Wie es mit Polen weitergeht, wie Deutschland den Märkten huldigt – und Big Brother Studie

Die Watchlist EUropa vom 26. Oktober 2021 –

Wie geht es mit Polen weiter? Diese Frage ist beim EU-Gipfel letzte Woche offen geblieben. Die jüngste Warnung aus Warschau vor einem “dritten Weltkrieg” klingt nicht so, als würde sich die Lage bald entspannen. Doch der Eindruck täuscht. Hinter den Kulissen haben sich Kommissionspräsidentin von der Leyen und Regierungschef Morawiecki angenähert.

Schon gleich nach der Rede Morawieckis im Europaparlament hieß es, die Regierung in Warschau werde die umstrittene Disziplinarkammer für unbotmäßige Richter auflösen und die entlassenen Staatsdiener wieder einsetzen.

Damit wäre der Weg frei für die Auszahlung der ersten EU-Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds. Und siehe da: Polens Oppositionsführer Tusk rechnet schon bald mit der ersten Überweisung aus Brüssel.

Eine Sperrung würde nämlich nicht nur der PiS-Regierung schaden, sondern auch den – in ihrer Mehrheit EU-freundlichen – Polen. Außerdem würde sie den “Green Deal” gefährden, den von der Leyen doch unbedingt voranbringen will – koste es, was es wolle.

Absehbar ist auch schon, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungs-Verfahren einleiten wird – wegen des umstrittenen Urteils des polnischen Verfassungsgerichts zum EU-Recht.

Ein solches Verfahren läuft bereits gegen Deutschland. Berlin und Brüssel haben sich hinter den Kulissen auf eine außergerichtliche, gesichtswahrende Beilegung geeinigt. Diesen Weg dürfte auch Warschau gehen.

Keine Finanzsanktionen

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So ließe sich der öffentliche Streit um das EU-Recht “elegant” lösen. Jedenfalls würde er nicht weiter eskalieren und zu einer “Kaskade von Gerichtsverfahren” führen, wie Noch-Kanzlerin Merkel warnte.

Last but not least ist durchgesickert, dass Brüssel keine Mittelkürzung für Polen aus der neuen Rechtsstaats-Konditionalität plant. Es gebe keine Anzeichen für einen Mißbrauch der EU-Gelder, heißt es.

Stattdessen will sich von der Leyen wohl Ungarn, möglicherweise auch Tschechien, Bulgarien oder die Slowakei vorknöpfen. Es sollen möglichst mehrere Staaten sein, damit sich niemand als “Bauernopfer” fühlt.

Die Streitaxt wird begraben

Doch selbst dieses Manöver soll erst dann kommen, wenn das höchste EU-Gericht, der EuGH, den Rechtsstaats-Mechanismus für rechtskonform erklärt hat. Damit wird allerdings erst im Dezember gerechnet.

Bis dahin können sich die Gemüter abkühlen. Auch das Europaparlament soll besänftigt werden – durch das o.g. Vertragsverletzungs-Verfahren und andere eher symbolische Zugeständnisse.

Und was wird aus den Grundwerten der EU, was aus dem Grundsatzstreit um Recht, Gesetz und Verfassung? Wenn nicht alles täuscht, wird der stillschweigend begraben. Lösen lässt er sich eh nicht…

Mehr zum Streit um den Rechtsstaat hier

Die Watchlist

Werden sich die Energieminister auf Maßnahmen gegen die explodierenden Energiepreise einigen? Der EU-Gipfel hat keine Lösung gebracht, beim Ratstreffen am Dienstag sieht es auch nicht besser aus. Denn Deutschland und acht weitere EU-Länder haben sich gegen eine Reform des Energiemarkts ausgesprochen. Transparente und wettbewerbsfähige Märkte seien der Garant für wettbewerbsfähige Preise für die Endverbraucher, argumentierten sie. Man könnte auch sagen: freie Bahn für Spekulanten…

Was fehlt

Big Brother is watching you. Die biometrische Massenüberwachung ist in Europa schon weiter verbreitet als vermutet. Dies zeigt eine neue Studie, die die Grünen in Auftrag gegeben haben. “Dieser Bericht ist ein weiterer Beleg dafür, dass George Orwells dystopischer Blick in die Zukunft bald von der Realität überholt werden könnte“, sagt P. Breyer von der Piratenpartei. Die EU müsse ihre Finanzierung der Entwicklung solch gefährlicher Überwachungstechnologien sofort einstellen.