Wie Macron sein Land spaltet
Frankreichs neuer Staatschef Macron war mit dem Versprechen angetreten, sein Land zu einen. Doch nun spaltet er die französische Gesellschaft – mit seiner Arbeitsmarktreform und bösen Worten.
Erst hat Macron seine “Loi travail” durch das Parlament gepeitscht – im Eiltempo, ohne das übliche Gesetzgebungs-Verfahren. Nun beschimpft er Kritiker und Gegner als “Faulenzer” und “Zyniker”.
Die bösen Worte fielen schon am Freitag, bei Macrons Besuch in Athen. Doch sie zünden erst jetzt, da die Gewerkschaft CGT ihren ersten Aktionstag gegen die Flexibilisierung der Arbeit abhält.
Offenbar sind mehr Menschen auf die Straßen gegangen, als erwartet. Sie sind wütend auf einen Präsidenten, von dem sie sich mißachtet und provoziert fühlen. Der “Faulenzer” schafft böses Blut.
“Das war ungeschickt und könnte ihn noch lange verfolgen”, urteilt “Le Soir” aus Brüssel. Kritisch äußert sich auch “Le Monde” aus Paris in einer ausführlichen Analyse der Reform. Zitat:
La réforme Macron n’introduit pas une « flexisécurité » tant elle est déséquilibrée. Elle penche fortement du côté de la flexibilité et offre peu de droits nouveaux aux salariés. Rien n’assure que, en facilitant les licenciements – ce qui, aux yeux de Véronique Descacq, secrétaire générale adjointe de la CFDT, relève d’une« câlinothérapie au patronat le plus bête d’Europe » –, elle réduira le chômage.
Zu gut deutsch: Die Reform ist unausgewogen, sie bringt nicht die versprochene “Flexicurity” – und nichts garantiert, dass nun die Arbeitslosigkeit sinkt. Dennoch loben Brüssel und Berlin den Präsidenten.
Der “Spiegel” bringt sogar eine Jubelstory unter dem Titel “Wie Macron sein Land neu erfindet”. Mag sein. Doch zumindest heute wäre der passendere Titel: “Wie Macron sein Land spaltet”…
Freiberufler
13. September 2017 @ 11:19
Mal schauen, ob er das Land spaltet oder einfach nur gegen sich aufbringt. In Frankreich ist das Ansehen der Politik(er) noch miserabler als in Deutschland. Wenig vereint die Franzosen mehr als der Hass auf „die da oben“. Sollte Macron tatsächlich eine Spaltung gelingen, könnte man darin sogar einen innenpolitischen Erfolg sehen…
Winston
13. September 2017 @ 06:49
Kommt es zum Euro break-up, muss Deutschland gezwungener masse die Binnennachfragen anfeuern, will es nicht komplett absaufen und das geht nur durch steigende Löhne. Die Lebensqualität steigt und die Deutschen können wieder billig Ferien machen in USA, Kanada, Australien, Frankreich und auch in Südeuropa.
Winston
13. September 2017 @ 06:41
Nemschak
Selten so ein Blödsinn gelesen. Frankreich wertete wegen nicht funktionierenden Sozialpartnerschaften ab.
Währungsmechanismen haben absolut nix mit irgend welchen Sozialpartnerschaften zu tun. Mann o mann.
Nicht Frankreich wertete ab, sondern Deutschland wertete auf aufgrund seiner Exportüberschüsse. Wenn man mehr Exportiert als Importiert steigt automatisch die Nachfrage nach DMs und die DM wertet auf. Die DM wertete nicht nur gegen Frankreich und Südeuropa auf, sondern auch ggü Kanada, UK, USA, Finnland, Schweden, Norwegen, Australien und sogar ggü seinen Satelittenstaaten Benelux und Österreich auch wenn viel geringer. Nur Japan wertete ggü der DM nicht ab. Japan ist wie Deutschland ein Exportfixiertes Land. Der Euro ist nix anders als eine gigantische Subvention ggü der Deutschen Industrie. Das waren schon die Währungsschlange und der EWS I+II.
Peter Nemschak
13. September 2017 @ 09:49
Sie irren. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft hängt sehr stark mit der Lohnpolitik zusammen, die eine Funktion des Sozialpartnerverhaltens ist. Ein Eurobreak-up kann in Deutschland zu einer tiefen Rezession und hoher Arbeitslosigkeit führen. Vergessen Sie die billigen Ferien.
Peter Nemschak
12. September 2017 @ 18:17
Das Geschrei der kommunistischen Gewerkschaften war zu erwarten. Nicht Macron hat Frankreich gespalten sondern Frankreich war immer ein gespaltenes Land ohne funktionierende Sozialpartnerschaft. Deshalb kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu Währungsabwertungen des französischen Francs. Old habits die hard. Auf diese Weise wird Frankreich den wirtschaftlichen Anschluss an Deutschland nicht schaffen.
hintermbusch
12. September 2017 @ 22:01
„Deshalb kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu Währungsabwertungen des französischen Francs.“
Der Zusammenhang ist korrekt. Er besagt, dass die Währungsunion und die unterschiedlichen Mentalitäten in ihren Mitgliedsstaaten nicht zusammenpassen.
Die „Sozialpartnerschaft“ in Deutschland ist praktisch ein Euphemismus für „Korporatismus“. Das ist zunächst ein gesellschaftliches Modell mit Vor- und Nachteilen. Sie aber erklären es zur höchsten Daseinsform, zu der alle Gesellschaften aufsteigen müssen. Was aber passiert, wenn anderen Gesellschaften dieses Modell wesensfremd ist. Müssen sie dann dafür geopfert werden?
Oudejans
12. September 2017 @ 23:49
>>”Müssen sie dann dafür geopfert werden?”
Nur, wenn sie sich nicht anschließen. Man muß mit Augenmaß vorgehen. Ich beispielsweise würde es strikt befürworten, daß in französischen Familien auch weiterhin privat französisch gesprochen werden darf. Die westfränkischen Kernwaffen sind im Reparationsstreit mit “Polen” goldwert.
Peter Nemschak
13. September 2017 @ 09:45
Wenn Frankreich nicht ewig die zweite Geige hinter Deutschland spielen will, muss es sein Sozialmodell verändern. You cannot eat the cake and have it. Ihre Argumentation ist statisch. In den letzten Jahren hat sich auch die französische Gesellschaft verändert. Die kommunistische Gewerkschaft ist nicht repräsentativ für das Land. Nachdem Macron nicht zu jenen Politikern gehört, die reden, um zu verstehen was sie selber gedacht haben, scheint mir seine Wortwahl taktisch bestimmt. Die CGT und ihre Mitläufer als Faulenzer und Zyniker zu bezeichnen, trifft den Nagel auf den Kopf. Es gibt in Frankreich auch gemäßigte Gewerkschaften, die im Wettbewerb zur CGT stehen. Es liegt an ihnen, die Gegenleistungen für die Arbeitsmarktreform des Präsidenten zu definieren und einzufordern. Dass Macron seine Arbeitsmarktreform im Hintergrund den gemäßigten Kräften erklärt und ihre Zustimmung gesucht hat, liegt auf der Hand.