Was Schäuble wirklich meinte

Finanzminister Schäuble bleibt stur. Er will sich von den USA nicht ins Gewissen reden lassen – schon gar nicht, wenn es um die Eurokrise und die Rolle Deutschlands geht. Dies ist die ziemlich unmißverständliche Botschaft nach dem Treffen mit seinem US-Kollegen Geithner auf Sylt. Allerdings hat Schäuble sich das nicht zu sagen getraut. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen – ein Interpretationsversuch.

Schäuble wollte nicht mit Geithner reden. Er wollte seine Ruhe haben, ein paar Krimis lesen und endlich abschalten von der Eurokrise. Soweit die offizielle Darstellung. Bei der Frage, warum es nach dem Treffen keine Pressekonferenz gab, beginnt schon die Grauzone. Erst war ein Pressegespräch geplant, dann wurde es ohne Angabe von Gründen abgeblasen – am Ende stand eine schriftliche Erklärung, die dürrer kaum sein könnte und eigentlich nur besagt, dass man sich nicht einig war.

Hier der offizielle Text (Quelle: BMF) – und meine Interpretation:

Wolfgang Schäuble und Timothy Geithner trafen sich heute auf Sylt, um die informelle Atmosphäre zu einem offenen Meinungsaustausch über die Wirtschaftslage weltweit, in den USA und in Europa zu nutzen. Sie betonten die Notwendigkeit fortlaufender internationaler Zusammenarbeit und Koordinierung, um tragfähige öffentliche Finanzen zu erzielen, die globalen makroökonomischen Ungleichgewichte abzubauen und Wachstum wiederzuerlangen.

Im Klartext: Schäuble wollte nicht über den Euro, sondern viel lieber über die Probleme in den USA reden. Sparen ist ihm weiterhin weitaus wichtiger als Wachstum (das kommt erst an dritter Stelle). Da müssen auch noch die USA einiges tun (was zwar stimmt, aber derzeit nicht das Problem ist)…

Beide äußerten sich zuversichtlich, hinsichtlich der Reformanstrengungen in den Euro-Mitgliedstaaten und des Gelingens weiterer Integrationsfortschritte. Sie begrüßten das Beispiel Irland, dem letzte Woche die Platzierung längerfristiger Anleihen gelungen ist, sowie den anhaltenden Erfolg Portugals bei der Einhaltung seiner Programmverpflichtungen. Sie sprachen auch über die beachtlichen Anstrengungen in Spanien und Italien, die beide weitreichende Fiskal- und Strukturreformen anstreben. Deutschland und die USA werden weiterhin eng mit ihren Partnern zusammenarbeiten, während sie im Herbst die politische Agenda zur weiteren Stabilisierung der Volkswirtschaften weltweit und in Europa voranbringen.

Im Klartext: Die deutschen Spardiktate funktionieren doch – siehe Irland und Portugal (dabei hängen beide Länder immer noch am Tropf). Allerdings müssen sich Spanien und Italien noch mehr bemühen (was angesicht der Rekordzinsen an den Anleihemärkten unmöglich ist). Griechenland ist nicht mehr der Rede wert – wahrscheinlich fliegt es eh bald aus der Eurozone. Bevor es so weit ist, wollen Schäuble und Geithner im Herbst nochmal miteinander reden – im August passiert nichts mehr!

BM Schäuble und Minister Geithner betonten erneut die Notwendigkeit für die Politik, alle zur Bewältigung der Finanz- und Vertrauenskrise erforderlichen Reformschritte vereinbaren und umsetzen zu müssen und nahmen die Äußerungen der EU-Entscheidungsträgern in der letzten Woche zur Kenntnis, alle notwendigen Schritte zur Wahrung der Finanzstabilität in der Eurozone zu unternehmen.

Im Klartext: Deutschland wird kein Jota mehr tun als vereinbart. Erstmal müssen “die anderen” umsetzen, dann sehen wir weiter. Was Draghi und Juncker in den letzten Tagen erklärt haben, bindet nur sie selbst – Schäuble will damit nichts zu tun haben.

Vor allem der letzte Halbsatz hat es in sich. Schäuble “nahm zur Kenntnis” – das heißt in Diplomatensprache nichts anderes, als es scharf zu verurteilen. Schäuble und Merkel wollen weiter keine Intervention an den Anleihemärkten, sei es nun durch die EZB oder den EFSF. Sie lassen Spanien sehenden Auges ins Verderben laufen. Und selbst die USA können Deutschland offenbar nicht von diesem fatalen Kurs abbringen…