auf Schutz in Europa sollten künftig noch eine Chance haben, weiterzureisen. Sie sollen auf eine Gruppe von EU-Ländern verteilt werden, die sich dazu bereit erklären.
Diese Länder sollten den Asylanspruch dann endgültig klären, so Seehofer. Das neue System will er nun mit Hochdruck vorantreiben, damit es pünktlich zum deutschen EU-Vorsitz im Juli 2020 fertig ist.
Und was soll dann von der Leyen noch machen? Den Seehofer-Plan einfach abnicken? Bisher funktioniert ja nicht einmal die bescheidene Quotenregelung für Bootsflüchtlinge., die der CSU-Politiker vorgeschlagen hat…
Siehe auch “Eine neue Flüchtlingsquote? Schau’n mer mal”
Kwasir
31. Oktober 2019 @ 15:56
Das könnte aber lustig werden, wenn ein besonders gut ausgebildeter und fähiger Bewerber aus der IT Branche oder dem Altenpflegebereich, der nach Deutschland will in einer EU Delegation (Aussenstelle ?) von einem polnischen/ungarischen … Beamten abgelehnt würde … Zu erwarten, dass die EU die Kompetenz erhalten wird, Asylanträge/Einreisebegehren nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorgaben zu entscheiden, das ist bestenfalls Tagträumerei, ebenso wie die Ausstattung der Außenstellen mit mindestens einem nationalen Beamten (27/28 z.B. in Libyen oder Syrien oder sonstigen Kriegsgebieten
Peter Nemschak
30. Oktober 2019 @ 17:36
@Kleopatra Man könnte Migrationsanträge bereits im Herkunftsland der Migranten stellen und vor Ort durch Außenstellen der EU prüfen lassen. Die Aufnahmebedingungen jedes EU-Landes würden in den Außenstellen aufliegen und potentiellen Migranten bekannt sein.
Claus
30. Oktober 2019 @ 10:01
“Nur Asylbewerber mit Aussicht auf Schutz in Europa sollten künftig noch eine Chance haben, weiterzureisen.”
Und wie soll die Prüfung, ob eine Aussicht auf Schutz besteht oder nicht, an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden? An wie vielen Stellen? Mit welchem personellen und administrativen Aufwand? Wie, wo und wie lange sind die Asylbewerber „an EU-Außengrenzen“ zur Prüfung der Identität und des Asylanspruchs unterzubringen und zu versorgen?
Stünde das Verfahren nicht ohnehin im Widerspruch zu dem von den meisten EU-Ländern ratifizierten UN-Migrationspakt, der „Flüchtlinge“ und „Migranten“ nicht mehr unterscheidet und ihnen gegenüber ihren Zielländern erhebliche Privilegien einräumt?
Fragen über Fragen – oder besser „Seehofer allein zuhause“?
ebo
30. Oktober 2019 @ 10:58
Danke für den Kommentar, Pro Asyl stellt ganz ähnliche Fragen 🙂
Kleopatra
30. Oktober 2019 @ 09:25
Solange die EU-Staaten unterschiedliche, im nationalen Recht verankerte Kriterien für die Asylgewährung haben, ist es nicht möglich, an der EU-Außengrenze über die Berechtigung eines Asylantrags zu entscheiden – denn nach welchen Kriterien würde entschieden, welches Recht auf einen Antragsteller angewandt wird? Will man – als Extremvariante – jeden dem Mitgliedstaat zuweisen, der ihm am ehesten Asyl gewähren würde (das wäre in vielen, aber keineswegs allen Fällen Deutschland); und würde ein solches Prinzip nicht einen Wettlauf um das restriktivste Asylrecht auslösen? Oder soll man umgekehrt jeden abweisen bzw. in die Heimat deportieren, der auch nur von einem Mitgliedstaat abgelehnt würde? Oder würde man nach einem Zufalls- oder Turnusprinzip jedem willkürlich ein nationales Recht zuweisen – aber wie ließe sich das rechtfertigen?
Merkwürdig finde ich die Einladung an den Jüdischen Weltkongress. Ich habe den Eindruck, dass deutsche Politiker hier eine jüdische Organisation als humanitäres Feigenblatt missbrauchen; die Botschaft, die vermittelt werden soll, dürfte sein: “da ‘die Juden’ mit mir sind, ist jeder, der gegen meinen Vorschlag ist, ein Antisemit und verkappter Nazi”.
Peter Nemschak
29. Oktober 2019 @ 19:13
Wer soll in Zukunft Anspruch auf Asyl in der EU haben ? Wie groß ist der Kreis der auf Grund der geltenden Rechtslage Anspruchsberechtigten ? Müssen wir ihn vielleicht im Interesse unserer Wohlfahrtsstaaten und der dort lebenden Bevölkerung enger ziehen ?