Warum Merkel nicht allein “führen” kann
Die Zahl ist erschreckend: Nur neun Prozent der Belgier haben Vertrauen in die EU-Politiker. 1997 waren es noch 47 Prozent, meldet “Le Soir”. Die Legitimationskrise hat die Heimat der EU-Institutionen erfasst.
FOLGE 8 einer zehnteiligen Serie zur Krise im deutschen Europa.
Bisher galt Belgien stets als verlässliches Mitglied des EU-Gründerclubs. Im Gegensatz zu Frankreich und den Niederlanden, wo EU-Gegner auf dem Vormarsch sind, schien hier die Welt noch in Ordnung.
Nach dem Brexit war es die belgische Regierung, die zuerst nach einem Treffen der Gründerstaaten rief. Zudem bemüht sich Premier Michel um gute Beziehungen zur EU-Vormacht Deutschland.
Die Liebe wird in Berlin durchaus erwidert. Belgien gilt den Europapolitikern der Hauptstadt als wichtiger Partner; beim Thinktank ECFR wird das kleine Königreich sogar als Top-Verbündeter gehandelt.
Doch wenn selbst in Belgien, wo die EU-Kommission ihren Sitz hat, kein Vertrauen mehr in in die EU herrscht – wie soll es dann weitergehen? Kann Deutschland die mangelnde Legitimation ersetzen?[sociallocker]
Nicht genug Legitimität
Das ist es wohl, was die Experten erwarten, die mehr “German leadership” fordern. Kanzlerin Merkel, ihr Superstar, soll nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa sprechen – und sogar die Belgier begeistern.
Doch das ist eine Illusion. Denn zum einen will Deutschland nicht offen führen, sondern nur verdeckt, durch Regeln und Prozeduren. Zum anderen hat Merkel nicht die nötige Legitimität.
Sie wird vom Bundestag gewählt, nicht vom Europaparlament. Und daheim in Berlin steht sie mehr denn je unter Druck, deutsche Interessen zu vertreten, deutsche Grenzen zu schützen etc.
Berlin braucht die EU
Die Bundestagswahl wird daran nichts ändern. Wenn nicht alles täuscht, dürfte sie den innenpolitischen Druck und die Tendenz zur Renationalisierung nur verstärken, CSU und AfD lassen grüßen.
Merkel ist daher auf die EU angewiesen, die die deutsche Dominanz durchsetzen und legitimieren soll. Genau das führt jedoch zur Politikverdruss – so wie bei unserem Lieblingspartner Belgien.
Die Katze beißt sich in den Schwanz, was zu paradoxen Ergebnissen führen kann – wie beim Streit um CETA, wo Brüssel (EU) nicht einmal wußte, was in Brüssel (Belgien) vor sich ging…[/sociallocker]
Teil 9 folgt in den nächsten Tagen, stay tuned! Wer nichts verpassen will, kann hier tägliche Updates bestellen (bitte klicken)
S.B.
10. Januar 2017 @ 20:54
Es bleibt dabei: Warum relativ einfach (EWG und Ecu auf Basis von Nationalstaaten), wenn es auch sehr kompliziert geht (EU und Euro auf Basis eines sich als Bundesstaat gerierenden Staatenbundes)?
Da passt einfach hinten und vorne nix.
Vom “deutschen Europa” zu sprechen, ist übrigens nur gerechtfertigt, weil a) D der einzige aktive Part bei der “Gestaltung” der EU ist und b) wenn man die Ostländer außen vor lässt. Letztere greifen aktiv ein, wenn ihnen das “deutsche Europa” zu viel wird, siehe Migrationskrise. Insbesondere der westliche und südliche Teil der EU-Mitglieder lässt dagegen quasi ohne Gegenwehr über sich ergehen, was das “deutsche Europa” anordnet. Warum nur?