Die gestohlene Europawahl, das Bauernopfer für VDL – und der Fall Faeser
Die Watchlist EUropa vom 16. April 2024 – Heute mit der “Strategischen Agenda” der EU-Chefs, dem überraschenden Rückzug eines CDU-Politikers und faulen Ausreden der Innenministerin.
Das gab’s noch nie: Sechs Wochen vor der Europawahl diskutiert der Europäische Rat die “strategische Agenda” für die nächsten fünf Jahre. Am Mittwoch und Donnerstag wollen Kanzler Scholz und seine Amtskollegen bei einem Sondergipfel in Brüssel die Weichen stellen.
Wie aus einem Entwurf hervorgeht, sollen Sicherheit, Verteidigung (Rüstung) und Wettbewerbsfähigkeit die neuen Prioritäten der EU-Politik werden. Der Umwelt- und Klimaschutz wird – wie in diesem Blog berichtet – nur noch am Rande erwähnt.
Das ist ein doppelter Skandal. Empörend ist nicht nur, dass die Klimakrise keine zentrale Rolle mehr spielt – obwohl sie sich weiter verschärft und der “European Green Deal” ganz offensichtlich nicht gehalten hat, was 2019 versprochen wurde.
Empörend ist vor allem, dass Gipfelchef Michel und die 27 Staats- und Regierungschefs den Bürgern die Wahl stehlen. Sie können bei der Europawahl im Juni ankreuzen, was sie wollen – die Schwerpunkte der nächsten Legislatur stehen schon fest.
Die Anti-Klimawahl
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Das war 2019, bei der letzten Europawahl, noch anders. Sie wurde zur Klimawahl – weil die Klimabewegung, die Grünen, Linken und Sozialdemokraten mächtig Druck gemacht haben. Am Ende mußte die vom Rat eingesetzte neue Kommissionschefin von der Leyen dieses Thema aufgreifen.
Diesmal will der Gipfel die Wahl ignorieren und von der Leyen im Amt bestätigen – mit einer Agenda, die vorab in Hinterzimmern der Staats- und Regierungschefs ausgekungelt wurde. Ein erstes Treffen gab es bereits im Herbst im Kanzleramt!
Bleibt zu hoffen, dass die Bürger und die neu gewählten Europaabgeordneten sich das nicht bieten lassen – und eigene Prioritäten setzen. Nebem dem Klima würde ich Frieden, Abrüstung und sozialen Wohnungsbau empfehlen…
Siehe auch “Warum diese Europawahl eine Mogelpackung ist” und “EU leaders may miss a rendezvous with history” (Social Europe)
News & Updates
- Bauernopfer für Queen von der Leyen. Der CDU-Europapolitiker M. Pieper sollte als Mittelstands-Beauftragter gegen Bürokratie in Brüssel kämpfen. Nach heftiger Kritik aus dem Europaparlament verzichtet er nun auf das Amt, das ihm seine Parteifreundin, Kommissionschefin von der Leyen, angetragen hatte. Offizielle Begründung von Pieper: der französische EU-Kommissar Breton habe ihn “boykottiert”. In Wahrheit hat aber VDL die Strippen gezogen. Der überraschende Rückzug wirkt denn auch wie ein Bauernopfer für die “Queen of Europe”, die in die Defensive geraten ist…
- Brüssel übt sich in Scholz-Bashing. Der Kanzler war kaum in China gelandet, da kamen aus der Brüsseler Blase schon die ersten Verrisse. Schuld ist auch die deutsche EU-Chefin von der Leyen – denn die folgt dem harten US-Kurs. – Mehr hier (Blog)
- EU-Kommission billigt Reformplan der Ukraine. Die EU-Behörde hat die “umfassende Reform- und Investitionsstrategie” der Ukraine für die nächsten vier Jahre gebilligt. Damit macht sie den Weg für regelmäßige Überweisungen nach Kiew frei. Es geht um insgesamt 50 Mrd. Euro.
Das Letzte
Aus dem “Fall Varoufakis” wird ein Fall Faeser. Die Bundesinnenministerin kann bzw. will auch drei Tage nach dem umstrittenen “Palästina-Kongress” in Berlin nicht erklären, wieso sie dem prominenten griechischen Politiker Yannis Varoufakis einen Maulkorb verpasst und einen Reisebann erlassen hat. Eine Auskunft zu „Einzelfällen“ sei „nicht möglich“, heißt es in ihrem Ministerium. Doch Varoufakis ist kein Einzelfall. Gegen zwei weitere Teilnehmer, den palästinensischen Autor Salman Abu Sitta und den Arzt Ghassan Abu Sittah, Rektor der Universität Glasgow, hat das Innenministerium „Betätigungsverbote“ ausgesprochen, wie die “taz” berichtet. Zudem ist der “gebannte” Grieche ein EU-Politiker, der mit der Partei MERA25 auch in Deutschland bei der Europawahl antreten will. Sieht ganz so aus, als sei Faeser auf Kollusionskurs mit dem EU-Recht, der Meinungsfreiheit und der Demokratie…
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Monika
16. April 2024 @ 15:58
Der Fall Faeser – ein Fall für das Bundesverfassungsgericht wegen grundgesetzwidriger Willkür? Oder gleich Europäischer Gerichtshof?
Wo bleiben denn die Klagen unserer Bundestagsabgeordneten bzw. Europaabgeordneten? Klagen im Sinne von Jammern bringt keine Veränderung, Verklagen vor Gericht ist derzeit noch die einzige Möglichkeit ein wenig Sand ins undemokratisch agierende Regierungsgetriebe zu bringen.
Bis auch die Gerichte komplett „übernommen“ werden.
Arthur Dent
16. April 2024 @ 10:12
Beim kapitalistischen „Klimaschutz“ wird der Natur ein ökonomischer Wert zugemessen, somit steht Natur nicht mehr allen gleichermaßen zur Verfügung, sondern nur noch denjenigen, die es sich leisten können. (Indigene Naturvölker würden niemals auf einen solchen „Quatsch“ kommen). So werden durch Land-Grabbing in Afrika Hirten aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben (sie sind halt nicht nachhaltig) und damit Opfer des Klimawandels.
Was Nancy F. und Thomas H. gerade mit Unterstützung von „Ich-hab- alles-vergessen-Olaf“ praktizieren, ist ein beispielloser Angriff auf demokratische Gepflogenheiten und auf unsere Verfassung.
KK
16. April 2024 @ 13:48
“Was Nancy F. und Thomas H. gerade mit Unterstützung von „Ich-hab- alles-vergessen-Olaf“ praktizieren, ist ein beispielloser Angriff auf demokratische Gepflogenheiten und auf unsere Verfassung.”
Faeser ist die Haupttäterin, wenn es um die Aushöhlung unserer Verfassung geht. Da hat Olaf Scholz den Bock zum Gärtner bzw. die Zicke zur Gärtnerin gemacht….
Stef
16. April 2024 @ 09:29
Das scheunentorgroße Demokratiedefizit der EU ist kein bug, es ist ein feature.
Über die EU werden inzwischen alle nicht populären, kapitaldienlichen und anders nicht in Wählerzustimmung ummünzbaren politischen Entscheidungen kanalisiert. Der Umstand, dass weder das EP noch die nationalen Parlamente in den wichtigsten Fragen ein wirksames Gegengewicht darstellen, ist voll beabsichtigt. Selbst die legitimierten nationalen Regierungen können der geballten Macht der EU nichts mehr entgegensetzen, siehe Orbans gebrochener Widerstand gegen die Finanzierung des Ukrainekrieges.
In der EU haben wir keine Demokratie, alles andere ist Augenwischerei. Wer das befürwortet, sollte den Mut haben dies offen auszusprechen. Oder muss wie Kleopatra mit dem Vorworuf der formal korrekten Bigotterie leben.
Kleopatra
16. April 2024 @ 08:42
1) Die EU hat zwei gesetzgebende Organe, nämlich das Parlament und den Rat; und von den beiden hat der Rat sogar mehr Macht.
2) Die Zusammensetzung des Rates ist von den Europawahlen unabhängig.
Das gilt auch für den Spezialfall des Europäischen Rates, der aus den Regierungs- bzw. Staatschefs besteht.
3) Der Europäische Rat hat immer wieder strategische Grundsatzentscheidungen getroffen. Warum sollte er das ausgerechnet in diesem Halbjahr nicht tun?
4) Unabhängig davon, was bei den Wahlen zum europäischen Parlament herauskommt, wird dieses es mit demselben Rat zu tun zu haben.
5) Wenn das dazu führt, dass die Wahlen auf die politische Richtung nur einen begrenzten Einfluss haben, ist das ein Effekt, der von den Verträgen vielleicht sogar beabsichtigt ist. Die Kandidaten zum EP sollten nicht so tun, als hätte ihr Parlament mehr Macht, als es wirklich hat.
6) Gegen eine Nominierung von vdL würde nur sprechen, wenn eine andere Fraktion mehr Sitze bekäme als die EVP.
ebo
16. April 2024 @ 09:15
Sagen wir es mal so: Sie können Ihren Europaabgeordneten wählen – haben aber weder Einfluß auf die künftige Führung der EU noch auf deren Politik. Demokratie am limit!
Monika
16. April 2024 @ 10:06
@Kleopatra und @ebo
der einzig „vernünftige“ Schluß der europäischen Bürgerschaften aus ihrer beiden Unterhaltung wäre mithin: Nichtwählen.
Demokratie nicht nur am Limit, sondern obsolet. Ist das Demokratie oder kann das weg…
Skyjumper
16. April 2024 @ 11:12
Provokation:
Sagen wir es mal so: Sie können Ihren Bundestagsabgeordneten wählen – haben aber weder Einfluß auf die Kanzlerwahl der BRD noch auf deren Politik. Demokratie am limit!
Die Demokratie ist derzeit in DE, in der EU, und wahrscheinlich auch in diversen weiteren europäischen Staaten mehr als am Limit.
Die Art der Demokratie als repräsentativ ist ein Behilfsmittel. Sie ist (und war schon immer) in ihrer Qualität abhängig von der Qualität der Akteure. Und daran krankt es.
Sowohl in der BRD, als auch in der EU könnte viel mehr Demokratie rauskommen als es tatsächlich der Fall ist. Aber das ist offenbar von den politischen Akteuren nicht gewollt.
@Monika:
“Nichtwählen” ist eine starke Versuchung. Da die Nichtwähler in unseren Wahlsystem immer die Systemparteien stützen, muss man sein Frust anders abreagieren. Irgendwas unter den 35 ?? in DE zur Europawahl zugelassenen Parteien wird schon passen fürs eigene Kreuz. Bringt zwar nix, aber wenigstens auch nicht für SPD/CDU usw.
ebo
16. April 2024 @ 11:22
Nein, die EU und die Bundesrepublik kann man nicht vergleichen.
In Berlin gibt es eine Regierung, die man auch abwählen kann – in Brüssel gibt es das nicht. In Berlin gibt es eine Opposition, die die Regierung herausfordern und stürzen kann – in Brüssel gibt es das auch nicht. In Berlin können Sie die Politik durch die Wahl einer Partei mitbestimmen – in Brüssel ist selbst das nicht mehr möglich.
Die EU ist auf ein intergouvernmentales System zurückgefallen, in dem die Staats- und Regierungschefs den Ton angeben, die Kommission die Wünsche der Chefs umsetzt und das Parlament nur noch nachträglich über die Details mitentscheidet. Die Europa-Abgeordneten können nicht mal eigene Gesetzes-Initiativen einbringen!
Thomas Damrau
16. April 2024 @ 09:38
@Kleopatra
Das ist ja alles richtig. Nur darf man nicht versuchen den BürgerInnen weiszumachen, dass die EU-Wahl ein Freudenfest der Demokratie ist, bei dem die WählerInnen irgendwelche Weichen stellen. Das EU-Parlament darf nicht zu einer Art chinesischer Volkskongress verkommen.
Diese Art von Over-Selling unterminiert das Vertrauen in die Demokratie.
KK
16. April 2024 @ 13:43
@ Kleopatra:
“6) Gegen eine Nominierung von vdL würde nur sprechen, wenn eine andere Fraktion mehr Sitze bekäme als die EVP.”
Gegen eine Nominierung von vdL spricht zu allererst, dass gegen sie – schon wieder, es ist ja nicht das erste Mal – wegen intransparenter Kungelei nebst anschliessender Beweisvernichtung ermittelt wird.