Webers Werk und Macrons Manöver
Heute ist der große Tag, an dem die konservative EVP, die von CDU und CSU dominiert wird, ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl wählt. Es gibt kaum noch Zweifel, dass es Merkels Kandidat wird, also M. Weber (CSU). Doch was hat Weber bisher eigentlich vollbracht?
Nicht so viel wie sein Herausforderer A. Stubb, so viel steht fest. Der Finne war immerhin schon Finanzminister und Premierminister seines Landes, derzeit ist er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg.
Da kann Weber nicht mithalten. Er hat noch nie ein Ministeramt bekleidet, noch nie einen großen Wahlkampf geführt, auch keine EU-Institution geleitet. Bisher ist er bloß Fraktionschef der EVP, und Vizepräsident der CSU.
Und was hat er in dieser Eigenschaft geleistet? In Brüssel wird er als ausgleichend und aufrecht beschrieben, als überzeugter, aber moderater Europäer, der Brücken baut. Allerdings nicht immer die richtigen, wie ich finde:
- In der Flüchtlingskrise hat er gleichzeitig zu Merkel, Seehofer und Orban gehalten – ein unmoralischer Spagat;
- Nach dem Abgang von M. Schulz hat er Berlusconi-Spezi Tajani zum Präsidenten des Europaparlaments gemacht;
- Im Streit um die Rückführungsabkommen hat er zusammen mit Seehofer “die EU gerockt” – ohne erkennbares Ergebnis;
- Im Streit um den Rechtsstaat in Ungarn hat er laviert und die EVP gespalten; nicht einmal die CSU wollte ihm folgen;
- Im Vorwahlkampf in der EVP ist er jeder direkten Auseinandersetzung mit seinem Herausforderer Stubb ausgewichen.
Dennoch dürfte seine Kür sicher sein. Schließlich hat er mächtige Unterstützer. Hier nur ein paar Namen, die für sich sprechen:
- Merkel
- Juncker
- Berlusconi
- Kurz
- Orban
Wer solche Freunde hat… ist sicher für das Amt des Kommissionschefs qualifiziert, oder? Zur Not gibt es ja noch den deutschen Generalsekretär M. Selmayr, der die Kohlen aus dem Feuer holt – zuletzt vor allem für Merkel…
Siehe auch “Endlich wieder ein Deutscher?”
WATCHLIST:
- Die EU-Kommission legt ihre Herbstprognose vor – trüben sich die Aussichten für die Wirtschaft weiter ein? Wie sieht es mit den Krisenländern Griechenland und Italien aus? Und was ist mit dem Risiko Trump? Antworten will EU-Kommissar Moscovici geben, der sich vom Kritiker zum Wortführer der “ultra-liberalen” EU-Politik (Macron) gemausert hat…
Siehe auch: “Die erstaunliche Metamorphose von Monsieur Moscovici”
WAS FEHLT:
- Historisches Bewusstsein im Elysée. Erst ließ Präsident Macron die Siegesfeiern zum 1. Weltkrieg streichen, nun gedenkt er des “großen Soldaten” Pétain: Der Aufschrei ist groß, denn Pétain hat mit den Nazis kollaboriert und die Deportation organisiert. Warum macht Macron das? Und wie passt es zu seinem Image als Vorkämpfer gegen Rechts? Man wird den bösen Verdacht nicht los, dass er versucht, Wähler des Front National zu umwerben – die liegen nämlich in den Umfragen vorn…
Siehe auch: “Der Wind dreht gegen Macron – und die EU”
Peter Nemschak
8. November 2018 @ 10:00
Hinter den mächtigen Unterstützer stehen viele Wähler, welche eben diese mächtigen Unterstützer ihrerseits unterstützen. Wie bekannt ist Stubb einer breiteren Öffentlichkeit ? Wenn Weber so ungeeignet ist, wie hier dargestellt, hat sein politischer Konkurrent Timmermans umso bessere Chancen.
Erich Ganspöck
8. November 2018 @ 09:41
Macron hatte im Gegensatz zu Hillary Clinton das Glück, obwohl typischer Vertreter der Oberschicht und Banker, als jugendlicher Held Frankreichs gewählt zur werden. Nach dem sozialistischen Chaos seines Vorgängers war das klarerweise nicht allzu schwer. Nur das Wahlrecht hat dann das große Vordringen der FN ins Parlament noch verhindern können. Mit viel Krampf – wie bei uns seinerzeit – haben sich alle Gruppierungen um Macron geschart um LePen zu verhindern. Ob das auf die Dauer gut geht? Wie man merkt, durchschauen immer mehr Wähler Macrons Politik und versuchen mit dem Stimmzettel den Einfluß des Establishments zu brechen.
Natürlich konnte schon Sarkozy die gewalttätigen antidemokratischen Parallelgesellschaften in den Banlieues nicht mehr in den Griff bekommen; LePen kann das auch nicht – dazu würde es Jahre und rigoroses Vorgehen benötigen, was unwahrscheinlich ist. Aber sie kann zumindest die Lage stabilisieren und die weitere illegale Einwanderung stoppen. Davor haben natürlich alle Angst, die dadurch viel Geld verdienen, seien es die NGOS oder Großfarmen, die die Pflücker ausnützen.