Westerwelles neue Mission

Nun gibt er den überzeugten Europäer

Nach Kanzlerin Merkel fordert nun auch Bundesaußenminister Westerwelle „mehr Europa“. Mit dem Abklingen der Schuldenkrise sei es Zeit, nach vorn zu blicken und wieder über eine EU-Verfassung nachzudenken, sagte der FPD-Politiker in Kopenhagen. Persönlich sei er sogar für Referenden und eine Direktwahl eines EU-Präsidenten. Klingt gut, passt aber nicht in die politische Landschaft – vielleicht sollte er erst einmal seine eigene Partei überzeugen?

Westerwelle hat eine neue Mission: Er möchte die EU vorantreiben und die gescheiterte EU-Verfassung wiederbeleben. Das steht zwar schon lange im FDP-Programm, im Auswärtigen Amt fordern viele Diplomaten seit Monaten eine Rückbesinnung auf die klassische Europapolitik. Doch in den ersten Jahren als Außenminister war Westerwelle mehr mit FDP-internen Machtkämpfen und mit der Blockade missliebiger Entscheidungen wie zum Libyen-Krieg beschäftigt.

Nun blickt er nach vorn, was erst mal eine gute Nachricht ist. Überzeugte Europäer und Föderalisten fordern schon seit Beginn der Schuldenkrise, die Engführung der EU-Politik durch Kanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Schäuble zu überwinden und eine Vertiefung und Demokratisierung der EU anzustreben. Die Fiskalunion könne nur der erste Schritt zu einer umfassenden politischen Union sein, am Ende müssten die “Vereinigten Staaten von Europa” stehen, fordert etwa die Spinelli-Gruppe um den Liberalen G. Verhofstadt.

Das Problem ist nur, dass Westerwelle sich nicht etwa von Merkels Kurs  absetzt, sondern darauf aufbaut. Die in Merkels Fiskalpakt angelegte Austeritätspolitik und das Primat der Wettbewerbsfähigkeit sollen nach dem Willen des Marktliberalen in ganz Europa festgeschrieben werden. Damit wird aber das Feld der Politik und der Demokratie von vorneherein unzulässig verengt.

Schließlich bedeutet der Fiskalpakt einen massiven Abbau staatlicher Souveränität und parlamentarischer Demokratie (das Budgetrecht wird ausgehebelt, der Europäische Gerichtshof hat küntig das letzte Wort). Er ist daher denkbar ungeeignet, darauf eine „politische Union“ aufzubauen. Das “mehr Europa” entpuppt sich daher – ähnlich wie bei Merkel – als Mogelpackung.

Zudem kommt Westerwelles Initiative zur Unzeit. Irland bereitet gerade ein Referendum zum Fiskalpakt vor – da können die Iren nicht auch noch eine Verfassungsdebatte brauchen. In Frankreich tobt der Präsidentschaftswahlkampf – wie soll Noch-Präsident Sarkozy den Franzosen vermitteln, dass er nun eine neue EU-Verfassung anstrebt, die die Franzosen 2005 in einer Volksabstimmung abgelehnt hatten, weil sie sie als „neoliberal“ betrachteten? Und was ist mit Briten und Tschechen, die nicht einmal beim Fiskalpakt mitmachen?

Vor allem aber hat Westerwelle ein Problem mit seiner eigenen Partei – und der Kanzlerin. Wie will er glaubwürdig für „mehr Europa“ werben, wenn seine eigenen Minister und Abgeordneten schon bei der Euro-Stützung querschießen? Und wie will er „mehr Demokratie“ durchsetzen, wenn Merkel die Grundregeln der Demokratie in Europa außer Kraft setzt und sich weigert, den vermutlich nächsten Präsidenten Frankreichs, den Sozialisten Hollande, zu empfangen (siehe dazu auch mein  Beitrag “Angst vor Alternativen”)?

Hier läge die eigentliche Mission Westerwelles: Er sollte erst einmal seine eigenen Koalitionäre überzeugen, bevor er den überzeugten Europäer gibt. Erst wenn Berlin aufhört, den anderen EU-Ländern den Kurs zu diktieren, kann man wieder ernsthaft über Demokratie in Europa diskutieren…

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