Welchen “Mehrwert” bietet die EU?
Sechs Monate vor der Europawahl versucht die EU, ihre Vorzüge für die Bürger herauszustellen. Doch der “europäische Mehrwert” ist gar nicht so einfach nachzuweisen, wie eine Expertenrunde in Brüssel zeigte.
“Die Krise Europas als Krise ihres Mehrwerts” hieß die Veranstaltung, bei der die Leibniz-Forschungsgemeinschaft einige Ergebnisse vorstellte. Die EU “liefert” nicht genug, war die Arbeitshypothese.
Dem widersprach der SPD-Europaabgeordnete J. Leinen. Zwar habe es bei der Euro- und Flüchtlingskrise einen Durchhänger gegeben, die Wunden seien auch noch nicht alle verheilt.
Doch die Krise sei vorbei: “Ich denke, wir kriegen das hin”, sagte er mit Blick auf die Migration. Auch die Eurokrise sei überstanden. Bis auf Italien seien alle Länder wieder auf einem guten Weg.
Leibniz-Professor Heinemann widersprach. Italien sei wirtschaftlich noch unter Vorkrisenniveau – “wo ist für die Italiener der europäische Mehrwert?” Brüssel sei “zu selbstzufrieden”, so Hoffmans Kritik.
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In der Tat muss man sich fragen, wie die EU mit ihrer aktuellen Bilanz den Europa-Wahlkampf bestehen will. Klar, seit der Eurokrise wurden viele Jobs geschaffen, die Wirtschaft wächst wieder.
Doch die meisten Länder haben gerade ‘mal die Verluste aus der Krise wettgemacht, die Jobs sind prekär geworden, die Ungleichheit steigt rasant. Und die EU ist in schlechter Verfassung – gerade steigt UK aus.
Wo Brüssel einen “Mehrwert” für die Bürger produziert, ist schwer zu erkennen. Der Euro ist beliebt, bringt aber immer mehr Zwänge mit sich. Die Reisefreiheit ist auch beliebt, wird aber immer mehr eingeschränkt.
“Man braucht eine äußere Bedrohung”
Am Ende räumte dies auch Leinen ein. “Wenn man den Laden innen zusammenhalten muss, braucht man eine äußere Bedrohung“, sagte er. Und an Bedrohungen sei ja nun wirklich kein Mangel.
Aus meiner Sicht ist das eine zutreffende, aber auch sehr problematische Einschätzung. Brauchen wir also ein äußeres Feindbild, um die EU zu retten? Für eine “Friedensunion” wäre dies ein Armutszeugnis.
Bisher kannte man ein solches Räsonnement eigentlich nur aus autoritären Staaten – und aus Imperien…
Jörn Halusa
24. November 2018 @ 15:54
Wer einmal Krieg erlebt hat, der /die weiß wie wichtig Frieden ist. Wichtig für die Menschen untereinander über Kulturen hinweg, in den Familien. und für die Entfaltung jedes Menschen. Europa und seine Menschen sind kulturell so reichhaltig, dass der Gedanke den Frieden zu verlieren nur noch erschaudern lässt.
Alle politischen Parteien in Europa dürften nicht mehr gewählt werden, wenn sie Soldaten entsenden, Kriegswaffen exportieren und keine Idee haben wie praktische Friedenspolitik gemacht wird. Keine Stimme den Kriegsparteien!
Allein die Frage nach dem Mehrwert der EU, hört sich verdächtig ökonomisch an. Schlimm genug, dass die EU fast nur noch nach ökonomischen Maßstäben gemessen wird. Aber typisch für unsere neoliberalen Gesellschaft, in der nur noch das Geld zählt. Das Wort von Carl von Ossietzky gilt noch immer, und ist heute, nicht nur wegen Trump, aktueller denn je:
“Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte.
Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.”
Jetzt fragt sich noch wer die beutegierige Canaille ist: dreimal dürfen Sie raten.
Peter Nemschak
24. November 2018 @ 21:09
Das Ziel Frieden soll nicht bestritten werden. Allerdings wie dieses Ziel in einer anarchischen und chaotischen Staatenwelt am besten zu erreichen ist, darüber bestehen unterschiedliche Ansichten. Die Hoffnung auf eine liberale Weltordnung nach Ende des Kalten Kriegs hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, kämpfen Großmächte um die Hegemonie in einer multipolaren Ordnung. Dass die Menschenrechte nicht universal als Handlungsmaxime anerkannt werden, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Unterschiedliche Moral- und Wertvorstellungen stehen in der globalen Arena gleichrangig nebeneinander.
Kleopatra
24. November 2018 @ 07:57
Eine EU, die sich primär darauf konzentriert, ob sie ihren „Kunden“ einen von ihnen nachgefragten Nutzen bietet, müsste sich damit abfinden, dass mittelfristig alle paar Jahre einer der Kunden abspringt und andere dazukommen. Das tun andere Kaufleute doch auch. Die ganze Argumentation „ihr verdankt es doch uns, dass ihr Cassis de Dijon trinken und im Ausland billig mit dem Handy telefonieren könnt“ behandelt die Menschen wie verwöhnte kleine Kinder und ist schon deshalb entwürdigend und keine Art, mit erwachsenen politischen Subjekten umzugehen.
Peter Nemschak
24. November 2018 @ 12:51
Was verstehen Sie unter erwachsenen politischen Subjekten und wo sind diese zu Hause? Welchen Nutzen erwarten diese in unserer postmaterialistischen Gesellschaft von der EU? Kollektive Sinnstiftung? Geht es vielleicht um eine Wohlfühlgarantie, welche die EU ihren Bürgern bisher schuldig geblieben ist? Der Wunsch nach staatlichen Wohlfühlgarantien riecht stark nach Verlangen nach einem milden autoritären Staat.
Peter Nemschak
23. November 2018 @ 12:00
Die Vorstellung einer Friedensunion, die kein äußeres Feindbild für ihren Zusammenhalt benötigt, widerspricht sämtlichen Erkenntnissen aus der Evolution. Das beginnt schon bei Fischschwärmen, die ein verwirrendes Knäuel bilden um den einzelnen Fisch möglichst gut vor einem von außenden kommenden Angreifer zu schützen. Das Prinzip funktioniert genauso bei Menschen seit sie von den Bäumen heruntergestiegen sind: Solidarität als Lebensversicherung für das Individuum gegen reale aber auch eingebildete böse Geister. Man müsste die Frage stellen, was wäre die Situation der europäischen Staaten, gäbe es nicht die EU ? Ganz ohne würden sie mangels economies of scale wirtschaftlich schlechter dastehen. Vergleicht man das Pro-Kopfeinkommen von vor 50 Jahren mit dem von heute, geht es auch den Ärmsten absolut gesehen besser als damals. Heute geht es im Grunde darum, ob mehr oder weniger Integration auf unterschiedlichen Gebieten sinnvoll wäre. In Sachen Migration zeigt sich zunehmend, dass der derzeitige bequeme Diskurs der linken aber auch konservativen Parteien Deutschlands europaschädlich ist. Merkel hat es verstanden, sehr lange auf den Wellen dieses selbstgefälligen Diskurses zu reiten. Merz aber auch der konservative österreichische Bundeskanzler Kurz haben es endlich auf den Punkt gebracht: INTERVIEW mit Sebastian Kurz in der NZZ vom 23.11.2018
«Das Asylrecht war nie gedacht als eine Basis für Massenmigration von Afrika nach Europa»
Julia Ka2
23. November 2018 @ 08:18
Dass jetzt gerade Frau Clinton warnt heißt doch, dass es zum Umdenken unserer Politiker kommen muss. Geld scheffeln ist auch möglich indem etwas für die Menschen gemacht wird die im Land leben,
Europaerweiterung wurde schon ohne Befragung gemacht und die Menschen in Konkurrenz gebracht, Zähneknirschend wurde dies noch erduldet doch jetzt geht es entschieden zu weit und es wird wohl nicht nur beim Brexit bleiben..
Oudejans
23. November 2018 @ 01:08
>>”Brauchen wir also ein äußeres Feindbild, um die EU zu retten?”
Wir haben immerhin Theresa May.