Was wir über das „System Juncker“ gelernt haben

Selmayr, immer wieder Selmayr. Dabei ist „Junckers Monster“ doch nur die Spitze des Eisbergs. Dies hat sich bei der Anhörung von EU-Kommissar Oettinger im Parlament erneut gezeigt. Dabei haben wir sogar einiges gelernt.

  1. Juncker kann oder will die EU-Kommission nicht mehr ohne Selmayr führen. „Ohne Selmayr ist er hilflos“, sagt EU-Kommissar Oettinger. Unklar bleibt, ob dies ein physisches oder ein psychisches Problem ist (oder beides).
  2. Oettinger ist de facto zu Junckers Vize aufgestiegen. Auch wenn die Pressestelle der Kommission dies beharrlich leugnet (ich habe mehrmals nachgefragt) – bei Merkels Mann für Brüssel laufen alle (deutschen) Fäden zusammen.
  3. Selmayr und Oettinger arbeiten Hand in Hand. So haben sie gemeinsam die Antworten auf die Fragen des Europaparlaments formuliert; Selmayr führte dabei wohl Oettingers Hand. Wer ist nochmal Personalchef?
  4. Selmayr ist nicht nur neuer Generaldirektor der EU-Kommission, sondern de facto auch weiter geschäftsführender Kabinettschef von Juncker sowie dessen Sherpa bei EU-Gipfeln und anderen wichtigen Anlässen.
  5. Diese Ämterhäufung stößt auf Widerstand im Europaparlament, das Juncker einst zu „seinem“ Kommissionspräsidenten gewählt hat. Selbst Parteifreunde von der EVP rücken von Juncker und seinem System ab.
  6. Auch Oettinger hat ein Glaubwürdigkeits-Problem. Die Abgeordneten nehmen es ihm nicht ab, dass er nichts von Selmayrs Blitz-Beförderung gewußt haben will – und werfen ihm vor, Dokumente zurückzuhalten.
  7. Das Europaparlament schreckt aber davor zurück, das „System Juncker“ offen infrage zu stellen. Niemand fordert Selmayrs Rücktritt – wohl aus Angst, dass dann das ganze Kartenhaus zusammenbricht.
  8. Das Parlament schreckt auch davor zurück, seinen stärksten Hebel – die Nicht-Entlastung beim Haushalt – einzusetzen. Die Grünen hatten dies vorgeschlagen, sie fanden keine Mehrheit.
  9. Was als „politische Kommission“ begonnen hat, die sich auf eine Mehrheit im Europaparlament (und einen gewählten Spitzenkandidaten – Juncker) stützte, ist politisch kaum noch zu kontrollieren.
  10. Umso anfälliger ist das „System Juncker“ für externe Einflüsse, insbesondere aus Berlin. Denn die Bundesregierung und ihr nahestehende Berater und Lobbyisten verfügen über den größten Einfluß in der Brüsseler Behörde.

Siehe auch „Das System Juncker“