Der edle Ritter und die hart arbeitenden Damen

Realpolitik oder Realsatire? Beim ihrem Treffen in Sopron haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Ungarns Machthaber Viktor Orban überaus wendig gezeigt – und ungewöhnlich charmant.

Ist Viktor Orban nun ein unsolidarischer Merkel-Verächter, der wegen seiner knallharten Flüchtlingspolitik mit EU-Strafen belegt werden muß? Oder ist er wieder hoffähig, auch bei der Kanzlerin?

Das Treffen zum 30-jährigen Jubiläum der Massenflucht in Sopron legt Letzteres nahe. Merkel würdigte nicht nur den Mut der ostdeutschen Dissidenten (zu denen sie damals nicht gehörte).

Nein, sie umgarnte auch Gastgeber Orban. Der wurde nicht nur für seine aktive Rolle beim Fall des Eisernen Vorhangs gewürdigt, sondern auch für den Schutz der Schengen-Grenzen.

Merkel habe die Gemeinsamkeiten herausgestellt und die Divergenzen unter den Tisch gekehrt, resümiert „Le Monde“. Auch Orban gab sich überaus wendig und aufgeräumt.

„Nach den Gesetzen der Ritterlichkeit ziehen wir den Hut von Weitem vor hart arbeitenden und erfolgreichen Damen“, verneigte sich der Gastgeber vor Merkel und von der Leyen.

Von der Leyen? Ja, die neue Kommissionschefin verbindet Merkel und Orban. Sie soll auch das Kunststück vollbringen, den Graben zu überbrücken, der Berlin und Budapest in der Flüchtlingspolitik trennt.

Allerdings bleibt völlig unklar, wie das gelingen soll. Klar ist nur, dass der neue Schmusekurs all jene schockieren muss, die bei der Europawahl glaubten, Orban & Co einen Denkzettel zu geben.

Darunter war auch ein gewisser Manfred Weber. Der CSU-Mann behauptet immer noch, er sei von Orban und Frankreichs Macron an seinem Aufstieg zum Kommissionschef gehindert worden.

Vielleicht sollte er auch mal über die „hart arbeitenden und erfolgreichen Damen“ nachdenken…

Siehe auch „Wie Orban zum Königinnen-Macher wurde“ und „Merkel hofiert Orban und die Visegrad-Staaten“